Holger Kiesel ist der Behindertenbeauftragte des Freistaats Bayern. Er sitzt selbst im Rollstuhl und weiß, wie schwer es sein kann, mit dem Zug zu fahren, wenn die nötige Infrastruktur fehlt – ohne fremde Hilfe geht dann nichts. "Ich fände es wichtig, dass wir auf die Bahn und auf die Barrierefreiheit bei der Bahn einen viel, viel stärkeren Fokus setzen als die letzten Jahre", sagt er.
Bisher gelten ungefähr die Hälfte der 1.066 Bahnhöfe und Haltepunkte in Bayern als barrierefrei. Das sind weniger als die "stufenlos erreichbaren" in der Grafik oben, weil zur Barrierefreiheit noch weitere Vorkehrungen gehören, etwa für sehbehinderte Reisende. Ein jetzt beschlossenes Aktionsprogramm der Staatsregierung soll dafür sorgen, dass 24 weitere Stationen so umgebaut werden, dass sie für alle zugänglich sind. Zusammen mit rund 70 Bahnhöfen, die von der Deutschen Bahn in Eigenverantwortung umgebaut werden, kann damit das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern erfüllt werden, der 100 weitere barrierefreie Bahnstationen bis 2028 vorsieht.
Seehofer versprach Bayern barrierefrei eigentlich für 2023
Weit entfernt bleibt allerdings weiterhin das Ziel, ganz Bayern barrierefrei zu machen – der frühere Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte das eigentlich schon für 2023 versprochen. Die Verantwortung dafür sieht der heutige CSU-Verkehrsminister im Freistaat, Christian Bernreiter, beim Bund: Der habe nicht geliefert, obwohl er laut Grundgesetz für die Schienen und Bahnhöfe verantwortlich ist. Bayern engagiere sich dagegen rein freiwillig.
Wo als nächstes Bahnhöfe umgebaut werden
Das aktuelle "Bayerische Aktionsprogramm für barrierefreie Stationen" hat einen Umfang von 100 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre. Fürth, Amberg, Kronach und Pegnitz sind die wichtigsten Bahnhöfe, die jetzt neu drankommen mit dem behindertengerechten Ausbau. Außerdem enthalten sind auch Eching, Eichstätt Bahnhof, Neufahrn (Niederbayern), Kulmbach, Weißenburg und Meitingen. Plus 14 weitere kleine Haltepunkte im ländlichen Raum, die gleichmäßig auf die Regierungsbezirke verteilt sind: Aschau (Chiemgau), Oberaudorf, Frauenau, Karpfham, Bodenwöhr Nord, Weiherhammer, Pressig-Rothenkirchen, Bad Rodach, Ramsberg, Windsbach, Poppenhausen, Waigolshausen, Gablingen und Wasserburg (Bodensee).
Kaputte Aufzüge bremsen Rollstuhlfahrer aus
Manchmal bekommen Behinderte aber auch an den Bahnhöfen Schwierigkeiten, die bereits als barrierefreie gelten. Das weiß der Behindertenbeauftragte Kiesel auch aus eigener Erfahrung. Etwa durch kaputte Aufzüge: "Das passiert leider öfter, als man sich das vorstellt." Ralf Thieme, Vorstand Personenbahnhöfe bei DB Infrago, gibt zu, dass ein nicht reparierter Fahrstuhl immer sehr ärgerlich ist. 98 Prozent der Aufzüge und Rolltreppen seien aber im Durchschnitt immer verfügbar, was man auch online verfolgen kann.
Die Infrastruktur der Deutschen Bahn ist generell ausgezehrt nach Jahrzehnten des Sparens unter Verkehrsministern von CSU, CDU und SPD. "Wenn wir uns den Grundzustand der Infrastruktur bei der Bahn ansehen, ist klar, dass es da jenseits der Barrierefreiheit auch sonst noch ganz viel zu tun gibt", sagt Holger Kiesel. Die Konkurrenz um die verfügbaren Mittel ist groß.
Neue Einstiegshilfen machen Behinderte unabhängiger
Er hofft deshalb auch auf den Fortschritt der Technik, mit automatischen Einstiegshilfen am Gleis. Die könnten die bisher übliche "archaische" Methode ersetzen, bei der Rollstuhlfahrer mittels von Hand bedienter Rampen in den Zug gehievt werden. Die Deutsche Bahn plant, bis nächstes Jahr die Hälfte ihrer Züge im Fernverkehr mit sogenannten fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen auszustatten, wo nicht ohnehin ein Einstieg ohne Stufen möglich ist. Bis zum Jahr 2030 sollen es mindestens zwei Drittel sein.
Im Video: Bahnfahren soll leichter werden für Behinderte
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