Der Ballon, mit dem zwei Familien 1979 aus der DDR nach Oberfranken flüchteten,
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Mit einem Ballon flüchteten zwei Familien 1979 aus der DDR nach Oberfranken.

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Ballon in die Freiheit: Als zwei DDR-Familien die Flucht gelingt

Ballon in die Freiheit: Als zwei DDR-Familien die Flucht gelingt

Die Stoffstücke hatten sie in der ganzen DDR zusammengekauft, anschließend nähten sie daraus einen Ballon: Vor 45 Jahren gelang zwei Familien eine spektakuläre Flucht nach Oberfranken. Hier soll das Exponat bald wieder ausgestellt werden.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Heute vor genau 45 Jahren – am 16. September 1979 – gelingt zwei DDR-Familien die wohl spektakulärste Republik-Flucht: Mit einem selbstgebauten Heißluft-Ballon überwinden sie die innerdeutsche Grenze und landen mitten in der Nacht nach einer halbstündigen Fahrt in der Nähe von Naila im Landkreis Hof.

Zum 45. Jahrestag gibt es heute eine bereits ausgebuchte Veranstaltung im Deutsch-Deutschen Museum Mödlareuth im Landkreis Hof. Dabei berichten der Geflüchtete Günter Wetzel sowie ein ehemaliger bayerischer Grenzpolizist und ein DDR-Grenzsoldat von ihren Erlebnissen.

Zusammengekaufte Stoffstücke selbst zu einem Ballon genäht

Damit 1979 die Flucht-Vorbereitungen nicht auffielen, waren die beiden Familien Strelzyk und Wetzel aus dem heute thüringischen Pößneck durch die ganze DDR gefahren und hatten in verschiedenen Geschäften in kleinen Mengen Stoffstücke für die 28 Meter hohe Ballonhülle zusammengekauft. In vielen Stunden saß Günter Wetzel an seiner mechanischen Nähmaschine und nähte Zeltnylon, Regenschirmseide, Taft und Bett-Inlett zusammen. Selbst nachts im Schlaf habe er mit den Füßen noch weiter die Nähmaschine betrieben, erzählte seine Frau Petra Wetzel nach der geglückten Flucht.

Die selbstgebaute Plattform des Ballons war gerade mal 1,40 Meter auf 1,40 Meter groß und nur mit einer Wäscheleine als Geländer gesichert. Darauf mussten nicht nur die beiden Ehepaare und ihre vier Kinder Platz finden, sondern auch noch die vier Propangas-Flaschen. Nach 28 Minuten ging das Gas aus und sie mussten in einem Waldstück notlanden – zuvor waren sie bereits von DDR-Grenzsoldaten vom Übergang Rudolphstein entdeckt worden.

"Sind wir denn in Bayern?" – "Ja, wo denn sonst?"

Weil sie sich unsicher waren, ob sie tatsächlich die DDR-Grenze überwunden hatten, versteckten sich die Mütter mit den Kindern und die Männer liefen weiter. Bei der Begegnung mit zwei Polizisten kam es dann zum Wortwechsel "Sind wir denn in Bayern?" – "Ja, wo denn sonst?"

Der inzwischen verstorbene Peter Strelzyk erklärte unmittelbar nach der Landung im September 1979: "Wir streben nach Freiheit. Wir wollen freie Menschen sein. Es kam dazu, weil es keine anderen Möglichkeiten gibt, die DDR zu verlassen." Und Günter Wetzel sagte Jahre später im BR-Gespräch: "Wir hatten keine Bedenken. Wir haben fest dran geglaubt, dass die Sache sicher ist." Ihren Frauen hätten die beiden Männer so oft erklärt, dass nichts passieren kann, bis sie es selbst glaubten, so Wetzel. "Und zwar bis zum Schluss – wir sind ja gesehen worden. Als wir etwa in 2.000 Meter Höhe waren, haben wir gemerkt, dass am Grenzübergang Scheinwerfer angegangen sind, die nach uns gesucht haben – aber die haben uns nicht erreicht. Ich habe es nicht bereut."

Ballon soll ins Stadtmuseum von Naila

Die waghalsige Flucht ist von Hollywood und später von Michael "Bully" Herbig verfilmt worden. Der Ballon ist seit einigen Jahren im "Haus der bayerischen Geschichte" ausgestellt und soll voraussichtlich ab 2025 ins neue Stadtmuseum von Naila umziehen.

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