Symbolbild: Hände eines älteren Busfahrers am Lenkrad.
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Bei den Busfahrern ist der Anteil der Über-60-Jährigen besonders hoch.

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Bayerischer Arbeitsmarkt: So groß wird die Boomer-Lücke

Bayerischer Arbeitsmarkt: So groß wird die Boomer-Lücke

Busfahrer, Stenografinnen, Taxifahrer: Im Freistaat gibt es Berufe, in denen ein Fünftel der Beschäftigten bald in Rente gehen darf. Wie groß das Problem für den bayerischen Arbeitsmarkt werden könnte und welche Lösungen es gibt. Eine Datenanalyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er, die sogenannten Babyboomer, kommen ins Rentenalter. Und gehen sie in den Ruhestand, hinterlassen sie eine riesige Lücke: Rund 585.000 der 5,9 Millionen Menschen, die in Bayern sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, waren im vergangenen Jahr älter als 60. Damit könnte fast jeder zehnte Beschäftigte in den kommenden Jahren aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden.

Der Anteil der Über-60-Jährigen hat sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt.

Grafik: Wie hat sich die Alterstruktur der Beschäftigten in Bayern entwickelt?

Diese Quoten sind das Ergebnis einer BR24-Datenanalyse – die Daten wurden vom Data Lab des SWR recherchiert und zur Verfügung gestellt. (Zur SWR-Recherche: Babyboomer gehen in Rente - So ist Dein Beruf betroffen)

Nicht alle Jobs trifft die "Verrentungswelle" gleichermaßen: Fast zwei Drittel der Schornsteinfeger in Bayern sind jünger als 30, und auch die Angestellten im Rettungsdienst haben eine niedrige Ü60-Quote.

Im Gegensatz dazu wird ihr Anteil in Berufen des Nahverkehrs immer größer: 2013 waren noch 16 Prozent der bayerischen Taxifahrer mehr als 60 Jahre alt – in 2023 ist dieser Anteil auf 30,6 Prozent gestiegen. Bei den Bus-, Tram- und U-Bahn-Fahrern stieg die Quote von 14,7 auf 25,2 Prozent.

Grafik: Welche Berufe sind von der Babyboomer-Lücke besonders betroffen?

Für Berufe wie Stenograf oder Hauswirtschafterin gibt es nur wenig Nachwuchs – entsprechend hoch ist der Anteil der Über-60-Jährigen. Das ist laut der Bundesagentur für Arbeit [externer Link] jedoch kein Anzeichen für einen Mangel, sondern dafür, dass diese Berufszweige sich verändern und eventuell auch einfach schrumpfen. Generell macht die Bundesagentur für Arbeit klar: "Aus einer teils starken Präsenz Älterer in einzelnen Wirtschaftszweigen lässt sich jedoch nicht unmittelbar ein drohender Fachkräftemangel ablesen."

Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, formuliert es so: "Wenn wir eine rechnerische Lücke zu erwarten haben, ist das Risiko eines Mangels da." Entscheidend sei, wie sehr die alternden Berufe noch nachgefragt seien und wie auf die Entwicklung reagiert werde.

In einem Arbeitsfeld wie der Stenografie könne Arbeitskraft, so Walwei, bis zu einem gewissen Maß über neue technische Entwicklungen kompensiert werden. In vielen Bereichen sei dies aber nicht möglich.

Lösungen für Mangel: Längeres Erwerbsleben und mehr Möglichkeiten für Eltern

Laut Fachleuten gibt es mehrere Stellschrauben, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Eine davon: die Verlängerung des Erwerbslebens. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung stellt in einem aktuellen Bericht [externer Link] fest: Der gestiegene Anteil der Über-60-Jährigen liegt auch daran, dass mehr Arbeitnehmer über das Rentenalter hinaus arbeiten. Das kann an einer schwierigen finanziellen Lage im Alter liegen – aber auch daran, dass diese Menschen weiterhin soziale Kontakte und Sinn aus ihrer Arbeit schöpfen. Hier könne man, so der Bericht, ansetzen und die Beschäftigten unterstützen.

Für Fachmann Ulrich Walwei auch ganz wichtig: Über soziale Maßnahmen die Arbeitszeit von Minijobberinnen und Teilzeitkräften erhöhen. "Wir brauchen gute, bezahlbare Betreuungseinrichtungen – das würde beispielsweise Eltern und pflegenden Angehörigen die Möglichkeit geben, stärker am Arbeitsmarkt teilzuhaben." Walwei denkt dabei im Besonderen an Frauen, deren Erwerbstätigen­quote hierzulande immer noch niedriger sei als etwa in einigen skandinavischen Ländern. "Wenn wir es schaffen, Frauen stärker in den Arbeitsmarkt zu bringen, wäre dies natürlich auch ein Hebel, um möglichen Fachkräfteengpässen entgegenzuwirken."

Einwanderung von Fachkräften wichtigster Hebel

Der wichtigste Hebel für die Zukunft ist laut Ulrich Walwei die Einwanderung von Fachkräften. Alle anderen Möglichkeiten seien irgendwann schlicht ausgeschöpft. "Wir sehen ja bereits in den letzten Jahren, dass der größte Teil des Zuwachses der Erwerbstätigkeit durch ausländische Arbeitskräfte realisiert wird", sagt der IAB-Vizedirektor.

Die Daten zeigen, dass wichtige Berufe wie U-Bahn- und Busfahrer eine besonders große Babyboomer-Lücke aufweisen. Das sind aber auch Berufe, so Ulrich Walwei, die keine langjährige Ausbildung erfordern. Hier gebe es viel Potenzial für die Weiterbildung und den Quereinstieg ausländischer Arbeitnehmer.

Fachmann: Politik hat zu spät reagiert

Die demografische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt kommt keineswegs überraschend. Laut Ulrich Walwei weisen Fachstellen seit Jahren in Berichten und Studien [externer Link] auf den drohenden Mangel hin und nennen die möglichen Lösungsansätze. 2023 hat die Ampelregierung ein Gesetz verabschiedet, um die Zuwanderung zu erleichtern. Es gebe aber weiter viele bürokratische Hürden, so Walwei. "Ich beklage tatsächlich, dass man sich den Themen erst in der ganz jungen Vergangenheit zugewandt hat. Das könnte sich in den nächsten Jahren rächen, wenn das Risiko, von dem ich gesprochen habe, wirklich eintritt."

Grafik: Bayern hat kleineren Ü60-Anteil, als die meisten anderen Bundesländer

Insgesamt schneidet Bayern im Vergleich unter den Bundesländern recht gut ab – nur in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin machen die über-60-jährigen Beschäftigten einen kleineren Anteil aus:

Dieser Durchschnitt trifft für viele Berufsgruppen zu, in denen die Babyboomer-Lücke in Bayern ein wenig kleiner ist, als in den anderen Bundesländern. Es gibt aber Ausnahmen: Bei den Altenpflegern etwa ist die Ü60-Quote im Freistaat um zwei Prozentpunkte höher als im Rest von Deutschland.

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