"Rechtsterrorismus - Verschwörung und Selbstermächtigung 1945 bis heute" steht auf einem Flyer.
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Im Stadtmuseum Erlangen ist eine Wanderausstellung zum Thema Rechtsterrorismus eröffnet worden.

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Erlanger Ausstellung zu Rechtsterrorismus – Betroffene im Fokus

Erlanger Ausstellung zu Rechtsterrorismus – Betroffene im Fokus

München, Nürnberg, Erlangen – an all diesen Orten hat es in den vergangenen Jahrzehnten Anschläge mit rechtsterroristischem Motiv gegeben. Diese und andere Taten sind Teil einer Ausstellung in Erlangen, in der ein Fokus auf den Betroffenen liegt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

"Dieser hölzerne Rahmen schützte Leben und sicherte das Überleben der jüdischen Gemeinde von Halle", sagt Alexander Korb und deutet auf das Gestell hinter einer Glasvitrine. "Ich finde das ein unglaublich beeindruckendes Exponat." Korb ist Kurator einer Wanderausstellung, die gerade in Erlangen eröffnet wurde und sich mit Rechtsterrorismus beschäftigt. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 ist ein Aspekt der Ausstellung, veranschaulicht durch den originalen Türrahmen der Synagoge.

Mehr als 20 Taten rechtsterroristischer Gewalt

Unter dem Titel "Rechtsterrorismus – Verschwörung und Selbstermächtigung 1945 bis heute" können sich Besucher im Stadtmuseum Erlangen mit mehr als 20 Taten rechtsterroristischer Gewalt auseinandersetzen. "Die Fälle haben wir in vier Säulen sortiert, die für den Rechtsterrorismus in seiner Ganzheit stehen", erklärt Korb. "Antisemitismus, Rassismus, der Kampf gegen den Staat und der Kampf um eine neue Version der Geschichte – also ein Kampf gegen die Erinnerungspolitik in Deutschland."

"Überlebende wurden nach Anschlägen nicht immer gut behandelt"

Den Machern der Wanderausstellung war außerdem wichtig, einen Fokus auf die Perspektive der Betroffenen zu legen. Korb und seine Kollegen haben deshalb Gespräche mit Zeitzeugen geführt, deren Aussagen in die Texte mit eingeflossen sind. "Die Opfer und Überlebenden wurden nach den Anschlägen nicht immer gut behandelt", sagt der Historiker. "Nicht immer fanden sie Gehör, ihre Perspektiven kamen oft nicht vor und ihnen wurde auch oft kein Glauben geschenkt", so Korb.

Ausstellung befasst sich mit dem Aufarbeiten nach einem Anschlag

Die Ausstellung setzt sich auch kritisch damit auseinander, wie Justiz und Polizei mit den Fällen rechtsterroristischer Gewalt umgingen. Viele Verfahren wurden laut Korb nicht besonders gründlich geführt.

Ein Beispiel: 2023 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft prüft, ob genügend Gründe vorliegen, um im Erlanger Doppelmord von 1980 die Ermittlungen wieder aufzunehmen. In dem ungelösten Mordfall an dem Rabbiner Shlomo Lewin und seiner Partnerin Frida Poeschke fordern Politiker Aufklärung über geheime Verfassungsschutz-Akten, laut denen ein V-Mann kurz vor dem Doppelmord mögliche Mordvorbereitungen beobachtet hatte.

Im Video: Stadtmuseum Erlangen thematisiert Fälle rechtsterroristischer Gewalt

Ausstellung zum Thema Rechtsterrorismus in Erlangen
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In seiner neuen Ausstellung thematisiert das Stadtmuseum Erlangen Fälle rechtsterroristischer Gewalt.

Fälle von Rechtsterrorismus: OEZ-Anschlag und Mord an Lübcke

Das Attentat am Münchner Olympia-Einkaufszentrum oder der Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke – die Ausstellung zeigt Extremtaten. Es seien die schlimmsten Folgen, die rechtsradikales Gedankengut haben kann, sagt die Leiterin des Stadtmuseums in Erlangen, Brigitte Korn. Dass rechtsterroristische Motive regelmäßig für Schlagzeilen sorgen, bewies zuletzt die geplante Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Auch deshalb sei die Ausstellung in diesen Zeiten besonders wichtig, so Korn. "Wir wollen politische Bildungsarbeit betreiben, weil wir sehen, dass unsere jetzige Gesellschaft viele dieser Gedanken inzwischen schon aufgenommen hat und zum Normalfall hat werden lassen."

"Erinnerungsstücke der Jugendlichen – das macht was mit einem"

"Was ich sehr berührend finde, sind die Objekte, die die Trauer zeigen vom Umfeld und Angehörigen, von Personen der Opfer", sagt beispielsweise Besucherin Annemarie Schorcht. In der Ausstellung ist beispielsweise ein Brief eines 14-Jährigen zu sehen, der bei dem Attentat im Münchner OEZ ermordet worden war. "Liebe Mama und Papa und Bruder. Ich liebe Euch. Ich bin froh, dass ich euch habe", steht auf dem Brief, den der Junge im Grundschulalter – also Jahre vor dem Anschlag – an seine Eltern schrieb. "Die Erinnerungsstücke der Jugendlichen zu sehen: dieses Persönliche, das macht nochmal was mit einem", so die Museumsbesucherin Margit Schönberger.

Ausstellung in Erlangen läuft bis Ende April

Die Ausstellung im Stadtmuseum Erlangen läuft noch bis zum 27. April. Bis dahin werden begleitend Veranstaltungen in der Volkshochschule Erlangen angeboten: In Vorträgen und Diskussionsrunden geht es unter anderem um gesellschaftliche Aufarbeitung solcher Taten oder wie sehr Sinti und Roma im Fadenkreuz rechter Gewalt sind.

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