Mehr als 80 Tiere sind vor zwei Wochen im Kemptener Tierheim angekommen: 56 Kaninchen, acht Katzen, sieben Meerschweinchen und ungefähr zehn Mäuse. Alle stammen sie von einem Hof im Oberallgäu – wurden dort beschlagnahmt und waren meist in schlechtem bis kritischem Zustand. Animal Hoarding nennt man die krankhafte Tiersammelsucht.
Fließbandarbeit im Tierheim
"Wir hatten Tiere mit massiven Bissverletzungen, die mussten direkt operiert werden", erzählt Tierheimleiterin Patrizia Höß. Mehrere Tiere seien gestorben. "Es gab auch Tiere mit Abszessen im Gesicht. Da war bereits der Knochen betroffen und hatte sich schon aufgelöst."
Tagelang waren Tierheimleiterin Höß, ihre Mitarbeiterinnen und die Tierärzte im Einsatz, um die Tiere zu registrieren, zu untersuchen und zu operieren. "Das war tatsächlich wie Fließbandarbeit."
Hohe Dunkelziffer beim Animal Hoarding
115 Fälle mit fast 7.000 gehorteten Tieren hat der Deutsche Tierschutzbund allein im Jahr 2023 bundesweit registriert – so viele wie nie zuvor. Da sich die Fälle oft im Verborgenen abspielen, dürfte die Dunkelziffer laut dem Tierschutzbund aber weit darüber liegen. Am häufigsten betroffen seien Katzen, aber auch kleine Heimtiere wie Kaninchen, Meerschweinchen oder Ratten.
Tierhortung vielerorts ein Problem
180 Zebrafinken aus der Beschlagnahme im Oberallgäu sind ins Tierheim in Augsburg gekommen. Auch dort ist Animal Hoarding ein bekanntes Problem. "Wir hatten in letzter Zeit relativ häufig Katzen, die sich in Wohnungen vermehrt haben", sagt Tierpflegerin Nathalie Gauggel. Vor Kurzem hätte es auch einen Fall mit sehr vielen Meerschweinchen gegeben. Allerdings hatten die Besitzer ihre Tiere freiwillig abgegeben. "Hunde sind es in der Regel eher weniger, weil da die Nachbarn schneller eingreifen. Da bekommt es eher jemand mit als bei Kaninchen, Meerschweinchen oder Katzen, weil die einfach ruhiger sind."
Im Verdachtsfall Tierschutz oder Behörden informieren
Die Tiersammelsucht ist eine psychische Krankheit. Die Betroffenen halten viel zu viele Tiere auf engem Raum. In der Regel sind sie mit der Pflege überfordert, erkennen aber auch nicht, wie schlecht es ihren Tieren geht.
Wenn man mitbekommt, dass jemand Tiere hortet, sollte man unbedingt einschreiten, sagt Heinz Paula vom Tierschutzverein Augsburg, und im Notfall den Tierschutz oder die Behörden informieren. "Man sieht sehr schnell und deutlich die Vermüllung oder hört das Bellen von Tieren", sagt Paula. In solchen Fällen sollte man das Gespräch mit dem Betroffenen suchen. "Und wenn der nicht aufgeschlossen ist, uns informieren, sodass wir schnell reagieren können".
30.000 Euro für 37 Katzen aus einem Haushalt
Oft bleiben die Tierheime auf den hohen Kosten für die Versorgung der Tiere sitzen. Allein durch einen Fall mit 37 Katzen aus einem Haushalt sind dem Augsburger Tierheim kürzlich Kosten in Höhe von 30.000 Euro entstanden. Um die Tierhortung einzudämmen, fordert Heinz Paula vom Augsburger Tierschutzverein deshalb eine flächendeckende Katzenschutzverordnung und eine damit verbundene Kastrationspflicht für Katzen. Auch ein zentrales Register für Animal-Hoarding-Fälle und eine bessere Betreuung und Beratung der Betroffenen könnten nach Überzeugung des Tierschützers helfen. Außerdem wünscht er sich mehr Kompetenzen für die Behörden. "Damit die Veterinärämter und die Polizei einfacher Zugang zu Messi- und zu Animal Hoarding-Fällen haben. So könnten wir viel Tierelend und horrende Kosten vermeiden."
Die Tiere aus der Beschlagnahme im Oberallgäu wurden inzwischen auf Tierheime in Kempten, Augsburg, Beckstetten, Marktoberdorf und Ulm verteilt. Von dort aus sollen sie vermittelt werden, sobald sie wieder gesund sind.
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