An diesem Wochenende wollen in vielen bayerischen Orten wieder Menschen ein Zeichen setzen – für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Am Samstag sind unter anderem Proteste in Lindau, Ingolstadt, Regensburg, Passau und Hof geplant, am Sonntag beispielsweise auch in kleineren Orten wie im mittelfränkischen Neuendettelsau oder in Obernburg am Main. Und die Planung geht noch weiter: Auch am Wochenende darauf sind etwa in Nürnberg und Augsburg Demonstrationen angemeldet.
Forscher glauben nicht, dass der Protest lange anhält
Offen ist die Frage, wie lange der Protest über die nächsten beiden Wochenenden hinaus anhalten wird. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, glaubt nicht, dass die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zum Dauerzustand werden. Der Süddeutschen Zeitung sagte sie: "Ich gehe davon aus, dass solche Proteste recht schnell abflachen." Denn gerade Menschen aus dem moderaten Lager, die aus Unmut gegen die "Deportationsideologie" auf die Straße gegangen seien, ließen sich "nicht alle drei Wochen mobilisieren", so Münch.
Ähnlich sieht das der politische Soziologe Rüder Schmitt-Beck von der Universität Mannheim. Zwar sinke die Hürde für weitere Teilnehmer, wenn hunderttausende Menschen auf die Straße gehen. Allerdings sei irgendwann der Scheitelpunkt erreicht, danach laufe die Mobilisierung aus. Schmitt-Beck vermutet, dass dies bei den Protesten gegen Rechtsextremismus in "zwei, drei Wochen" der Fall ist.
Kritik an Veranstaltern nach Demo in München
Besonders in München ist gerade unklar, wie es mit den Demonstrationen weitergeht. Zur Veranstaltung am Sonntag waren zwar laut Polizeiangaben 100.000 Menschen gekommen – ein großer Erfolg für die Organisatoren, die sogar noch von einer deutlich höheren Teilnehmerzahl sprachen. Allerdings gab von mehrfacher Seite Kritik an den Veranstaltern. So hatten am Sonntag auch Vertreter vom "Antifa Stammtisch München" und der "Antifa NT", die vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft werden, auf der Bühne sprechen dürfen.
Die Mitorganisatoren von "München ist bunt!" haben sich bereits von mehreren Aussagen von Rednern distanziert. Man teile die Kritik in weiten Teilen, heißt es in einem Statement. Dass sich unter anderem auch die Versammlungsleitung auf der Bühne geäußert habe, sei nicht abgesprochen gewesen. "München ist bunt!" sehe es als seinen Auftrag, "mit allen Demokrat*innen für Vielfalt und Toleranz und gegen Hass und Hetze einzustehen und diesen nicht selbst zu reproduzieren".
Der Vorwurf von Vize-Ministerpräsident Aiwanger (FW), die Veranstaltung sei von Linksextremisten unterwandert worden, sei dennoch falsch. Dies treffe weder auf das Organisatoren-Team noch auf die Mehrheit der Demo-Teilnehmer zu.
OB Reiter will Dialog zum Kampf gegen Rechtsextremismus
Ob die Kritik am Münchner Organisatoren-Team bei einer nächsten Demonstration gegen Rechtsextremismus Menschen von einer Teilnahme abhalten wird, ist unklar. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte nach der Demonstration jedenfalls einen breiten Dialog zum Kampf gegen Rechtsextremismus angekündigt.
Dazu wolle er "verschiedene Gruppierungen der Münchner Stadtgesellschaft" ins Münchner Rathaus einladen – unter anderem Vertreter der Zivilgesellschaft, der Parteien, Jugendorganisationen, Gewerkschaften und den großen Münchner Unternehmen. Reiter sagte, es gehe ihm darum, "die wehrhafte Stimmung aufzunehmen, Zivilgesellschaft und Politik zusammenzubringen und das große zivilgesellschaftliche Engagement weiterzutragen".
Ob als Ergebnis eine weitere Großdemonstration geplant wird, ist nach Angaben der Stadt aber noch offen. Derzeit laufen die Vorbereitungen für das Treffen. Auf BR-Anfrage teilte das Büro von Oberbürgermeister Reiter mit, dass der Termin voraussichtlich nächste Woche bekannt gegeben wird. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begrüßte nun auf der Pressekonferenz der CSU-Vorstands noch einmal die Initiative. Für ihn geht es dabei auch darum, "zu verhindern, dass mit manchen linksextremen Parolen und Träumen auch viele Bürgerliche abgeschreckt [werden] und damit das demokratische Lager gespalten wird".
Protestforscher glaubt, dass lokale Bündnisse bleiben
In München hatten sich mehr als 200 verschiedene Organisationen und Bündnisse dem Protest angeschlossen. Auch in vielen anderen Städten wie Ingolstadt oder Burghausen geht die Teilnehmerliste quer über das politische Spektrum, mit Parteien von Die Linke bis zur CSU. Dass dabei nicht alle gleich auf Rechtsextremismus blicken, ist klar.
Laut dem Protestforscher Peter Ullrich von der Technischen Universität Berlin wird es aber "ohne den Ansatz einer gemeinsamen Analyse und greifbarer politischer Forderungen" schwer, ein so breites Bündnis aufrechtzuerhalten. Gemeinsame Themen könnte etwa die Forderung nach einem AfD-Verbot sein, so der Protestforscher. Aber auch wenn der Protest nicht in dieser Form weitergeht, könnten zivilgesellschaftliche Bündnisse laut Ullrich lokal aktiv bleiben und dort die Kultur verändern.
Mit Informationen von dpa
Im Video: Abbruch wegen Überfüllung - So war die Demo in München
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