Ludwig Zier sitzt vor seinem Blinden-Schachspiel, neben ihm blättert seine Lebensgefährtin in einem Buch.
Bildrechte: BR / Marc Neupert

Ludwig Zier spielt Schach auf einem speziellen Brett für Blinde.

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Blinder Schachlehrer: Fingerspitzengefühl ersetzt Augenmaß

Ludwig Zier ist in seiner Kindheit erblindet. Trotzdem hat der Wunsiedler eine beachtliche Karriere als Schachspieler hingelegt. Die Spielzüge hat er im Kopf statt vor Augen. Kleine Feinheiten an Brett und Figuren helfen ihm bei der Orientierung.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Es gilt als Spiel der Könige und es erfordert große Konzentration. Wer Schach spielt, muss nicht nur seinen nächsten Zug wissen, sondern am besten schon die kommenden vier, fünf Züge im Kopf haben. Das ist schon kompliziert, wenn man das Schachbrett mit den Figuren vor sich sieht. Für jemanden, der blind ist, muss das noch wesentlich schwieriger sein. Doch Ludwig Zier aus Wunsiedel scheint damit kein Problem zu haben. Der blinde Mann spielt seit seiner Kindheit Schach, hat dabei große Erfolge erzielt und versucht seit Jahren, Kinder und Jugendliche für das Spiel zu begeistern.

Schach-Leidenschaft in den Genen

Mit Sohn Oliver Schach zu spielen, war für Ludwig Zier jahrelang die liebste Freizeitbeschäftigung. Manche Partien dauerten nur wenige Minuten. Jeder Zug saß. Das Besondere: Die beiden spielten auf unterschiedlichen Brettern. Oliver auf einem normalen, sein Vater auf einem speziellen Blindenschachbrett. Das unterscheidet sich vom normalen Schachbrett durch eine leichte Erhöhung der dunklen Felder. Bei den schwarzen Figuren befindet sich außerdem am Kopf ein kleiner Nagel. So kann der blinde Spieler schwarz und weiß mit Fingerspitzengefühl unterscheiden.

Seit einigen Jahren lebt Oliver nun in den Vereinigten Staaten. Doch bei jedem Besuch in Wunsiedel fordert er den Vater erneut im Schach heraus. Denn dieser hatte ihn mit der Begeisterung für das Schachspiel angesteckt. Oliver hat bereits mit neun Jahren Europa- und Weltmeisterschaften bestritten und viele Jugend-Turniere gewonnen. Mit 14 spielte er in Zürich gegen den Großmeister Garry Kasparov und erzielte ein Remis, ein Unentschieden.

Schicksalsschlag Grüner Star

Ludwig Zier erkrankt schon als Kind am Glaukom, dem sogenannten "Grünen Star", verliert schließlich mit neun Jahren endgültig sein Augenlicht. An der Blindenschule in Nürnberg lernt er mit 14 Jahren Schach. Das Spiel der Könige gibt ihm Lebensmut, wird bald zur Lebensleidenschaft. Jede Partie spielt sich bei Ludwig Zier im Kopf ab. Er stelle sich vor seinem geistigen Auge das Brett mit den Figuren und die jeweilige Aufstellung vor, erzählt er.

Im Laufe der Jahre erspielt sich Ludwig Zier viele Titel, wird vier Mal Deutscher Blindenschachmeister, gehört in den 1980er Jahren zum Team der Blinden-Olympiamannschaft. Er lernt den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl kennen, die ihn für seine Leistungen im Blindenschach auszeichnen. An diese Begegnungen erinnert sich Ludwig Zier noch heute mit Stolz.

Ehrenamtlicher Schachlehrer in Wunsiedel

Ludwig Zier ist überzeugt: In vielen Kindern schlummern kleine Schachtalente. Und die will er wecken und fördern. Einmal pro Woche bietet er deshalb Schachunterricht am Wunsiedler Gymnasium an – und das seit nunmehr 21 Jahren. Seine Lebensgefährtin unterstützt ihn dabei. Sie fährt ihn Woche für Woche zur Schule und hilft beim Aufstellen der Schachbretter.

Dass sie auf ihre eigenen Fähigkeiten vertrauen sollen, lehrt Ludwig Zier seine Schülerinnen und Schüler unter anderem. Für die Kids aus den Jahrgangsstufen fünf bis neun ist er ein Vorbild. Sie sind beeindruckt, wie gut sich der blinde Mann die jeweilige Schachparte im Kopf vorstellen kann, ohne auch nur eine Figur auf den Spielfeld zu berühren.

Ludwig Zier freut sich, dass einige der Jugendlichen auch im kommenden Schuljahr wieder bei seinem Schachkurs dabei sein wollen. Eine noch größere Freude wäre es für ihn, wenn auch sie eines Tages an großen Schach-Wettbewerben teilnehmen und vielleicht sogar gewinnen würden.

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