Alte verlassene Kapelle und Kühltürme des Kernkraftwerks Dukovany, Tschechische Republik
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Alte verlassene Kapelle und Kühltürme des Kernkraftwerks Dukovany, Tschechische Republik

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Söder will Atomkraft-Partnerschaft mit Tschechien – Grüne warnen

Söder will Atomkraft-Partnerschaft mit Tschechien – Grüne warnen

Bayerns Ministerpräsident Söder sieht keine Chance für neue Atomreaktoren in Deutschland und will deshalb eine Kernenergie-Partnerschaft mit Tschechien. Diese Woche will er in Prag darüber verhandeln, wie der dem BR sagt. Die Grünen schlagen Alarm.

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Als Horst Seehofer (CSU) vor ziemlich genau 14 Jahren als erster bayerischer Ministerpräsident der Nachkriegsgeschichte nach Prag reiste, war das eine historische und zugleich heikle Mission, die bundesweit für Aufsehen sorgte. Die bayerisch-tschechischen Beziehungen waren wegen der Sudetendeutschen historisch belastet. Ein tagespolitischer Streitpunkt waren damals Tschechiens Pläne, das störanfällige Atomkraftwerk Temelín auszubauen – gerade einmal 60 Kilometer Luftlinie von Bayern entfernt.

Wenn Seehofers Nachfolger Markus Söder (CSU) am Donnerstag in Prag erwartet wird, sind geschichtliche Fragen längst in den Hintergrund getreten. Und auch in Sachen Atomkraft sind vom bayerischen Ministerpräsidenten keine warnenden und mahnenden Worte zu erwarten. Im Gegenteil: Der CSU-Politiker will bei seinen Gesprächen in der tschechischen Hauptstadt für eine "strategische Partnerschaft" bei der Atomkraft werben, wie er dem BR sagt.

Söder: "Kernenergie existenziell wichtig"

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 hatte Söder als bayerischer Umweltminister den Atomausstieg Deutschlands zwar forciert. Weil aber Russland seit Beginn des Kriegs in der Ukraine 2022 kein günstiges Gas mehr liefert, hält Söder den Atomausstieg aus Gründen der Energiesicherheit mittlerweile für einen schweren Fehler und sucht nach Wegen, Atomstrom zu bekommen. In Tschechien sieht er einen möglichen Verbündeten.

"Wir wissen, dass Kernkraft existenziell wichtig ist auf Dauer – als eine günstige und CO₂-freie Energieversorgung", betont Söder im BR-Interview. "Aber die Wahrscheinlichkeit, neue Kernkraftwerke in Deutschland zu bauen, geht gen Null." Daher wolle er in Tschechien "ganz besonders und intensiv" über Absprachen zum "Sicherheitslevel", aber auch zur "Nutzung von besonderem Strom" reden. Er wolle "einen Dialog für die Zukunft beginnen", sagt der bayerische Ministerpräsident.

Tschechien plant Ausbauoffensive

Tschechien gewinnt derzeit Strom aus insgesamt sechs Reaktoren sowjetischer Bauart in Temelín und im mährischen Dukovany. Die Regierung in Prag plant zudem eine Ausbauoffensive. Schon seit Jahren vorangetrieben wird die Planung von kleinen und modularen Atomreaktoren. Ein erster soll in Temelín gebaut werden – die Prüfung der Umweltverträglichkeit wurde im November eingeleitet.

Darüber hinaus sollen in Dukovany zwei neue große Atomreaktoren entstehen – der Milliardenauftrag soll an einen südkoreanischen Konzern gehen. Baubeginn ist für 2029 vorgesehen, der kommerzielle Betrieb soll 2038 beginnen. Außerdem soll über den Bau zweier weiterer Reaktoren in Temelín verhandelt werden. Diskutiert wird in Tschechien vor allem über die Kosten des größten Auftrags in der Geschichte der Republik.

Grüne kritisieren Söder scharf

Der Grünen-Energieexperte im Landtag, Martin Stümpfig, bezeichnet die tschechischen Pläne als "hochgefährlich und finanziell aberwitzig". Söders Ankündigung kritisiert er auf BR-Anfrage scharf: "Der Sicherheitslevel unserer Bevölkerung ist für Markus Söder anscheinend zweitrangig." Statt "endlich" eine Kooperation bei erneuerbaren Energien mit Tschechien zu starten, wolle der Ministerpräsident die "gefährlichen und hochriskanten Atompläne" des Nachbarlandes noch antreiben.

"Ein Atomkraftwerk in Temelín ist im Falle eines größeren Unfalls auf alle Fälle eine massive Gefährdung für Leib, Leben und Eigentum – weit über den ostbayerischen Raum hinaus", warnt Stümpfig. Tschechien hänge immer noch mit 75 Prozent an Braunkohle und Atom. Das Land habe die Energiewende verschlafen, was ökologisch und auch ökonomisch ein immer größeres Problem werde. "Die Lösung ist die Umstellung auf erneuerbare Energien. Für die Weichenstellung auf diesen Weg sollten wir dem Nachbarland Hilfe anbieten – nicht für gefährliche Atomkraftpläne."

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