Apothekenhelferin Kateryna Sikorska (li) mit Filialleiterin Fatma Karakas in einer Medicon-Apotheke in Nürnberg.
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Kateryna Sikorska (li.) arbeitet seit über zwei Jahren nur als Helferin in einer Nürnberger Apotheke – obwohl sie in der Ukraine Apothekerin war.

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Ausländische Ärzte und Apotheker: Bürgergeld statt Bewilligung

Ausländische Ärzte und Apotheker: Bürgergeld statt Bewilligung

Aktuell bekommen fast 2.000 Ärzte und Apotheker aus der Ukraine Bürgergeld, obwohl sie auf dem Arbeitsmarkt dringend gebraucht würden. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) warten sie auf ihre Berufserlaubnis – wie auch Mediziner aus anderen Ländern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Kateryna Sikorska arbeitet seit mehr als zwei Jahren als Apothekenhelferin in Teilzeit in einer Nürnberger Medicon-Apotheke. Sie hat die Stelle kurz nach ihrer Flucht aus der Ukraine bekommen. Dort war die 38-Jährige jahrelang als Apothekerin tätig.

Warten auf Berufserlaubnis

In Deutschland bekommt Kateryna Sikorska Bürgergeld, weil ihr Gehalt nicht zum Leben reicht. Als Apothekenhelferin darf sie zudem nur unter Aufsicht arbeiten. Inzwischen hat sie alle erforderlichen Deutschkurse absolviert. Zur Fachsprachenprüfung wird sie aber erst zugelassen, wenn ihre Ausbildungsunterlagen anerkannt sind. Der Antrag auf Anerkennung der Berufsausbildung wiederum, darf erst gestellt werden, wenn ein Deutschkurs auf B2-Niveau abgeschlossen wurde. Bereits im März hat Kateryna Sikorska bei der zuständigen Regierung von Oberbayern den Antrag auf Anerkennung der Berufsausbildung und eine Berufserlaubnis als Apothekerin gestellt.

💡 Das Sprachniveau B2 wird als "selbstständige Sprachverwendung" bezeichnet und umfasst fortgeschrittene Kenntnisse der deutschen Sprache. Dazu zählt das Verstehen komplexer Texte auch zu abstrakten Themen. Die Person muss sich fließend und spontan äußern können und in ihrem Spezialgebiet auch an Fachdiskussionen teilnehmen können.

Fünf Monate später, im August, erhielt die Ukrainerin das Antwortschreiben der Regierung von Oberbayern. Darin heißt es: "Die Abgeschlossenheit Ihrer Ausbildung als Apothekerin können wir Ihren eingereichten Unterlagen nicht eindeutig entnehmen." Gegen Gebühr wurden Sikorskas Unterlagen deshalb an die Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe in Bonn weitergeleitet. Diese prüft ausländische, medizinische und pharmazeutische Berufsabschlüsse auf Echtheit, Abgeschlossenheit oder fertigt detaillierte Gutachten zur Gleichwertigkeit einer Berufsausbildung an.

Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe: Aufnahmestopp

Die Auslastung der Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe in Bonn sei aktuell sehr hoch, sagt Leiterin Carola Dörfler. Das hänge mit den steigenden Auftragszahlen aus Drittstaaten zusammen, nicht nur aus der Ukraine, auch aus der Türkei, Syrien oder Russland. Deshalb, so Dörfler weiter, habe man seit 1. September einen Auftragsstopp für detaillierte, ärztliche und zahnärztliche Gutachten. Alle anderen Aufträge würden noch angenommen. Die Prüfung auf Abgeschlossenheit einer Ausbildung – wie im Fall der ukrainischen Apothekerin – sei nicht so aufwändig und sollte in ein bis zwei Monaten erfolgt sein, erklärt die Leiterin der Bonner Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe.

Tausende Ärzte und Apotheker in Warteposition

Einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit vom August zufolge sind aktuell rund 1.560 Human- und Zahnmediziner sowie 377 Apotheker aus der Ukraine im Bürgergeld-Bezug. Das sind fast 2.000 Fachkräfte aus dem Gesundheitsbereich, die in Deutschland einen Arbeitsplatz suchen und auch dringend gebraucht würden. Laut Bundesagentur für Arbeit warten sie auf ihre Berufsanerkennung. Wie lange die Wartezeit für jeden Einzelnen von ihnen dauert, weiß keiner.

Andrea Nahles: Schwachpunkt im deutschen System

Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezeichnet die lange Verweildauer von Fachkräften aus Drittstaaten im Bürgergeld, die dort auf ihre Berufsanerkennung warten müssen, als "wirklichen Schwachpunkt im deutschen System". Die Anerkennungsverfahren seien komplex, langwierig und auch nicht digital ausgestaltet. Es gebe in Deutschland für 600 Anerkennungsberufe zwischen 700 und 1.000 verschiedene Anerkennungsstellen. Für ausländische Fachkräfte bedeute das eine Wartezeit von bis zu zwei Jahren – manchmal sogar noch länger. Diesen "Hindernisparcour" gelte es abzubauen. BA-Chefin Nahles empfiehlt einen Runden Tisch, bei dem alle Akteure diese Prozesse auf die Geschwindigkeit und die Schnelligkeit der Integration hin hinterfragen sollten.

Nürnberger Apotheke zahlt freiwillig höheres Gehalt

Kateryna Sikorska hat Glück. Ihr Arbeitgeber zahlt ihr ab Oktober freiwillig ein höheres Gehalt, damit sie nicht länger auf Bürgergeld angewiesen ist. Sikorska wird dann auch in Vollzeit als Apothekenhelferin arbeiten. Das bedeutet, sie kann weiterhin nur unter Aufsicht tätig werden. "Das freut mich sehr. Leider nur als Apothekenhelferin noch, aber in dieser Situation verdiene ich mein eigenes Geld und kann mein eigenes Leben planen und muss nicht mehr im Bürgergeld bleiben", sagt die 38-Jährige. Fatma Karakas, Apothekerin und Filialleiterin der Nürnberger Medicon-Apotheke begründet den Schritt damit, dass Sikorska aufgrund ihrer fachlichen und sozialen Kompetenz sehr gute Perspektiven in der Apotheke habe.

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