Anna Heringer zeigt auf die massiven, grau-braun geschichteten Lehmmauern auf der Baustelle des Campus St. Michael in Traunstein. "So eine Lehmmauer strahlt eine besondere Ruhe aus. Man spürt einfach, dass das ein nachhaltiger Baustoff ist." Die Architektin baut mit verschiedenen Partnern hier den ersten freitragenden Lehmbau Deutschlands. Das ganze Gewicht liegt auf Lehmwänden, die zum Teil 75 Zentimeter breit sind – die Bauherren von der katholischen Kirche sprechen von einem Pilotprojekt für nachhaltiges Bauen.
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Klimakiller Beton
Denn herkömmlicher Beton ist ein echter Klimakiller: Weltweit entstehen ungefähr acht Prozent der Treibhausgasemissionen in der Produktion von Zement, einem Bestandteil von Beton. Lehm ist dagegen viel klimafreundlicher, erklärt Anna Heringer. "Lehm kann ich im Prinzip überall abbauen, ohne dass CO2 entsteht. Und er ist optimal recyclebar."
Doch obwohl Lehm in der Theorie überall vorhanden ist, fehlen in der Praxis die Firmen und Fachkräfte. Zu lange war der vorindustrielle Lehmbau in Vergessenheit geraten. Der Lehm auf der Baustelle in Traunstein stammt deswegen aus Voralberg in Österreich. Dort wird er mit Hilfe einer riesigen Maschine zu großen Blöcken verdichtet. Diese werden nach Traunstein transportiert und dort mit Lehmmörtel wie Legosteine übereinandergesetzt. Leisten in der Mauer verhindern, dass der Lehm bei Regen erodiert.
Hohe Baukosten
Die katholische Kirche lässt sich das Gebäude einiges kosten: Rund 18,7 Millionen Euro sind für den futuristisch gezackten Bau veranschlagt. Hier sollen Ende 2024 kirchliche und weltliche Akteure für Nachhaltigkeit einziehen, wie zum Beispiel ein inklusives Café oder ein Laden für Second-Hand-Spielzeug.
Architektin Anna Heringer ärgern die hohen Kosten. Sie ist in Laufen im Berchtesgadener Land aufgewachsen. Den Lehm als "Champion unter den Baustoffen" hat sie bei einem Auslandsaufenthalt in Bangladesch kennengelernt. "Dort war der Lehm als regionaler, nachhaltiger Rohstoff automatisch der günstigste. Es ist verrückt, dass bei uns das Bauen mit einem lokalen Material so viel teurer ist als mit Beton, der hohe ökologische Kosten verursacht."
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Systemwandel notwendig
Lehmbau ist arbeitsintensiv - und Arbeitskraft kostet. Anna Heringer fordert deswegen ein politisches Umdenken: Der Preis für das Bauen müsse die ökologischen Kosten reflektieren. So könnte zum Beispiel die menschliche Arbeit niedriger besteuert werden, der Energieverbrauch auf dem Bau dafür höher. "Mit Lehm bauen heißt auch, das Wirtschaftssystem umzustellen" meint die Architektin – und sieht in dem Traunsteiner Projekt einen ersten Schritt hin zu einer klimafreundlichen Bauwende.
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