Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg stoppt bis auf Weiteres die Bearbeitung von mehreren tausend syrischen Asylanträgen. Das bestätigte das BAMF dem Bayerischen Rundfunk. Man würde nun beobachten, wie sich die Lage in Syrien entwickelt.
"Wann wir Entscheidungen über Asylanträge wiederaufnehmen, steht in den Sternen und kann im Moment noch nicht beantwortet werden", so BAMF-Pressesprecher Jochen Hövekenmeier. Damit müssen jetzt knapp 47.000 Geflüchtete auf eine Antwort warten.
Neues Leben in Deutschland aufgebaut
Nicht so Mounir Elias Abdoush. Er ist 30 Jahre alt und flüchtete vor zehn Jahren aus seiner syrischen Heimatstadt Homs nach Deutschland. "Ich bin nicht wegen der Religion geflüchtet, sondern weil ich zum Militär sollte. Ich hätte gegen meine eigene Bevölkerung kämpfen müssen", erzählt Abdoush. Mittlerweile hat er sich im Landkreis Ansbach ein neues Leben als Automobilverkäufer aufgebaut. Mit seiner Frau hat er ein Haus gekauft, in den nächsten Monaten erwarten sie ein Baby.
Kommt eine Rückkehr in die syrische Heimat für die Familie in Frage? "Wir haben uns hier ein gutes Leben aufgebaut. Wenn wir zurückgehen, müssen wir wieder von Null anfangen. So eine Entscheidung kann man nicht von heute auf morgen treffen. Aber aktuell wollen wir in Deutschland bleiben. Wir haben viele Freunde mittlerweile hier. Aber meine ganze Familie ist noch immer in Syrien", erklärt der 30-Jährige. Er geht davon aus, dass viele Syrer Deutschland wieder verlassen werden.
Ungeklärte Zustände in Syrien
Aktuell herrsche in seiner Heimat pures Chaos. "Ich kann das alles noch nicht richtig glauben nach 14 Jahren Krieg", sagt Abdoush mehrere Male. Er freue sich, dass die Zeit des syrischen Machthabers Baschar al-Assad beendet ist. Gleichzeitig weiß er aber: "Das Ganze kann auch in die andere Richtung gehen. Ich hoffe, wir dürfen eine neue Regierung wählen, aber bis jetzt ist noch nichts bekannt. Man hat immer noch Angst, weil nicht sicher ist, was kommt", zeigt sich Abdoush skeptisch.
So hatten seine Eltern in den vergangenen zwei Wochen Angst, "dass ihnen etwas passiert. Die Islamisten haben ihnen aber nichts getan und zu ihnen gesagt, dass sie ein Volk sind und das Land wieder im Griff haben wollen. Am Ende waren alle glücklich. Die Leute dort versuchen zusammenzuhalten und ein neues Land aufzubauen, aber", warnt Abdoush, "es gibt immer noch den ein oder anderen Verbrecher."
Vorsichtiger Optimismus bei Islam-Forscher der Uni Erlangen
Der Jurist und Islamwissenschaftler Mathias Rohe von der Uni Erlangen zeigte sich im BR-Interview "vorsichtig optimistisch" nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien. Er meint, dass es dort in Richtung Freiheit und bestenfalls Demokratie gehen könne. Seiner Ansicht nach hätten die Islamisten, die Damaskus erobert haben, in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie eher Pragmatiker als fanatische Ideologen seien. "Sie haben offensichtlich erkannt, dass, wenn man einen Staat oder Territorien regieren will, nicht Hardcore Ideologien durchsetzen kann. Sondern: Dann muss man in gewissem Umfang pragmatisch sein", so Rohe.
Nun brauche Syrien den Wiederaufbau und dafür sei auch Geld aus dem Ausland nötig. Dafür seien wiederum Rahmenbedingungen notwendig. "Da kommen wir jetzt ins Spiel." Hilfsangebote müssten an Bedingungen geknüpft werden. Rohe setzt auf den Realismus der neuen Machthaber, um Kompromisse einzugehen und alle Gruppierungen zu vereinen.
Viele in Deutschland lebende Syrer würden darüber diskutieren, wieder in die Heimat zurückkehren zu wollen. Aber erst, wenn es auch möglich sei, betont der Islamwissenschaftler. Politische Diskussionen hierzulande über die Rückreisen von Syrern sieht Mathias Rohe kritisch: "Das ist politisch kurzsichtig und menschlich wenig anständig".
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