Immer mehr Menschen in Bayern suchen Schutz und Unterstützung bei der Bahnhofsmission. Der katholische Verein "In Via Bayern" mit Sitz in München rechnet damit, dass die Zahl der Menschen, die an den insgesamt zwölf Anlaufstellen an bayerischen Bahnhöfen in diesem Jahr Hilfe suchten, nochmal höher sein wird als im vergangenen Jahr.
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Schon 2023 mehr als eine Million Hilfsbedürftige
Schon im Jahr 2023 wurde die Millionen-Marke geknackt, teilt "In Via Bayern" mit. In manchen Städten sei schon jetzt, vor Ablauf des Kalenderjahres, ein höheres Aufkommen als im Vorjahr erreicht. In Augsburg beispielsweise lag die Zahl der Kontakte mit Hilfsbedürftigen bereits Mitte November bei rund 36.500 – zum Vergleich: Im gesamten Kalenderjahr 2023 waren es 25.646.
Ähnlich auch die Situation in Nürnberg: Dort habe die Bahnhofsmission bis Oktober rund 22.000-mal materiell geholfen – im gesamten Vorjahr war das 16.500-mal der Fall. Die Not der Besucher sei größer geworden, berichtet auch Anita Dorsch, die Leiterin der Nürnberger Bahnhofsmission, in einer Mitteilung. "Oft reicht einfach das Geld nicht mehr zum Leben", so Dorsch.
Immer mehr Hilfesuchende "psychisch auffällig"
Auch bei der Bahnhofsmission Würzburg zeigt sich laut Einrichtungsleiter Michael Lindner-Jung diese Tendenz. "Seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 haben wir stetig mehr Hilfesuchende, besonders durch die hohe Inflation", so Lindner-Jung. Bis Ende November dieses Jahres gab es bei der Bahnhofsmission 45.500 Essensausgaben und weitere 4.300 materielle Hilfen. 2023 im selben Zeitraum waren es 48.000 Essensausgaben und knapp 5.000 weitere materielle Hilfen. Auffällig sei jedoch, dass die Zahl der Essensausgaben sich lediglich um 2.500 verringert hat, obwohl die Bahnhofsmission die Öffnungszeiten für die Essensausgaben um 40 Prozent reduziert hat.
Anzumerken ist laut Lindner-Jung außerdem, dass die Hilfesuchenden auch durch weltpolitische Ereignisse zunehmend belastet seien. 2024 haben die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission Würzburg bis Ende November über 20.000 Kontakte mit psychisch auffälligen Menschen notiert, im ganzen Jahr 2023 waren es noch 18.000, 2022 12.400 psychisch auffällige Personen, die bei der Bahnhofsmission Würzburg Hilfe gesucht haben.
Mehr ehrenamtliche Mitarbeiter "dringend notwendig"
Hedwig Gappa-Langer von der Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Bahnhofsmissionen spricht von einer "sehr kräftezehrenden Situation", da immer mehr Menschen nicht wüssten, wie sie ohne Bahnhofsmission über die Runden kommen. "Die Krisen der vergangenen Jahre haben bei den Gästen deutliche Spuren hinterlassen", so Gappa-Langer, "der Bedarf an Unterstützung ist so hoch wie nie".
Die Menschen kämen vor allem, weil sie eine Notverpflegung bräuchten sowie Hygieneartikel oder auch Schlafsäcke. Hier sei die Bahnhofsmission weiterhin auf Spenden angewiesen.
Das gelte auch für die Manpower am Bahnhof: Bei den aktuell Mitarbeitenden sei die Belastung durch die gestiegene Not der Hilfsbedürftigen groß. Hinzu kommen organisatorische Herausforderungen wegen knapper Schlafplätze. Es sei "dringend notwendig", so Gappa-Langer, dass sich noch mehr Menschen berufen fühlen, sich für andere Menschen einzusetzen – und bei der Bahnhofsmission mit anpacken.
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