Aserbaidschan-Affäre: Prozessbeginn gegen Ex-Unionsabgeordnete
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Aserbaidschan-Affäre: Prozessbeginn gegen Ex-Unionsabgeordnete

Aserbaidschan-Affäre: Prozessbeginn gegen Ex-Unionsabgeordnete

In München hat der Prozess gegen zwei frühere Unionsabgeordnete begonnen. Die Vorwürfe: Bestechung, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung. Es geht um durchaus hohe Summen aus Aserbaidschan und Einflussnahme auf Abstimmungen im Europarat.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Bereits vor Jahren wurden Vorwürfe laut, doch die Ermittlungen zogen sich. Nun müssen sich vier Beschuldigte vor dem Oberlandesgericht in München verantworten, unter ihnen zwei bekannte Unionspolitiker: der langjährige CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner aus Unterfranken und der ehemalige baden-württembergische CDU-Abgeordnete Axel Fischer. Beide streiten die Vorwürfe ab. Hintergrund sind Bemühungen Aserbaidschans, Entscheidungen im Europarat mit Geld zu beeinflussen.

Lintner schweigt zum Prozessauftakt

Lintner hüllte sich zum Prozessauftakt in Schweigen, weder er noch seine Anwälte wollten sich äußern. Der 80-Jährige aus Unterfranken hörte sich die Verlesung der Anklage äußerlich gefasst an. Dabei wiegen die Vorwürfe schwer: Er soll laut Generalstaatsanwaltschaft eine Schlüsselfigur in der Aserbaidschan-Affäre des Europarats gewesen sein.

Konkret legt die Anklage ihm Bestechung von Mandatsträgern zur Last, außerdem Steuerhinterziehung. Lintner war bis 2009 mehr als 30 Jahre lang Mitglied des Bundestags und von 1999 bis 2010 auch Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE). Bis 2016 soll er einen "mehrfachen Millionenbetrag" über ausländische Briefkastenfirmen erhalten haben – und dieses Geld teilweise an Abgeordnete weitergegeben haben, die dafür Politik im Sinne Aserbaidschans machten.

Zu seinem Einflusskreis soll auch die inzwischen gestorbene CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz gehört haben, ebenfalls PACE-Mitglied. Die Generalstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie rund 150.000 Euro Bestechungsgeld erhielt.

Fischer weist Vorwürfe als haltlos zurück

Zweiter prominenter Kopf auf der Anklagebank: Axel Fischer aus Karlsruhe, langjähriger CDU-Bundestagsabgeordneter (1998 bis 2021) und ebenfalls Mitglied der PACE (2006 bis 2018). Ihm wirft die Generalstaatsanwaltschaft Bestechlichkeit von Mandatsträgern und Beihilfe dazu vor. Fischer soll Reden im Interesse Aserbaidschans gehalten und vertrauliche Dokumente frühzeitig weitergeleitet haben. Dafür soll er Bestechungsgelder in Höhe von mehreren zehntausend Euro erhalten haben.

Ein Verteidiger Fischers wies die Anschuldigungen zum Prozessauftakt als haltlos zurück und sprach von pauschalen Vorwürfen. Es habe keine unrechtmäßigen Vereinbarungen, Aufträge oder Weisungen gegeben. Fischer habe in der PACE nicht einmal auffällig für Aserbaidschan abgestimmt.

Zwei weitere Beschuldigte müssen sich wegen Beihilfe zur Bestechung und Steuerhinterziehung beziehungsweise wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern verantworten.

Weitreichende Vorwürfe

Die Affäre reicht über den Prozess hinaus. Aserbaidschan ist seit 2001 Mitglied im Europarat. Seitdem soll das Land Abgeordnete im Europarat mit Geld und Geschenken dazu bewogen haben, Abstimmungen und Diskussionen in seinem Sinne zu prägen. Punkte sind etwa der Anspruch Aserbaidschans auf die Region Berg-Karabach, der Umgang der Regierung mit Kritikern oder die Frage, wie demokratisch Wahlen im Land sind. Ein Bericht der Denkfabrik "Europäische Stabilitätsinitiative" prägte bereits 2012 den Begriff "Kaviar-Diplomatie".

Beobachter vermutet großen Korruptionsskandal

Entsprechend gespannt beobachtete Denkfabrik-Gründer und Migrationsforscher Gerald Knaus den Prozessauftakt in München. Er befasst sich seit Jahren mit dem Thema und geht von einer systematischen Einflussnahme aus. Im Interview mit dem BR spricht er vom größten Korruptionsskandal in der Geschichte des Europarats. "In diesem Europarat hat sich über eine sehr lange Zeit eine sehr große Zahl von Menschen aus sehr vielen unterschiedlichen Ländern und Fraktionen auf eine Art und Weise verhalten, die gar nicht anders zu erklären ist als durch einen großangelegten Korruptionsversuch", ist Knaus überzeugt.

Im Zuschauerraum verfolgte auch Filmemacher Daniel Harrich den Prozessauftakt. Auch er befasst sich mit der Aserbaidschan-Affäre, machte sie zum Thema seines fiktiven Films "Am Abgrund". Den Prozess hält er für besonders und sagte dem BR: "Es ist das erste Mal, dass ehemalige Bundestagsabgeordnete strafrechtlich vor Gericht kommen und sich wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit durch ausländische Kräfte verantworten müssen." Ihn wundere, dass sich die Beschuldigten scheinbar sicher gefühlt hätten.

Prozess bis August angesetzt

Das Gericht wird klären müssen, was an den Vorwürfen dran ist, wie weit Lobbyarbeit geht und wo Bestechlichkeit anfängt. Für das Verfahren sind 39 Verhandlungstage bis Ende August angesetzt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte vorab von "sehr komplexen und zeitaufwendigen" Ermittlungen gesprochen und als Grund ein "konspiratives Vorgehen" der Beschuldigten angegeben. Bundesweit waren 20 Objekte durchsucht, Schriftstücke und Daten ausgewertet worden. Auch in zahlreichen europäischen Ländern wie Zypern, Liechtenstein, Belgien und der Schweiz hatte es Durchsuchungen gegeben.

Im Video: Prozess zur Aserbaidschan-Affäre

Die früheren Unionsabgeordneten Lintner und Fischer müssen sich vor Gericht verantworten.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Matthias Balk
Audiobeitrag

Prozessauftakt am OLG München

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