Ein Arzt steht in Schutzkleidung und mit Maske in einer Intensivstation und schaut auf einen Monitor.
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Hunderte Ärztinnen und Ärzte aus der Ukraine warten wegen bürokratischer Hürden lange auf ihre Zulassung in Deutschland. (Symbolbild)

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Zu viel Bürokratie: Ausländische Ärzte in der Warteschleife

Zu viel Bürokratie: Ausländische Ärzte in der Warteschleife

Hunderte Ärztinnen und Ärzte aus der Ukraine warten auf ihre Zulassung in Deutschland. Die bürokratischen Hürden sind hoch und die Verfahren dauern lange – zu lange, kritisieren Betroffene und Experten. Welche Folgen das hat und was sich ändern soll.

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Sie werden dringend gebraucht, dürfen aber nicht arbeiten: geflüchtete Ärztinnen und Ärzte aus der Ukraine. Nach einer Umfrage der "Welt am Sonntag" warten bundesweit derzeit mehr als 1.400 ukrainische Medizinerinnen und Mediziner darauf, von den Behörden anerkannt zu werden und ihre Zulassung, die sogenannte Approbation, zu erhalten. Erst dann dürfen sie in vollem Umfang ihren Beruf in Deutschland ausüben.

Auch in Bayern hängen viele Mediziner aus der Ukraine in der Warteschleife. Von 180 Anträgen auf Approbation, die seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine im Freistaat eingingen, seien bisher nur 35 genehmigt worden, teilt das Gesundheitsministerium auf BR24-Anfrage mit.

Ärzte aus dem Ausland: Möglichkeiten der Zulassung

Dabei gibt es für Ärztinnen und Ärzte, die nicht aus der EU kommen, zwei Wege, um eine Zulassung zu erhalten. Entweder werden Urkunden und Zeugnisse geprüft. Offiziell heißt das "Gleichwertigkeitsprüfung nach Aktenlage" und dauert in der Regel vier Monate. Oder es ist eine Kenntnisprüfung notwendig, wenn die vorliegenden Dokumente nicht ausreichen. Dann müssen die Bewerber mündlich Rede und Antwort stehen und ihr medizinisches Wissen unter Beweis stellen. Diese Verfahren sollen sechs Monate dauern. Dazu kommt bei beiden Zulassungswegen noch ein Fachsprachentest.

Das Problem: Viele Betroffene berichten von deutlich längeren Wartezeiten zwischen Antragstellung und Bewilligung als die, die offiziell angegeben werden. Die Vorsitzende der Medizinervereinigung Marburger Bund, Susanne Johna, bezeichnet das Prozedere im BR24-Interview als ein "Trauerspiel". Verfahrenszeiten von ein bis zu drei Jahren seien keine Seltenheit. Das berichten auch Mitglieder der ukrainischen Ärztevereinigung in Deutschland.

Mediziner frustriert und gehen in andere Länder

Darunter leiden nicht nur Ärztinnen und Ärzte aus der Ukraine, sondern Mediziner aus sämtlichen Drittstaaten. "Gerade für die hoch qualifizierten Fachkräfte, die zu uns kommen, ist das besonders frustrierend. Denn das Anerkennungsgesetz soll die Ausbildung und die Berufserfahrung aus dem Ausland wertschätzen", sagt Johna vom Marburger Bund. In der Praxis sei oft das Gegenteil der Fall. Es sei kein Wunder, wenn Bewerber dann in andere europäische Länder gehen, die schneller sind.

Nicht nur die Ärztegewerkschaft, auch die Krankenhausgesellschaft und Politiker verschiedener Parteien fordern jetzt Änderungen. Denn der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist erheblich. Um den hohen Bedarf zu decken, werden ausländische Fachkräfte gebraucht.

Bund oder Länder: Wer kann etwas ändern?

Zuständig sind der Bund und vor allem die Länder. Die Landesbehörden entscheiden, wer wann eine Approbation erhält oder nicht. Sie machen ihre Arbeit auf der Grundlage der Bundesärzteordnung und der Approbationsordnung – für beides ist aber der Bund zuständig.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht dennoch die Länder in der Pflicht. Auf der Plattform X schreibt der SPD-Politiker: "Leider ist es so, dass viele Länder sowohl zu wenig Deutsche ausbilden als auch zu wenig Ausländer zulassen." Ein Ministeriumssprecher ergänzt auf Anfrage: "Für die Erteilung von Berufserlaubnissen an ukrainische Ärztinnen und Ärzte mit abgeschlossener Ausbildung durch die Länder ist keine Rechtsänderung durch den Bund notwendig."

Länder wollen Verfahren entschlacken

Die Länder sehen das anders und stellen Forderungen. Bereits Anfang Juni haben sie über den Bundesrat die Regierung aufgefordert, die Anerkennungsverfahren für ausländische Ärzte zu entschlacken. Künftig soll es nach Vorstellung auch von Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) vorrangig nur noch einen Zulassungsweg geben.

So soll die mündliche Kenntnisprüfung der ausländischen Ärztinnen und Ärzte zum Standard werden – durchgeführt von einer staatlichen Prüfungskommission. Die laut der Länder "zeitlich sehr aufwendige" Gleichwertigkeitsprüfung nach Aktenlage, also die Prüfung von Ausbildungsunterlagen und Urkunden, soll zur Ausnahme werden.

Lauterbach verspricht Verbesserungen – Ärztevertreter kritisieren die Länder

Trotz des Hin- und Herschiebens der Verantwortung kündigt Lauterbach an, auf Bundesebene an einer schnelleren Anerkennung ausländischer Mediziner zu arbeiten. Das Thema sei Teil der Gesundheitsreformen im Herbst. Inwieweit Lauterbach auf die Forderung der Länder eingehen wird, ist offen.

Der Marburger Bund hält von der Initiative der Länder wenig. Die Prüfung von Ausbildungszeugnissen und sonstigen Unterlagen sei sinnvoll. Das Problem liege vielmehr bei den personell unzureichend ausgestatteten Landesbehörden, sagt Verbandsvorsitzende Susanne Johna. Statt Prüfungen in 16 Bundesländern mit zum Teil unterschiedlichen Voraussetzungen und Standards sollten die Anerkennungsverfahren künftig zentral vorgenommen werden – und zwar bei der schon vorhandenen Gutachterstelle für Gesundheitsberufe in Bonn. "Wir wünschen uns, dass diese Gutachtenstelle massiv personell aufgestockt wird, damit die Verfahren abgeschlossen werden, die schon auf Halde liegen. Und damit es in Zukunft schneller geht", so Johna.

Bisher lenken die Länder aber nicht ein. Sie wollen die Anerkennungsverfahren nicht grundsätzlich aus der Hand geben. So hängt neben den ausländischen Ärztinnen und Ärzten offenbar auch die Lösung des Problems in der Warteschleife.

Im Video: Ukrainische Ärzte warten auf Zulassung

Eine Approbationsurkunde für einen Arzt, ausgestellt von der Regierung von Oberbayern.
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In Deutschland fehlt es mancherorts an medizinischer Versorgung. Ärzte aus der Ukraine könnten Abhilfe schaffen.

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