In der sogenannten Aserbaidschan-Affäre, einer mutmaßlichen Korruptionsaffäre im Europarat, hat die Generalstaatsanwaltschaft München Anklage gegen zwei frühere Bundestagsabgeordnete erhoben. Es geht unter anderem um die Vorwürfe der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern - und um mehrere Millionen Euro.
Die früheren Politiker und Unions-Abgeordneten Eduard Lintner (CSU) und Axel Fischer (CDU) sollen Geld aus Aserbaidschan angenommen haben. Lintner soll es teilweise an die inzwischen gestorbene Bundestagsabgeordnete Karin Strenz (CDU) weitergeleitet haben, damit diese sich im Europarat für Aserbaidschan einsetze. Fischer soll sich selbst im Europarat für das Land engagiert haben.
Schwere Vorwürfe gegen langjährigen CSU-Politiker Lintner
Dem langjährigen unterfränkischen CSU-Politiker Lintner wirft die Behörde vor, über ausländische Briefkastenfirmen einen Betrag von mehreren Millionen Euro erhalten zu haben. Zwei seiner Gesellschaften hätten mit einem staatseigenen aserbaidschanischen Unternehmen Verträge geschlossen, die monatliche Vergütungen für angeblich erbrachte Leistungen vorgesehen hätten.
Mit dem Geld habe Lintner seine CDU-Kollegin Strenz angeworben. Diese habe zugesagt, dass sie im Europarat gemäß den Vorgaben Aserbaidschans handeln werde. Sie habe knapp 150.000 Euro Bestechungsgeld erhalten und in den Jahren 2015 und 2016 zugunsten Aserbaidschans abgestimmt, hieß es weiter. Lintner war für die CSU von 1976 bis 2009 im Bundestag.
Lintner weist Vorwürfe zurück
Der 79-jährige Lintner weist die Vorwürfe der Generalstaatsanwaltschaft als "sachlich nicht berechtigt" zurück. Dass seine Handlungen und die seiner Mitangeklagten als Bestechung von Abgeordneten eingestuft werden könnten, sei ihm und seinen Mitwirkenden nie in den Sinn gekommen, "zumal Abgeordnete gemäß dem Grundgesetz bei ihren Abstimmungen ohnehin völlig frei und nur ihrem Gewissen unterworfen sind".
Lintner erläutert seine Motivation für die Unterstützung Aserbaidschans bei der Rückerlangung des von Armenien besetzten Gebiets Bergkarabach: Gerade vor dem Hintergrund der damaligen deutschen Teilung habe er sich verpflichtet gefühlt, "die Bemühungen des Mutterstaates Aserbaidschan auf Rückgabe des völkerrechtswidrig besetzten Teiles von Aserbaidschan zu unterstützen".
Weil es dazu erforderlich gewesen sei, das politische Geschehen in den Mitgliedsstaaten des Europarats, der EU und in internationalen politischen Gremien systematisch zu beobachten und "gegebenenfalls tätig zu werden", habe er mit der staatlichen aserbaidschanischen politischen Organisation AGSDA vereinbart, "dass diese Bemühungen seitens Aserbaidschans durch regelmäßige monatliche und zusätzlich anlassbezogene finanzielle Zuwendungen ermöglicht werden sollten". Mit den Zuwendungen seien etwa Veranstaltungen und Mitarbeiter bezahlt worden. Gelder, die er "für private Zwecke entnommen habe", seien von ihm als Einkommen versteuert worden, so Lintner.
Aserbaidschan seit 2001 im Europarat
Der Europarat setzt sich für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein. Er hat keine legislativen Befugnisse, versteht sich aber als "Gewissen Europas". In die Parlamentarische Versammlung des Europarats werden nationale Abgeordnete aus den Mitgliedsländern entsandt. Aserbaidschan trat dem Europarat im Jahr 2001 bei.
Der langjährige CDU-Politiker Fischer habe mit einem Vertreter Aserbaidschans vereinbart, gegen Bargeld "nach Anweisung im Interesse Aserbaidschans" im Europarat tätig zu werden, "insbesondere durch positive Redebeiträge, die frühzeitige Übermittlung von vertraulichen Dokumenten und durch sein Abstimmverhalten", erklärte die Generalstaatsanwaltschaft. Er habe sich in den Jahren 2015 und 2016 für Aserbaidschan eingesetzt und mindestens einmal zugunsten des Landes abgestimmt. Dafür habe er knapp 22.000 Euro erhalten. Fischer saß für die CDU von 1998 bis 2021 im Bundestag.
Vorwurf gegen Lintner: Bestechung von Mandatsträgern
Lintner wird Bestechung von Mandatsträgern vorgeworfen, Fischer Bestechlichkeit von Mandatsträgern und Beihilfe zur Bestechlichkeit. Außerdem erhob die Generalstaatsanwaltschaft gegen zwei weitere Angeschuldigte Anklage. Ihnen werde im Wesentlichen Beihilfe zu den Taten vorgeworfen, erklärte sie.
Da Strenz 2021 starb, kann gegen sie laut Generalstaatsanwaltschaft kein Strafverfahren mehr angestrengt werden. Das Geld, das sie als Bestechungslohn erhalten habe, könne aber von ihren Erben eingezogen werden. Die Behörde beantragte die Einziehung aller Gelder, die durch die Taten erlangt worden seien.
Die Generalstaatsanwaltschaft beschreibt in ihrer Mitteilung auch, wie komplex die Ermittlungen gewesen seien. Unter anderem seien bundesweit etwa 20 Objekte durchsucht worden, darunter Abgeordnetenbüros. Über die Zulassung der Anklage und ein mögliches Hauptverfahren entscheidet jetzt das Oberlandesgericht München.
Mit Informationen von AFP
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