Nach einem Böllerwurf im Stadion des FC Augsburg werden verletzte abgeschirmt
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Im Prozess um den Böllerwurf bei einer Auswärtspartie der TSG Hoffenheim in Augsburg wird das Urteil erwartet.

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Böllerwurf im Bundesligastadion: Ein Urteil als Fingerzeig?

Dass Fußball-Fans und Vereinsmanager mit Spannung auf ein Gerichtsurteil blicken, ist eher selten. Im Fall des Augsburger Böller-Prozesses ist das jedoch der Fall. Es geht um Sicherheit in Stadien und darum, was Fan-Szenen als akzeptabel erachten.

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Die zweite Halbzeit läuft erst seit ein paar Minuten, da zucken im ganzen Stadion Spieler und Besucher zusammen. Ein gewaltiger Knall hallt durch die Arena, im unteren Bereich des Gästeblocks steigt Rauch auf. Ein Polizist wird später berichten, an einen Terroranschlag gedacht zu haben. Der Schiedsrichter unterbricht das Bundesliga-Heimspiel des FC Augsburg gegen die TSG Hoffenheim. Vier Angeklagte müssen sich in der Sache vor dem Landgericht Augsburg verantworten. Noch am Montag könnte das Urteil fallen.

Mehrere Verletzte durch Böller im Stadion des FC Augsburg

Schnell laufen am 11. November 2023 im Stadion des FC Augsburg Sanitäter in Richtung der Explosion. Etliche Opfer finden sie auf den Rängen vor – verletzt durch einen gewaltigen "Mamba-Böller", wie sich später herausstellen wird. Einem Bub wird der Oberschenkel aufgeschlitzt. Ein Mädchen unweit des Jungen kann nichts mehr hören. Insgesamt 12 Personen werden verletzt, darunter fünf Kinder.

Ermittler stützen sich auf Chat-Protokolle

Geworfen haben soll den Böller ein 28 Jahre alter Anhänger der TSG Hoffenheim, unterstützt von drei weiteren jungen Männern. Wie Chat-Protokolle im Prozess zeigen, beginnt die Geschichte ihrer mutmaßlichen Tat auf dem Schwarzmarkt, wo sie den Böller offenbar erwerben. "Mamba-Böller ist geisteskrank, da freuen sich die Rosetten der Augsburger Ultras", wird aus dem Chat zitiert. Im Intimbereich sollen sie den Böller anschließend ins Stadion geschmuggelt haben, so die Anklage.

Der Explosionskraft ihres "Mamba-Böllers" scheinen sich die Männer jedenfalls bewusst gewesen sein: "Junge da wackelt das Stadion, da scheppert alles zusammen", "der reißt dir deinen ganzen Arm weg", so zitiert der Vorsitzende Richter Christoph Kern aus den sichergestellten Chatprotokollen einen der Angeklagten.

Böller an Kontrollen vorbei ins FCA-Stadion geschleust

Der Fall macht bundesweit Schlagzeilen. Und wirft erneut – aber dieses Mal mit besonderem Nachdruck – die Frage nach der Sicherheit in Fußball-Stadien auf. Genauer gesagt nach dem Nutzen der Einlass-Kontrollen. Den Angeklagten schien der Kontrolleur am Einlass zum Bundesligaspiel zwischen Augsburg und Hoffenheim jedenfalls nicht wirklich Kopfzerbrechen bereitet zu haben: "Das geht schon klar, die kontrollieren eh nicht so richtig" in Augsburg, schrieb einer der vier Männer.

Die Vereine – und hier vor allem auch der FC Augsburg – weisen darauf hin, dass es keine hundertprozentige Sicherheit geben könne, aber geprüft werde, ob die Kontrollen noch verbessert werden könnten. Dabei ist den Vereinen jedoch nur ein gewisses Maß an Kontrolle möglich. Das Abtasten im Intimbereich sei etwa nicht gestattet.

Zudem gibt es noch andere Wege, um solche Böller ins Stadion zu schmuggeln, stellen Kenner der Ultra-Fan-Szene klar. Zum Beispiel werden kleinere Konflikte mit Wachpersonal angezettelt, sodass etwas entfernt ein Rucksack mit Böller oder Pyrotechnik über den Zaun geworfen werden kann. Oder am Tag vor dem Spiel wird eine Stadion-Führung genutzt, um Material hineinzuschmuggeln.

Polizei bekommt Tipp aus dem Ultra-Lager

Doch der Fall des Augsburger-Böllerwurfs zeigt auch etwas anderes: Nicht immer kann man Ultra-Fans den schwarzen Peter zuschieben. Im Augsburger Fall waren es sogar die Hoffenheimer Ultra-Fans selber, die den Ermittlern noch im Stadion zwei Tatverdächtige benannten – und so wohl maßgeblich dazu beitrugen, dass der mutmaßliche Täter schnell gefasst werden konnte.

Zudem verbreiten die Hoffenheimer Ultras umgehend eine Botschaft, in der sie erklären, in keiner Verbindung zu den Verdächtigen zu stehen. Den Böllerwurf verurteilen sie in einer Online-Botschaft aufs Schärfste. Den Verletzten wünschen die Hoffenheimer Fans "schnelle Genesung". Fan-Forscher sehen darin ein wichtiges Signal, was die Szene bereit ist zu akzeptieren. Es sei klargemacht worden, dass solche Böller "außerhalb der Normen der Fan-Kultur stehen".

TSG Hoffenheim wartet nach Böllerwurf auf Urteil

Auch die Vereine werden das Urteil nun genau prüfen, darunter wohl auch zivilrechtliche Schritte und Stadionverbote. Die TSG Hoffenheim betonte, erst aktiv werden zu können, wenn die Identität der Verdächtigen klar sei: "Erst dann können wir auf zivilrechtlicher Basis ein Hausverbot aussprechen und gegebenenfalls über den FC Augsburg auf ein deutschlandweites Stadionverbot hinwirken", hieß es in einer Mitteilung.

Haftstrafe und finanzielle Konsequenzen drohen

Dass der Hauptangeklagte demnächst ein Stadion besuchen kann, ist jedoch äußerst fraglich. Wegen "Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und gefährlicher Körperverletzung in 14 Fällen" droht ihm eine Haftstrafe – auch das ein Teil der Geschichte, den die Fan-Szene mit Interesse beobachten dürfte, zivilrechtliche Schmerzensgeld-Forderungen noch nicht berücksichtigt.

Den Böllerwurf hat der Hauptverdächtige aus dem Raum Göppingen bereits zugegeben und die Opfer um Entschuldigung gebeten. "Es tut mir von Herzen leid", sagte der 28-Jährige gleich am ersten Prozesstag. "Es war niemals meine Absicht, jemanden zu verletzten, vor allem keine Kinder."

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