Archivbild: Ein Polizeiauto steht am Münchner Jakobsplatz.
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Polizeischutz vor Synagoge in München

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Erneut hohe Anzahl antisemitischer Straftaten im Jahr 2024

Erneut hohe Anzahl antisemitischer Straftaten im Jahr 2024

Gewalt auf Demonstrationen, verbrannte Israelflaggen, Schmierereien auf Stolpersteinen: Die Anzahl antisemitischer Vorfälle und Straftaten war auch im vergangenen Jahr hoch. Der Antisemitismus-Beauftragte warnt vor einer Eskalation.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das Bayerische Landeskriminalamt hat im vergangenen Jahr 2024 erneut eine hohe Anzahl an antisemitischen Straftaten erfasst. Sowohl Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) als auch die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) warnen vor einer neuen Stufe der Eskalation bei israelbezogenem Antisemitismus.

542 antisemitische Straftaten in Bayern im Jahr 2024

Laut Informationen des Bayerischen Innenministeriums wurden im vergangenen Jahr 542 antisemitische Straftaten registriert, so die vorläufige Bilanz. Damit ist die Zahl schon das zweite Jahr in Folge hoch. Zum Vergleich: Vor dem 7. Oktober 2023 lag die Anzahl antisemitischer Straftaten bei 272 Fällen. Nach dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Beginn des Krieges im Nahen Osten stieg die Anzahl der antisemitischen Straftaten im Jahr 2023 schlagartig an – auf mehr als doppelt so viele Fälle wie in den neun Monaten zuvor. 2024 ist die Anzahl dieser Straftaten erneut hoch.

Grafik: Antisemitische Straftaten in Bayern vor und nach 7. Oktober 2023

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Übersichtsgrafik: Entwicklung der antisemitischen Straftaten in Bayern seit 7. Oktober 2023.

Herrmann: "Sicherheit der jüdischen Bevölkerung hat oberste Priorität"

Auch wenn die endgültigen Fallzahlen für das Jahr 2024 erst nach dem bundesweit einheitlichen Meldeschluss zum 31.01.2025 und dem anschließenden Abstimmungsprozess vorliegen, bei dem sich noch Änderungen oder Verschiebungen ergeben können: Die Fallzahlen von antisemitischen Straftaten sind für jüdische Einrichtungen, Betroffene und Behörden schon jetzt alarmierend.

"Jede antisemitische Straftat ist eine zu viel", erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann auf BR-Anfrage. "Für die Bayerische Polizei hat die Sicherheit der jüdischen Bevölkerung oberste Priorität."

Freistaat stellt Millionen für Schutz jüdischer Einrichtungen zur Verfügung

Um angesichts der aktuellen Entwicklungen die Sicherheit für Menschen und Einrichtungen zu gewährleisten, führt die Polizei in Bayern laut Innenministerium regelmäßig Sicherheitsgespräche mit jüdischen Einrichtungen und Gemeinden und trifft "lageangepasste Schutzmaßnahmen" an Kultusgemeinden, Synagogen, Schulen, Kindergärten oder Kulturzentren.

Für technische Sicherheitsmaßnahmen zum besseren Schutz jüdischer Einrichtungen habe die Bayerische Staatsregierung seit dem Jahr 2016 insgesamt 23 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, so das Bayerische Innenministerium.

Spaenle warnt vor neuer Stufe der Eskalation

Auch Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) warnt vor einer "neuen Stufe der Eskalation" an israelbezogenem Antisemitismus. "Wir müssen uns auf die neue Bedrohungslage in Bayern einstellen. Diesen israelorientierten Judenhass dürfen wir nicht hinnehmen", erklärte der Antisemitismus-Beauftragte angesichts der aktuellen Vorfälle in der Landeshauptstadt, wo an Silvester auch eine Israelflagge verbrannt wurde.

"Palästina spricht" vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet

Ludwig Spaenle nimmt auch die Gruppierung "Palästina spricht MUC" ins Visier. Wiederholt seien dort offen Formeln propagiert wurden, die die Vernichtung Israels intendierten. "Dies hat nichts mit Solidarität für Gaza zu tun. Hier wird offen Judenhass mit Israelbezug propagiert", so Spaenle.

"Palästina Spricht - MUC" wird in Bayern mittlerweile vom Verfassungsschutz beobachtet, das bestätigte die Behörde auf BR-Anfrage. Zur Begründung heißt es unter anderem: "Die Gruppierung (...) weist Aktions- und Agitationsformen auf, die das Existenzrecht Israels infrage stellen und Widerstands-Rhetorikmuster aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt mit Sympathiebekundungen für Terrororganisationen verbinden."

Schmierereien in Geretsried, beschädigte Stolpersteine in Würzburg und Regensburg

Die Informations- und Recherchestelle Antisemitismus (RIAS Bayern), die antisemitische Vorfälle auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze registriert, hat im Jahr 2024 ebenfalls eine hohe Anzahl an antisemitischen Vorfällen registriert. Abschließende Zahlen für das vergangene Jahr liegen allerdings noch nicht vor.

Ein paar Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit: Am 9. November 2024 wurden in Würzburg an mehreren Stellen im Stadtgebiet Blumen und Kerzen, die zum Gedenken an die ermordeten und vertriebenen Jüdinnen und Juden an den jeweiligen Stolpersteinen abgelegt wurden, zerstört. Die Steine wurden teilweise auch beschädigt. Mitte Dezember wurden in Regensburg mehrere Stolpersteine mit silberner Farbe besprüht und in Geretsried wurden kurz vor Weihnachten an einem Privathaus die Schriftzüge "Scheiß Jude" sowie "Heil Hitler" und diverse Hakenkreuze angebracht.

RIAS Bayern: Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Bereichen präsent

"Nicht nur gibt es seit jenem 7. Oktober eine anhaltend hohe Anzahl antisemitischer Vorfälle, auch die Schwere der Vorfälle hat sich zum Teil verändert", erklärt die Recherchestelle auf BR-Anfrage. So habe beispielsweise die Anzahl der Bedrohungen zugenommen sowie Fälle von extremer Gewalt durch den Terroranschlag auf das NS-Doku-Zentrum und das israelische Generalkonsulat im September 2024 in München.

Auch ist der Antisemitismus laut RIAS Bayern im vergangenen Jahr "omnipräsent" gewesen, besonders auf den Straßen, im Bildungsbereich und im Kulturbetrieb. "Insgesamt muss man konstatieren, dass allen Beteuerungen zum Trotz, Antisemitismus sehr wohl einen Platz in jedem gesellschaftlichen Bereich hat", so die Bilanz der Recherchestelle.

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