Das bayerische Kultusministerium hat entschieden: Die linke Aktivistin Lisa Poettinger darf vorerst an keiner bayerischen Schule ein Referendariat beginnen. Damit kann sie ihre Ausbildung zur Gymnasiallehrerin nicht abschließen. "Es ist offiziell: Ich habe ein Berufsverbot bekommen", schrieb Poettinger in sozialen Netzwerken. Dazu stellte sie ein Foto des Bescheids. Darin heißt es: "Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien zum Termin Februar 2025 wird Ihnen versagt."
Der Grund: Das Kultusministerium hat große Zweifel an der Verfassungstreue der 28-Jährigen, ordnet sie dem linksextremistischen Spektrum zu. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte Ende Januar: "Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen." Poettinger weist den Vorwurf, nicht auf dem Boden der Verfassung zu stehen, entschieden zurück.
Ministerium: Lehrkräfte haben Einfluss
Bekannt wurde Poettinger, die sich selbst als Marxistin bezeichnet, vor einem Jahr als Mitorganisatorin einer großen Demo gegen Rechtsextremismus. Ende Januar ging die Münchnerin in eigener Sache an die Öffentlichkeit, um eine negative Entscheidung des Kultusministeriums abzuwenden. Daraufhin berichteten bundesweit Medien über ihren Fall, es gab in München eine kleine Kundgebung von Unterstützern, mehrere tausend Menschen unterzeichneten eine Solidaritätserklärung.
Am Montag lehnte das Ministerium den Antrag auf Zulassung zum Referendariat nun ab. Ein Ministeriumssprecher teilt auf BR24-Anfrage mit, Lehrkräfte hätten wie kaum eine andere Berufsgruppe Einfluss auf junge Menschen. "Der Freistaat Bayern hat daher sicherzustellen, dass sich Personen, die in den Staatsdienst aufgenommen werden, durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen."
Daher gebe es bei jedem Einstellungsverfahren eine Prüfung der Verfassungstreue. Könne eine Bewerberin oder ein Bewerber Zweifel nicht ausräumen, dürfe er oder sie "nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt werden".
"Engagement für linksextremistische Gruppierung"
Inhaltliche Details zum Fall Poettinger kann das Ministerium dem Sprecher zufolge wegen des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte nicht öffentlich nennen. "Im konkreten Fall möchten wir jedoch betonen, dass die Nichtzulassung von Frau Poettinger – anders als teilweise dargestellt – nicht auf ihrem Einsatz für den Klimaschutz gründet."
Im Blickpunkt stünden bei Poettinger "die Mitgliedschaft in und das Engagement für eine linksextremistische Gruppierung", laufende "strafrechtliche Ermittlungsverfahren sowie das öffentliche Billigen von Straftaten".
Antikapitalistische Haltung
Poettinger beklagt dagegen in einer Mitteilung: "Jetzt ist es also amtlich: Wer sich in seiner Freizeit für Klimaschutz und Demokratie engagiert und dabei auch noch Begriffe verwendet, die der Staatsregierung nicht gefallen, kann in Bayern für charakterlich ungeeignet erklärt werden, Kindern Englisch beizubringen."
Via Social Media verbreitete die 28-Jährige Auszüge aus dem 105-seitigen Bescheid. Darin verweist das Ministerium unter anderem auf die antikapitalistische Haltung Poettingers sowie die Verwendung von Begriffen wie "Klassenkampf" und "Profitmaximierung". Das Ministerium schreibt demnach: "Nach Mitteilung des Verfassungsschutzes vom 05.11.2024 stammt der Begriff 'Profitmaximierung' aus dem Kommunismus und wertet Gewinnstreben in der Wirtschaft ab." Auch ein Eintreten für den "Klassenkampf" stehe "in diametralem Gegensatz" zum Einsatz für die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Poettinger entgegnet, sie verstehe "Klassenkampf" nicht als antidemokratisch, "sondern – wie viele Gewerkschaften eben auch – als notwendig, um den Interessen der Vielen eine Stimme zu verleihen". Kapitalismus sei nicht Demokratie. "Ich engagiere mich beim Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München, weil es eine Wirtschaft nach unser aller Bedürfnisse und innerhalb von planetaren Grenzen mit einem Blick für die Menschen im globalen Süden anstrebt."
Zwei Strafverfahren
Zu den Strafverfahren schreibt Poettinger: "Weil ich in Lützerath mit mutigen Aktivist:innen gegen RWEs Abbaggerung des Dorfes für noch mehr Profite & Klimakrise protestiert habe, wird mir nun Angriff und Widerstand vorgeworfen." Das Verfahren habe noch nicht begonnen. "Wo ist die Unschuldsvermutung?" Darüber hinaus habe sie ein "transfeindliches Plakat" der AfD abgerissen, das "antisemitische Bildsprache" genutzt habe.
Poettinger beklagt einen gravierenden Angriff auf Grundrechte wie die Ausbildungs- und die Meinungsfreiheit. Mit dem Bescheid will sie sich nicht abfinden. Sie kündigte an, Klage beim Verwaltungsgericht einzureichen.
Im Video: Aktivistin Poettinger darf nicht ins Referendariat
Lisa Poettinger mit Anwältin Adelheid Rupp
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