Symbolbild Kiesabbau
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Baumrodungen für Kiesabbau: Wie viel Natur zerstören wir?

Baumrodungen für Kiesabbau: Wie viel Natur zerstören wir?

Kies und Sand sind unverzichtbar für die Bauwirtschaft. In Bayern gibt es rund 1.000 Gruben. Immer wieder regt sich Protest dagegen, wie in Marterberg bei Vilshofen. Dort will eine Bürgerinitiative verhindern, dass ein großes Stück Wald gerodet wird.

Über dieses Thema berichtet: UNKRAUT am .

Reinhard Bieringer hat Angst um seine Heimat. Er ist in Marterberg bei Vilshofen in Niederbayern aufgewachsen, der Wald vor der Haustür ist für ihn ein zweites Zuhause. Doch nun soll ein 18 Hektar großes Stück davon gerodet werden – für den Abbau von Kies.

Wie viel Naturschutz lässt die Kiesindustrie zu?

Bieringer will das nicht hinnehmen. Er ist der Sprecher der Bürgerinitiative "Kein Kiesabbau im Marterbergholz", und heute ist ein wichtiger Tag für ihn und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Bei einem Waldspaziergang wollen sie Interessierten zeigen, welche Natur für den Kiesabbau zerstört werden soll.

Das Waldstück liegt am Donauhang, ist etwa 18 Hektar groß. Im April hat ein Kiesunternehmer aus dem Nachbarlandkreis, die Karl Groß GmbH, offiziell die Genehmigung für die Grube dort beantragt. Die Firma argumentiert, dass es sich hier überwiegend um anfälligen Fichtenwald handele, in dem auch schon Sturm und Käfer gewütet hätten. Nach dem Abbau solle dann mit Laubmischwald aufgeforstet werden. Das teilt das Unternehmen nur schriftlich mit, zum Gespräch mit dem BR ist es nicht bereit.

Bayern braucht mehr als 60 Millionen Tonnen Kies im Jahr

Reinhard Bieringer zeigt beim Waldspaziergang hingegen, wie sich die Natur schon von selbst erholt habe: "2019 war da nichts, es lagen nur Fichtennadeln rum, und ein paar Baumstümpfe haben rausgeschaut. Da hieß es: Der Wald ist kaputt. Aber jetzt kommen überall Kiefern, Lärchen, Buchen, Eichen!"

Zur Realität gehört aber auch, dass Bayern Kies braucht für die vielen Baustellen – mehr als 60 Millionen Tonnen im Jahr. Wo der am besten abgebaut werden soll, legen 18 regionale Planungsverbände fest. Sie weisen sogenannte Vorrang- und Vorbehaltsgebiete aus. Doch fast die Hälfte der rund 1.000 Kiesgruben im Freistaat liegt außerhalb davon. Und das trotz der gesetzlichen Vorgabe, den Abbau in die Vorrangflächen zu lenken.

Aiwanger sieht keinen Nachbesserungsbedarf

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) wiegelt ab: "Wir sagen zu den regionalen Planungsverbänden: 'Bitte sorgt dafür, dass genügend Kies- und Sand-Abbaugebiete ausgewiesen werden.' In denen ist zwar theoretisch genügend Kies und Sand vorhanden, aber deswegen kann ein Bauunternehmen nicht automatisch darauf zurückgreifen." Dass ein Vorranggebiet ausgewiesen ist, heißt also nicht unbedingt, dass der Besitzer es für Kiesabbau zur Verfügung stellt. Der Freistaat räumt deshalb Unternehmen die Möglichkeit ein, auch außerhalb dieser Flächen Abbau-Genehmigungen zu beantragen – so wie in Vilshofen.

Laut dem bayerischen Wirtschaftsministerium wird nur so viel Kies abgebaut, wie der Freistaat benötigt. Um den Bedarf zu ermitteln, werden die Kies-Unternehmen befragt. Eine eigene, unabhängige Berechnung macht das Ministerium nicht. Grundsätzlich hält Wirtschaftsminister Aiwanger Waldrodung für Kiesabbau für gerechtfertigt: "Ein Drittel Bayerns ist Wald, und bei jeder gewerblichen oder wirtschaftlichen Entwicklung stoßen wir darauf. Aber es wird dann ja an anderer Stelle dieselbe Hektarzahl Wald wieder angepflanzt."

Potenzial von Recycling-Kies ist begrenzt

Gäbe es eine Möglichkeit, mit weniger Kies auszukommen – etwa durch Recycling? Bundesweit verbraucht die Industrie laut dem Verein "Baustoff Recycling Bayern" jedes Jahr 580 Millionen Tonnen Baustoffe, darunter Kies und Sand. Nicht mal halb so viel fällt bei Abrissarbeiten als Bauschutt an, nur 220 Millionen Tonnen. Davon ist wiederum nur ein Bruchteil fürs Recycling geeignet, weil der Schutt mit Giftstoffen wie Asbest belastet oder zu kompliziert vermischt ist.

Selbst, wenn das Potenzial komplett ausgeschöpft würde, ließe sich bei dem benötigten Sand und Kies nur eine Recyclingquote von etwa 25 Prozent erreichen. Solange die Bauindustrie so viel Beton benötigt, muss also auch weiterhin Kies abgebaut werden.

Finale Entscheidung liegt beim Bergamt

Reinhard Bieringer von der Bürgerinitiative in Vilshofen sagt: Aus dem Marterbergholz darf der aber nicht kommen. Der Waldspaziergang hat ihm Auftrieb gegeben: "Die Leute sind auf unserer Seite, sie haben uns wieder Kraft gegeben und gesagt, wir sollen weitermachen."

Die finale Entscheidung über die Kiesgrube bei Vilshofen liegt beim Bergamt Südbayern. Es wird den Fall erörtern und dann entscheiden, ob im Marterbergholz Kies abgebaut werden darf oder nicht.

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