Das Atommüll-Zwischenlager Ahaus in Nordrhein-Westfalen.
Bildrechte: Christopher Mick/BGZ
Audiobeitrag

Das Atommüll-Zwischenlager Ahaus in Nordrhein-Westfalen.

Audiobeitrag
>

Atommüll-Vorstoß aus Bayern: Künftig nur ein Zwischenlager?

Atommüll-Vorstoß aus Bayern: Künftig nur ein Zwischenlager?

Ein zentrales Zwischenlager für Atommüll anstatt 16 verschiedene in ganz Deutschland verteilt – so lautet der Vorstoß von Landshuts Landrat Peter Dreier. Für seinen Vorschlag erntet er heftige Kritik. Aber es gibt auch Zuspruch von anderen Landräten.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

"Dreist", "unverschämt", "heuchlerisch" – in Niedersachsen hat sich Landshuts Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) zuletzt keine Freunde gemacht. Das legen die deutlichen Worte von Umweltminister Christian Meyer nahe, mit denen sich der Grünen-Politiker Ende August in Richtung Niederbayern wendet.

Auslöser für die Empörung: Die Forderung Dreiers, sämtlichen Atommüll in Deutschland künftig an einem zentralen Standort zusammenzulegen – und zwar in Gorleben. Derzeit liegt der hoch radioaktive Atommüll, Relikt des 2023 zu Ende gegangenen nuklearen Zeitalters in Deutschland, verteilt auf 16 Zwischenlager. Eines davon in Niederaichbach, in Dreiers Landkreis Landshut.

Landrat sieht zeitliches Problem

Warum nur ein Zwischenlager? Warum Gorleben? Im Gespräch mit BR24 begründet Dreier seinen Vorstoß mit Sicherheitsbedenken: "Die Genehmigung der Zwischenlager läuft in den nächsten Jahren ab, die Fertigstellung eines Endlagers verzögert sich aber bis Mitte des nächsten Jahrhunderts. Da müssen wir uns Gedanken für die Zukunft machen."

In Gorleben gebe es mit der sogenannten Pilotkonditionierungsanlage die einzige "heiße Zelle", in der Castor-Behälter repariert werden könnten. Hinzu komme die Absicherung vor möglichen Angriffen: "Ist es angesichts des Krieges in der Ukraine für die Bundeswehr einfacher, 16 Zwischenlager zu schützen als ein zentrales Zwischenlager? Das möchte ich als Landrat und als Bürger wissen."

Verlängerung der Genehmigungen absehbar

Dass sich die Endlager-Suche verzögert, ist unstrittig. Erst Anfang August sorgt ein Gutachten des Öko-Instituts für Aufsehen. Darin heißt es, die Suche könnte sich noch bis ins Jahr 2074 hinziehen. Der anschließende Bau und die Einlagerung würden Schätzungen zufolge ebenfalls viele Jahrzehnte beanspruchen.

Die bayerischen Zwischenlager Gundremmingen, Grafenrheinfeld und Isar sind derzeit bis Mitte der 2040er-Jahre genehmigt. Von der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung heißt es längst: Alles wird für eine längere Zwischenlagerung vorbereitet, auch die Castor-Behälter seien sicher und unter ständiger Überwachung.

Unterstützung von anderen Landräten

Reicht das, um die Gemüter an 16 Zwischenlager-Standorten zu beruhigen? BR24 hat bei allen betroffen Landrätinnen und Landräten in Deutschland nachgefragt. "Grundsätzlich ist eine zentrale Lösung für die Lagerung von Atommüll sinnvoll", heißt es aus Dithmarschen in Schleswig-Holstein. Ähnlich äußern sich Landräte aus Schweinfurt, Günzburg und Borken.

Bildrechte: Christopher Mick/BGZ
Bildbeitrag

Das Atommüll-Zwischenlager Brokdorf in Schleswig-Hostein.

"Purer Egoismus" aus Niederbayern

In Bayern mag der Vorschlag, Atommüll aus dem Freistaat in Niedersachsen zwischenzulagern, gut ankommen, schreibt der Landrat des Landkreises Hameln-Pyrmont. Und doch sei die Forderung "purer Egoismus" und trage zur Spaltung bei. Klare Worte auch aus dem Landkreis Meppen: "Es ist zu einfach, mit dem Finger auf andere zu zeigen und damit die eigene Verantwortung abzugeben."

Die mit dem Standort Gorleben betroffene Landrätin Dagmar Schulz spricht zudem von Populismus: "Solche Forderungen lösen nicht das Problem der nuklearen Entsorgung." Diese dürfe nicht von politischen Interessen geleitet werden.

Transportkosten sind immens hoch

In der praktischen Umsetzung sehen ohnehin Befürworter wie Gegner des Vorschlags ein schier unüberwindbares Problem: die enormen Kosten für den Bau, die Genehmigung und vor allem den Transport von 1.900 Castoren in ein zentrales Lager.

Ist der Vorschlag also aus der Luft gegriffen? So sieht es der Landshuter Grünen-Politiker und Mitglied des Forums Endlagersuche, Johannes Hunger: "So ein gigantisches Zwischenlager zu bauen, ich glaube, da haben wir ein Endlager schneller gefunden. Ich darf nur daran erinnern, der letzte Castor-Transport nach Gorleben hat über 30 Millionen Euro gekostet. Das waren damals elf Castoren. Die Kosten für 1.900 davon kann ich mir nicht ausmalen. Und ich denke auch nicht, dass der Landrat eine Idee hat, wie man das bezahlen könnte."

Einsparungen bei Reparaturmöglichkeit

Bleibt noch die Frage nach der "heißen Zelle" in Gorleben für mögliche Castor-Reparaturen. Diese sei "heute überflüssig", schreibt ein Sprecher der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung auf Anfrage von BR24. Es sei geplant, die Anlage stillzulegen und zurückzubauen. Für den "unwahrscheinlichen Fall einer Undichtigkeit" gebe es ein genehmigtes Reparaturkonzept. Deswegen werde auch nicht an allen Standorten eine "heiße Zelle" benötigt.

Endlager auch in Bayern möglich?

In Niederaichbach erinnert Bürgermeister Josef Klaus (CSU) deswegen daran, sich wieder auf das eigentliche gemeinsame Ziel zu besinnen: Die zügige Festlegung auf einen Endlager-Standort. "Wenn die Wissenschaft zu diesem Ergebnis kommt, dann könnte das durchaus auch in Bayern sein. Wenn die Wissenschaft das so eruiert und nicht, weil es die Politik so möchte. Ich weiß, dass ich mir damit in gewissen Regionen keine Freunde mache. Aber ich habe den Atommüll gerade vor der Haustüre stehen – oberirdisch. Und ich möchte als Kommune, dass wir alles unter die Erde bekommen. Weil es allemal sicherer ist als die oberirdische Lagerung."

Mit einem Endlager werden sich auch die Debatten über die Zwischenlagerung eines Tages erledigt haben, zumindest in diesem Punkt sind sich alle einig – von Niedersachsen bis Bayern.

Im Video: Atommüll - Das Problem der Entsorgung

Zwischenlager-Info-Grafik
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Zwischenlager-Info-Grafik

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!