ARCHIV - 13.09.2019, Sachsen, Leipzig: Teilnehmer des Bürgerrates Demokratie in Leipzig gehen an einem Aufsteller mit dem Logo der Veranstaltung vorüber. (zu dpa: «Erster Bürgerrat in NRW soll 2026 Arbeit aufnehmen») Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Bürgerrat Demokratie tagt in Leipzig

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Bürgerräte boomen – stärken sie die Demokratie?

Bürgerräte boomen – stärken sie die Demokratie?

Bürgerräte sind beliebt. Laut dem Verein "Mehr Demokratie" kamen 2024 in Deutschland 51 zustande, so viele wie nie zuvor. Auch in Bayern werden Bürgerräte zunehmend genutzt. Die Verantwortlichen versprechen sich gleich mehrere positive Effekte.

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Wie soll Unterhaching sich für die Zukunft aufstellen? Was läuft gut, wo braucht es Veränderungen, beispielsweise mehr Fahrradwege, zusätzliche Buslinien oder Gemeinschaftsorte? Bei diesen Fragen sollen nach Ansicht der Gemeinde im Landkreis München nicht nur Funktionsträger mitreden, sondern diejenigen, die Unterhaching ausmachen. Deshalb will die Gemeinde Menschen ansprechen, die sich sonst nicht zu Wort melden – und hat für die Ortsentwicklung mehrere Bürgerräte ins Leben gerufen.

Bürgerräte als zusätzliches Beratungsgremium

Pro Bürgerrat beschäftigen sich zehn Unterhachinger in den kommenden Wochen mit Mobilität, Wohnen, sozialem Zusammenhalt und Klimaschutz. Sie wurden zufällig per Los ausgewählt. Allerdings wurde darauf geachtet, dass Senioren und Jüngere, Männer und Frauen, Zugezogene und Alteingesessene vertreten sind.

"Wir wollten kreative Dynamiken schaffen und neue Ideen einholen", erklärt Projektleiterin Maddalena Iovene. Oft brächten sich die gleichen Personen im Ort ein. Neue und jüngere Menschen zu gewinnen und einen transparenten Dialog mit der Bürgerschaft zu führen, sei mitunter schwierig. Pressesprecher Simon Hötzl sieht zwar kein "partizipatorisches Defizit", aber Bedarf für ein zusätzliches Beratungsgremium. Denn die Zukunft Unterhachings interessiere alle Generationen und reiche über die Amtsperiode eines Gemeinderats hinaus. "Dafür brauchen wir dieses zusätzliche, auch kreative Expertenwissen von Leuten, die teilweise schon ganz lange hier leben oder eben zugezogen sind und einen frischen, unverstellten Blick auf Unterhaching haben."

Unbeteiligte Interessierte einbinden

200 Kilometer von Unterhaching entfernt, im mittelfränkischen Ansbach soll ein Bürgerrat Ideen für ein Parkplatz-Areal entwickeln. Die Vorstellungen gehen laut Oberbürgermeister Thomas Deffner (CSU) weit auseinander. Manchen sei der Parkplatz wichtig, andere befürworten eine Renaturierung. 40 von etwa 40.000 Ansbachern sollen sich in einem Bürgerrat mit der Neugestaltung befassen.

Deffner hofft auf eine große Akzeptanz der anschließenden Stadtratsentscheidung und dass sich durch den Bürgerrat Menschen beteiligen, die sich sonst vielleicht im Nachhinein beschwert hätten. Vor allem sieht er aber große Chancen, dass sich Menschen beteiligen, die "gemeinhin nicht in Erscheinung treten in der Stadt".

Kein Allheilmittel für demokratische Herausforderungen

Ein Allheilmittel für Herausforderungen in der Demokratie seien Bürgerräte nicht, sagt Daniel Oppold. Der Verwaltungswissenschaftler unterstützt Kommunen in Baden-Württemberg bei Fragen zur Bürgerbeteiligung. Richtig eingesetzt seien sie aber oft ein Gewinn: "Bürgerräte schaffen genau diese Räume des Austauschs von ganz unterschiedlichen Menschen, die immer weniger werden ansonsten in unserer Demokratie, so Oppold. Wir haben viel zu wenig Möglichkeiten, außerhalb der viel beschworenen Bubbles mit anderen Leuten argumentativ uns auszutauschen und gemeinsam nach den besten Argumenten zu suchen. Und genau dafür sind Bürgerräte da."

Streitbare, konkrete und eingegrenzte Themen

Allerdings funktioniere das Format nicht einfach so. Es eigne sich vor allem für streitbare, konkrete und klar begrenzte Themen, sagt Oppold. Um Unmut vorzubeugen, sei eine gute Kommunikation wichtig, was der Bürgerrat kann und was nicht. Die Beteiligten geben Empfehlungen, verbindlich sind die aber nicht. Am Ende entscheiden demokratisch gewählte Gremien, beispielsweise der Stadt- oder Gemeinderat. Idealerweise ermöglichten Bürgerräte den Gremien informiertere Entscheidungen.

Effekte für Teilnehmende

Wer teilnimmt, profitiert durchaus, sagt der Experte: "Wir beobachten, dass die Leute sagen: Vorher wusste ich nicht so viel zu dem Thema, über unser politisches System und schon gar nicht über die Zwänge, in denen Politik und Verwaltung sich manchmal befinden, jetzt habe ich da einen besseren Durchblick und fühle mich besser informiert." Auch das Vertrauen in die Demokratie nehme bei den Beteiligten zu.

Während Ansbach die letzten Schritte für den Bürgerrat vorbereitet, haben die Unterhachinger bereits erste Erfahrungen gemacht. Das Interesse sei groß, die Teilnehmenden gut vorbereitet. Manche Bürger wollten sich sogar langfristig in der Gemeinde engagieren, sagt Iovene. Im Frühjahr stellen die Beteiligten ihre Ideen vor.

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