Druckfrisch bringt Burgbernheims Bürgermeister Matthias Schwarz den Arbeitsvertrag von Stefan Hahn ins Büro. Nach einem Praktikum darf der 39-jährige Hahn nun einen Arbeitsvertrag bei der Gemeinde unterschreiben. Mit dieser Unterschrift startet er in einen neuen Lebensabschnitt. Einen sogenannten Außenarbeitsplatz hat Bürgermeister Matthias Schwarz gemeinsam mit der Diakoneo-Werkstatt Rothenburg ob der Tauber für Stefan Hahn geschaffen. Solche ausgelagerten Arbeitsplätze bieten Menschen mit Behinderung die Chance, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuprobieren.
Langfristig werde damit der Übergang in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis angestrebt, sagt eine Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen. Stefan Hahn hätte aber trotzdem immer die Möglichkeit, wieder in die Werkstatt zurückzukehren. Daran denkt er aber nicht. "Ich bin sehr aufgeregt und es fühlt sich gut an", freut sich Hahn an seinem ersten Tag.
Lernentwicklungsstörung von Geburt an
Von Geburt an hat Stefan Hahn eine Lernentwicklungsstörung. Seinen Alltag organisiert der 39-Jährige jedoch größtenteils selbstständig – wohnt allein und macht gerade seinen Führerschein. In der Werkstatt in Rothenburg ob der Tauber hat er 19 Jahre lang gearbeitet. Zuletzt im Team der Garten- und Landschaftspflege – davon profitiert er auch in seinem neuen Job. Er sei keiner, der den ganzen Tag auf einem Stuhl sitzen könne, dafür sei er nicht gebaut, sagt Hahn. Vielmehr schätze er die abwechslungsreiche Arbeit an der frischen Luft. Von Hecken schneiden, Rasen mähen, Baumschnitt, überall wird Hahn eingesetzt und ist schon jetzt voll integriert.
Aufbau eines Festzeltes
Gemeinsam mit Arbeitskollege Ernst Grefig geht es los zum ersten Einsatz in Burgbernheim. Das ganze Team arbeitet heute auf dem Kappellenberg, um ein großes Festzelt für ein anstehendes MundArt-Festival am Wochenende aufzubauen. Stefan Hahn klopft daumendicke Heringe in den Boden als Verankerung, stemmt meterlange Stangen und fädelt sie in das Gerüst ein. Anfangs braucht es kleine Hilfestellungen - dann erledigt Hahn die Arbeiten selbstständig. Von allen Bauhof Mitarbeitern wird er geschätzt und eingebunden. "Stefan sieht die Arbeit von selbst, tip top", sagt ein Kollege.
Nur wenige Außenarbeitsplätze in Bayern
Derzeit arbeiten in den zusammengeschlossenen Werkstätten Rothenburg ob der Tauber (Lkr. Ansbach) und Obernzenn (Lkr. Neustadt an der Aisch / Bad Windsheim) etwa 130 Menschen mit Behinderung. Rund 15 Prozent sind auf einem Außenpraktikum oder einer Außenstelle tätig, sagt der Leiter der Diakoneo-Werkstätten, Willi Ulm. Im deutschlandweiten Vergleich, sind die Diakoneo-Werkstätten Rothenburg und Obernzenn damit Vorreiter.
Werkstätten in Deutschland beschäftigen im Schnitt nur rund 7,5 Prozent der Menschen mit Behinderungen auf ausgelagerten Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, teilte eine Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen mit. In ganz Bayern gebe es derzeit 2.197 ausgelagerte Arbeitsplätze.
"Wir stellen immer wieder fest, dass es in der Gesellschaft immer noch gar nicht so bekannt oder bewusst ist, dass auch Menschen, die ein Handicap haben sehr wohl auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten können." Willi Ulm, Leiter Diakoneo-Werkstätten Rothenburg ob der Tauber / Obernzenn.
Brückenbauer zwischen Mitarbeiter und Unternehmen
Der Vorteil von solchen Außenarbeitsplätzen ist, dass den Menschen mit Handicap ein Jobcoach aus der Werkstatt weiterhin zur Seite steht, sagt Werkstatt-Leiter Willi Ulm. Fragen, die sich im Alltag ergeben, Probleme im Job oder Hilfe bei der Organisation von Arztterminen, können so gemeinsam angegangen werden. Wie umfassend die Betreuung ist, richtet sich nach dem individuellen Bedarf: Manch einer braucht den Kontakt einmal im Monat, andere sprechen ihren Betreuer täglich, so Ulm. Die Jobcoaches seien aber auch Ansprechpartner für die Unternehmen und übernehmen die Funktion eines Brückenbauers.
Der Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
Der Übergang von der Werkstatt auf einen Außenarbeitsplatz oder auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, ohne Anbindung an die Werkstätten sei nicht immer ganz leicht. Zum Teil fehle es schlicht an Möglichkeiten zur Arbeitsstelle zu kommen, gerade im ländlichen Bereich, so Ulm. Manchmal wollen die Beschäftigten aber auch gar nicht aus ihrem gewohnten Umfeld raus, denn es biete vielen schlichtweg Sicherheit. Für all diejenigen, die den Schritt gehen wollen, setzen sich die Mitarbeiter aber ein. Im vergangenen Jahr hätten sogar vier Menschen ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis angefangen, freut sich Ulm. Das sei etwas Besonderes.
Stefan Hahn wird sich nun für ein Jahr auf seiner neuen Stelle als Gärtner der Stadt Burgbernheim beweisen und dann werde man sehen, was der nächste Schritt sein könne, sagt Stadtgärtner, Ernst Grefig. "Stefan ist eine vollwertige Arbeitskraft für uns und schon jetzt sehr wertvoll geworden. Vom Menschlichen kommen wir wunderbar mit ihm aus und er mit uns“, so Grefig weiter. Die Stadt Burgbernheim ist den Schritt gegangen, hat sich geöffnet und Stefan Hahn hat seine Chance genutzt.
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