Inder lenkt einen Bus.
Bildrechte: BR/Lucia Gillemot
Audiobeitrag

Indischer Busfahrer in München

Audiobeitrag
>

Fachkräftemangel: Busfahrer aus Indien für den MVV

Fachkräftemangel: Busfahrer aus Indien für den MVV

Der öffentliche Nahverkehr soll ausgebaut werden, es fehlen aber die Busfahrer. Ausländische Fachkräfte sollen es eigentlich richten. Gar nicht so einfach, musste ein bayerischer Busunternehmer erfahren, der Busfahrer aus Indien anheuern wollte.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Es ist Montag, kurz vor 16 Uhr, für Nirbhai Singh beginnt die Spätschicht: Er schließt einen blaugrünen MVV-Bus auf, notiert den Kilometerstand, fährt los: Bis Mitternacht wird er die Linie 211 steuern, zwischen Putzbrunn und Neuperlach Süd in München. Der 35-Jährige stammt aus der Region Pandschab in Nordindien und arbeitet seit knapp drei Monaten für das Busunternehmen Ettenhuber.

Indischer Führerschein wird nicht anerkannt

Doch bis es dazu kam, gab es viele Hürden: Denn der indische Führerschein ist in Deutschland nicht anerkannt, deshalb müssen gelernte und erfahrene Busfahrer wie Nirbhai Singh in der EU nochmals einen Schein machen, samt Theoriestunden. Nirbhai hat das in Kroatien gemacht – und dort neun Monate gewartet, bis er endlich alle Dokumente hatte, um in Deutschland arbeiten zu können. Inzwischen ist er ein Jahr lang von seiner Familie, seinen vier Töchtern, getrennt. "Ich vermisse sie sehr", sagt er, "aber ich arbeite für sie. Und das Unternehmen hier ist gut."

Immer weniger wollen Busfahrer werden

Nirbhai Singh ist einer von 20 indischen Fachkräften, die das Busunternehmen Ettenhuber angeheuert hat. Denn seit rund zehn Jahren wird es immer schwieriger, Busfahrer zu finden. Josef Ettenhuber zufolge hat das mehrere Gründe: Wegen des Schichtsystems etwa habe der Beruf ein schlechtes Image, außerdem sei der Busführerschein, mit bis zu 14.000 Euro in Deutschland extrem teuer. "Früher haben ihn viele während ihres Wehrdienstes gemacht, heute muss man das aus eigener Tasche bezahlen", sagt Ettenhuber.

Früher rekrutierte die Firma oft Fahrer aus Osteuropa, doch auch für die ist es inzwischen nicht mehr so lukrativ, hier zu arbeiten, erklärt Junior-Chef Ralf Ettenhuber: Gerade im Münchner Umland seien die Lebenshaltungskosten sehr hoch, doch laut Tarifvertrag in Bayern könnten sie ihren Busfahrern nicht so viel zahlen wie in anderen Bundesländern. "Es fällt oft schwer, Leute hier zu halten, wenn andere Bundesländer zwei Euro mehr pro Stunde zahlen – und damit am Ende des Monats deutlich mehr Geld übrigbleibt." Ralf Ettenhuber wünscht sich deshalb mindestens eine Ballungsraumzulage für München.

Prognose: Bis 2030 werden in Bayern bis zu 80.000 Busfahrer fehlen

Die Verkehrswende verschärft das Personalproblem zusätzlich: Der öffentliche Nahverkehr soll ausgebaut werden, vor allem auf dem Land. Wo früher nur jede Stunde ein Bus kam, soll er nun etwa alle zwanzig Minuten kommen. "Durch diese Taktverdichtung brauchen wir natürlich mehr Busfahrer", erklärt Ettenhuber.

Bis 2030, so die Prognose, sollen bayernweit 80.000 Busfahrer fehlen. Und schon jetzt fallen besonders in ländlichen Regionen immer wieder Busse aus – wegen Personalmangels. Zu Ausfällen kam es bei den Ettenhubers noch nicht, aber auch sie standen im letzten Winter enorm unter Druck – so sehr, dass Ralf Ettenhuber vor der Arbeit selbst noch einen Schulbus fahren musste: "Das war schon ziemlich heftig."

Lösungsansatz: Fachkräfte aus Drittstaaten

Um das Personalproblem zu lösen, haben sie 2023 über einen Headhunter ausgebildete Busfahrer aus Indien geholt – zunächst nach Kroatien. Denn dort ist der EU-Führerschein deutlich günstiger und die Grundqualifizierung, anders als in Deutschland, auch auf Englisch möglich. Doch um in Kroatien einen Führerschein machen zu dürfen, muss man mindestens sechs Monate dort leben – deshalb organisierten die Ettenhubers dort Wohnraum. Und es kamen immer neue Hürden hinzu, erzählt Ralf Ettenhuber: "Wir haben sicher schon achtmal damit gerechnet, dass sie nächste Woche endlich kommen, aber dann war wieder irgendein Dokument abgelaufen – da dachte ich mir schon manchmal: Ist das Ganze vielleicht doch eine Nummer zu groß für uns?"

Doch die Mühen haben sich gelohnt: 20 indische Busfahrer sind inzwischen bei den Ettenhubers im Einsatz. Die Unternehmer sind zufrieden – und auch die Fahrgäste im Bus 211, von Nirbhai Singh. "Die Busse kommen pünktlich und die Fahrer sind sehr freundlich", erzählt eine junge Mutter auf der Fahrt nach Neuperlach. Nirbhai Singh will mindestens zwei, vielleicht auch fünf Jahre hierbleiben.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!