Der Osing gehört vier Dörfern.
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Der Osing ist eine Anhöhe bei Bad Windsheim.

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Brauch aus uralter Zeit: Ackerland wird verlost

Brauch aus uralter Zeit: Ackerland wird verlost

Gerecht und fair soll der Boden verteilt sein. Daher verlosen Osing-Rechtler ihre Felder regelmäßig. Der Osing ist eine Anhöhe bei Bad Windsheim - er gehört vier Dörfern. Jetzt werden die Rechte wieder neu gemischt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau am .

Am 20. September ist wieder Osing-Verlosung. Die gibt es nur alle zehn Jahre, doch vermutlich schon seit der Zeit von Karl dem Großen, also um das Jahr 800 herum. Mittelalterlich muten auch die Vorbereitungen dazu an. Der Osing liegt zwischen Herbolzheim, Krautostheim, Rüdisbronn und Humprechtsau. Diesen Dörfern gehören die Flächen der Anhöhe gemeinsam. Doch es gibt keinen Grundbesitz – es gibt nur Nutzungsrechte auf Zeit.

Der Name "Osing" leitet sich ab vom fränkischen Verb "osenga", was so viel bedeutet wie "abbrennen". Wahrscheinlich wurde der Osing damals durch Brandrodung von Wald- in Ackerland verwandelt und so urbar gemacht.

Maße aus dem Mittelalter

Mit dem alten fränkischen Maß einer Gertstange legt Günther Rabenstein ein sogenanntes Tagwerk fest. Seit Wochen vermessen die Männer der Osing-Verwaltung die Gesamtfläche von 274 Hektar neu. Sie müssen die historischen Feldstücke markieren. Die sind klein, für Landwirte sogar sehr klein: rund 3.300 Quadratmeter.

Kleinteiliger Flickenteppich von Feldstücken

Jedes der 488 Tagwerke wird an einen neuen Rechteinhaber verlost. So entsteht ein kleinteiliger Flickenteppich. Dafür aber bekommt jeder die Chance, einen guten Boden zu bekommen. "Die Feldstücke sind sehr unterschiedlich in der Bonität. In der Hangneigung, in der Bodenbeschaffung, auch in der Örtlichkeit zu dem Osing-Dorf", weiß Günther Rabenstein von der Osing-Verwaltung.

Spannende Zuteilung

Beispiel Humprechtsau. Der Ort hat 21 Rechte auf Osing-Land. Thomas Kretschmer ist ein sogenannter "Rechtler". Er persönlich hat das Recht, Flächen auf dem Osing kostenlos zu nutzen. Dort baut er vorwiegend Mais und Getreide für seine Schweine an. Wieviel er künftig erntet, hängt auch von der Qualität der nächsten Böden ab.

"Das ist jedes Mal wieder spannend", sagt der Landwirt. "Man kriegt Lose hingelost, man weiß aber nicht wo. Und dann ist es interessant, ob man sie tauschen kann und wo man dann die endgültigen Flächen hinbekommt."

Spektakel seit Jahrhunderten

Die eigentliche Verlosung ist seit Jahrhunderten ein großes Fest. Aus der ganzen Gegend strömen die Leute zu dem Spektakel. Schulkinder aus dem jeweiligen Dorf ziehen die Lose. Dafür gibt es ein Taschengeld. Der Name des neuen Rechtlers wird auf einem Pflock in den Boden geklopft. Rituale, die manche bis auf germanische Bräuche zurückführen. Verbrieft sind die Osing-Regeln seit dem 16. Jahrhundert.

Verhandeln, feilschen, tauschen

Doch die Landwirtschaft hat sich drastisch verändert. Die Zahl der Bauern nimmt ab. Viele Rechtler verpachten ihre Flächen. Die Hofbetreiber müssen ihre Lose tauschen und schauen, was sie noch bekommen können, um überhaupt einen rentablen Acker zusammenzubringen.

Welterbe Osing-Verlosung

Viel Aufwand im Namen der Gerechtigkeit. Doch die fränkischen Osing-Dörfer sind stolz auf ihre Tradition, die es anderswo längst nicht mehr gibt. Inzwischen gilt das Prozedere der Osing-Verlosung als einmalig. Deshalb steht es auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland.

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