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In Deutschland gibt es über 60 Tarif- und Verkehrsverbünde. Manchmal treten noch Landkreise einem Verbund bei; manchmal gibt es Überlegungen, ob ein Verbund im anderen aufgehen soll - wie beim MVV und AVV für München/Augsburg.
Verbünde können in Deutschland unterschiedliche Aufgaben übertragen bekommen. Häufig geht es darum, Fahrpläne abzustimmen und Fahrscheine aller Verkehrsunternehmen innerhalb eines Verbunds anzuerkennen. In Bayern spielen laut Verkehrsministerium (externer Link) sechs Verbünde eine "hervorgehobene Rolle". Es gibt aber viele weitere Gemeinschaften: Mal ist die S-Bahn mit drin, mal geht es nur um die Fahrplankoordination, mal nur um die Tariforganisation - und manche Gebiete sind verbundfrei.
BR24-User wie "Tom_W" argumentieren, das System anders aufzustellen:
Also vielleicht nur ein Verbund für ganz Deutschland? Mit dem "Deutschlandticket" gelang ein großer Sprung, sagen Verkehrsexperten. Doch Verkehrsverbünde seien zentral für die Weiterentwicklung des ÖPNV, teilte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter im Frühjahr mit. Besonders Gelegenheitsnutzer würden eher ein Verbundticket kaufen.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing sprach sich 2023 dafür aus, die Zahl der Verkehrsverbünde zu verringern. Das könne Geld sparen. Doch strukturelle Änderungen würden in Länderhand liegen.
Länderzuständigkeit "Teil der Lösung"
"Die Länderzuständigkeit ist nicht nur ein Problem, sondern sie ist Teil der Lösung", sagt Matthias Gather, Professor für Verkehrspolitik und Raumplanung an der Fachhochschule Erfurt. Seit den 1990er Jahren gibt es "Regionalisierungsmittel", also festgelegte Geldbeträge für die Länder vom Bund, damit sie den ÖPNV, insbesondere den Schienenpersonennahverkehr, organisieren. Die Länder entscheiden, was sie haben wollen: "Wer bestellt, bezahlt."
Tarife zusammenzuführen, sei gut, sagt Gather. Aber mit den Zuständigkeiten "Bund für den Fernverkehr, Länder für den Nahverkehr" sei man in den vergangenen Jahren beim Schienenverkehr gut gefahren. Denn die Angebotsplanung müsse vor Ort geschehen, die Verantwortung vor Ort getragen werden.
Viele sind beim Thema ÖPNV beteiligt
Die hohe Komplexität im Management des ÖPNV lasse die Frage über einen deutschlandweiten Verkehrsverbund nicht leicht beantworten, bemerkt Prof. Michael Ortgiese. Er ist Fachgebietsleiter für "Verkehrs- und Mobilitätsmanagement" an der TU Berlin. "Ein Verkehrsverbund hat gar nicht das volle Instrumentarium, die Struktur des Nahverkehrs zu bestimmen. Also wann soll welcher Bus wie fahren. Er hat in der Regel eine koordinierende Aufgabe." Stattdessen formulieren meist die Aufgabenträger - für den Straßenpersonennahverkehr oft die Kommunen - die Ziele und bestellen bei den Verkehrsunternehmen, die dann den Fahrplan entwerfen.
Es gelte auch, auf lokale Besonderheiten zu achten, so Ortgiese. Aktuell sind die bayerischen Verbünde nach Metropolregionen strukturiert, was Sinn ergebe: "Man muss auch auf den Aktionsraum der Verkehrsteilnehmenden achten." Wie häufig reist jemand über die Verbundgrenze hinaus?
Um das Wissen vor Ort geht es auch im Kommentar von User "andi71":
Was würde ein Zusammenschluss bewirken? "PSED" glaubt: "Bei einer Zusammenlegung kann man vor allem in der Verwaltung das Management einsparen; Kontrolleure, Zugführer oder Busfahrer jedoch nicht ..." Nutzer "liru" hingegen kommentiert: "Das ist die Zukunft, man macht immer größere Verbünde, der Verwaltungsapparat wird größer, da oben sitzen immer mehr, welche von der Praxis keine Ahnung haben und die an der Spitze bekommen größere Gehälter (...)".
Spart ein Verkehrsverbund Verwaltungskosten?
Verkehrsexperte Gather glaubt, ein großer Verkehrsverbund würde erst einmal mehr Verwaltungsaufwand bringen. Denn ein Problem bei einheitlichen Tarifen sei die Einnahmeaufteilung: "Wie stellen wir fest, wer welches Transportmittel genutzt hat?" Jeder, der an der Transportleistung beteiligt war, möchte Geld bekommen. "Je größer die Einheit ist, desto schwieriger wird das."
Ortgiese sagt: "Man braucht da, glaube ich, eine gute Balance. Weil wenn ich es zu groß mache, brauche ich dann auch wieder Unterabteilungen, die die Dinge koordinieren."
Trotzdem kann die Zusammenlegung beispielsweise von Auskunftssystemen Kosten spart. Auch ein gemeinsames Marketing kann den ÖPNV attraktiver machen.
"Ich glaube, eine deutschlandweite Behörde, die den Nahverkehr übergeordnet organisiert, wird es nie geben", so Ortgiese. "Erstens sind wir immer noch ein föderales Land. Da wird jede Landesregierung sagen: 'Nee, machen wir nicht.' Und zweitens: Die Behörde wäre dann wirklich übermäßig groß."
Ein Verbund für ganz Bayern? Wohl eher nicht
Auch wenn die schriftliche Anfrage eines SPD-Abgeordneten an die bayerische Staatsregierung (externer Link) schon vier Jahre zurückliegt, hieß es damals für die mittelfristige Planung: "Das gesamte Staatsgebiet stellt sich aufgrund seiner erheblichen Größe und dezentralen Struktur nicht als einheitlich zu betrachtender Verkehrsraum dar. Ein einheitlicher Verkehrs- und Tarifverbund kommt daher für Bayern nicht infrage."
Im Video (6.9.2024): MVV soll AVV schlucken
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