Für Strafverteidiger Klaus Wittmann endete am Donnerstag ein Verfahren, das wie kaum ein anderes ein breites Medieninteresse hervorgerufen hat: der sogenannte Doppelgängerinnen-Mord. Beide Angeklagte wurden am Donnerstag wegen Mordes zu lebenslänglichen Haftstraften verurteilt – das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Fast ein Jahr lang vertrat Wittmann seinen Mandanten Sheqir K. als Pflichtverteidiger vor Gericht. Die Vorwürfe gegen den Mandanten: Gemeinsam mit der zweiten Angeklagten, Schahraban KB., soll er einen Mord begangen haben. Wie ist es, wenn man einen Menschen verteidigt, der vermeintlich Böses getan hat? Kontrovers – Die Story hat den Strafverteidiger während dieses Prozesses begleitet.
Verteidiger sieht "Vorverurteilung" als Herausforderung
Strafverteidigung ist für Wittmann nicht nur eine moralische, sondern vor allem eine pragmatische Angelegenheit. "Es geht letztlich immer darum, die Rechte des Menschen zu verteidigen", sagt er, "und dafür zu sorgen, dass dieser Angeklagte so behandelt wird, wie es ihm gebührt".
Vorwürfe gegen den Mandanten sind für Wittmann bis zum Urteil lediglich das: Vorwürfe. Wenn er nicht davon ausginge, dass der Angeklagte unschuldig sei, "dann ist ja der ganze Aufwand umsonst". Erst eine Verhandlung muss zeigen, ob an den Vorwürfen etwas dran ist.
Schon zu Beginn der Verhandlung Anfang des Jahres sorgte der Prozess für Schlagzeilen. Denn die Vorwürfe gegen die beiden Angeklagten wogen schwer. Die Folge laut Wittmann: "eine relativ klare Vorverurteilung" - für den Anwalt eine herausfordernde Ausgangssituation. Die Staatsanwaltschaft klagt die beiden Angeklagten wegen Mordes an, das würde eine lebenslänglich bedeuten.
Zur Kontrovers-Story: Doppelgängerinnen-Mord – Verteidigt er einen Mörder?
Verteidiger braucht eine Strategie
Wittmanns Job ist es, Fragen zu stellen und auf Widersprüche und mögliche Zweifel hinzuweisen. Er geht all den Dingen nach, die für die Verteidigung seines Mandanten von Nutzen sein könnten. Dabei kann es auch von der Verteidigungsstrategie abhängen, ob und zu welchem Strafmaß sein Mandant schließlich verurteilt wird.
Die absolute Wahrheit herauszufinden, sei sowieso schwierig. Vielmehr geht es Wittmann darum, seinen Mandanten optimal durchs juristische Labyrinth zu führen.
Strafverteidiger: "Wir machen das, was wir dürfen"
Deswegen steht für Wittmann fest: "Natürlich hat jeder Angeklagte das Recht, sich nach Möglichkeit aus der Affäre zu ziehen." Als Strafverteidiger gebe er dabei Hilfestellung, indem er darüber berate, was möglich sei – und was nicht: "Die Frage ist immer die zulässige Strafverteidigung. Die findet immer die Grenzen in den Gesetzen. Wir machen das, was wir dürfen."
Dennoch ist ihm wichtig zu betonen: "Es ist nicht so, dass der Strafverteidiger den Schuldigen hilft, davonzukommen. Das ist wirklich die ganz, ganz große Ausnahme."
Die Umstände: schwer belastend
Gleich zu Prozessbeginn belasteten zwei Aussagen den Angeklagten: Die Mitangeklagte sagte aus, Wittmanns Mandant sei für die Tat verantwortlich und habe das Opfer erstochen, sie sei lediglich dabei gewesen. Und ein Freund des Mandanten sagte aus, dass der Angeklagte die Tat ihm gegenüber zugegeben hätte.
"Natürlich ist das eine Schwierigkeit, wenn ein Mitangeklagter den anderen Angeklagten schwer belastet," räumt Wittmann ein.
Die Verteidigung im Doppelgängerinnen-Mordprozess: Schweigen
Wie also verteidigt man jemanden unter solchen Umständen? Die Basis der Verteidigung sei immer die Akte, sagt Wittmann. Auf Grundlage dessen entwickelt der Strafverteidiger seine Annahmen zum Tatgeschehen.
"Und da war natürlich die Frage: Lässt man den Angeklagten etwas sagen? Will der Angeklagte etwas sagen? Kann er etwas sagen?" Klaus Wittmann, Strafverteidiger
Die Strategie der Verteidigung zu Prozessbeginn: Der Angeklagte Sheqir K. schweigt.
Nicht immer bleibt die Strategie eines Verfahrens unverändert – insbesondere wenn ein Prozess so viele Verhandlungstage hat wie dieser, erzählt Wittmann in der Kontrovers-Story.
War Schweigen die falsche Strategie?
Im Laufe des Prozessgeschehens kommen immer mehr Details ans Licht, die Wittmanns Mandanten weiter belasten. Die Polizei findet beispielsweise einen Schlagring in der Wohnung von Sheqir K. und DNA-Spuren von Sheqir K. auf dem Opfer. Und: Die Mitangeklagte belastet ihn in ihren Aussagen.
Doch der Angeklagte schweigt weiterhin.
Strafverteidiger Wittmann beantragt zudem eine ganze Reihe von Gutachten, die seinen Mandanten entlasten könnten – etwa indem sie die Aussagen der Angeklagten in Zweifel ziehen.
Zwischen Prozessbeginn und der Urteilsverkündung sind mehrere Monate vergangen. Wittmanns Mandant Sheqir K. ist letztlich schuldig gesprochen worden. Dennoch ist der Strafverteidiger zufrieden mit seiner Arbeit, denn sein Mandant sei - anders als die Angeklagte - nicht für die besondere Schwere der Schuld verurteilt worden. Dazu sei seine Motivlage zu unklar. "Ich gehe mit dem Gefühl raus, das wir alles richtig gemacht haben: Die Strategie ist richtig gewesen, dass er nichts gesagt hat." Für einen Mordprozess sei es "eigentlich optimal gelaufen", sagt Klaus Wittmann.
Dennoch will die Verteidigung in Revision gehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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