Ein Fahrkartenkontrolleur kontrolliert in einer U-Bahn den Fahrschein eines Fahrgasts. (Symbolbild)
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BR24-User diskutieren: Sollte der ÖPNV kostenlos sein? Helfen Drehkreuze gegen Schwarzfahrer? Experten liefern Antworten.

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User-Diskussion über Schwarzfahren: Kostenloser ÖPNV als Lösung?

In einem offenen Brief fordern Wissenschaftler, Haftstrafen für Schwarzfahrer abzuschaffen. BR24-User diskutieren in den Kommentarspalten über das Thema. Auch kostenloser ÖPNV wird als mögliche Lösung gesehen. Was sagen Experten zu den Vorschlägen?

Über dieses Thema berichtet: Tagesgespräch am .

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Sollte das Schwarzfahren entkriminalisiert werden? Das Thema erhitzt die Gemüter. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) möchte das Erschleichen von Leistungen von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit machen, das geht einigen Kriminologen und Wissenschaftlern allerdings nicht weit genug. Demnach solle das Schwarzfahren weder Ordnungswidrigkeit noch Straftat sein. Im Netz sorgt das Thema für Diskussionen. "Das kann so nicht funktionieren", meint etwa BR24-User "Brutus". So könne man "völlig sanktionslos" ohne Ticket in Bus oder U-Bahn steigen. Andere User wünschen sich genau das, jedoch für alle: Sie wollen einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Kostenloser ÖPNV: Kann das funktionieren?

"Einfach kostenlosen ÖPNV machen. Spart auch viele Fahrkartenautomaten und andere Kontrollkosten ein", meint etwa BR24-User "Florian_R". Eine ähnliche Meinung vertritt "eckelchen". Laut dem Nutzer solle der Nahverkehr kostenlos sein, "da wir alle ihn sowieso über Steuern und Stadtwerke finanzieren". Das für den Steuerzahler "teure Problem mit den Schwarzfahrern" hätte sich damit auch gleich erledigt.

In einigen bayerischen Städten gab oder gibt es solche Pilotprojekte wie kostenlose Busse, Bahnen oder Tarifzonen. Im Rahmen eines solchen auf drei Jahre angelegten Projekts können etwa Menschen in Erlangen seit dem 1. Januar 2024 die Busse in der Innenstadt kostenlos nutzen. Einfach einsteigen, hinsetzen und losfahren – ganz ohne Ticketkauf. Ähnliche, zeitlich begrenzte, Projekte gab es in anderen Städten wie zum Beispiel Viechtach in Niederbayern. Dort ist das Projekt inzwischen allerdings ausgelaufen. Zur Einführung im Jahr 2018 waren die Fahrgastzahlen klar angestiegen. Inzwischen habe man sich aber, auch aus finanziellen Gründen, dazu entschlossen, ein neues Tarifsystem einzuführen, erklärt Markus Jungwirth, Geschäftsleiter der Stadt Viechtach, auf BR-Nachfrage.

13 bis 14 Milliarden Euro Fahrgeldeinnahmen bundesweit

Öffentlichen Nahverkehr in ganz Bayern oder gar ganz Deutschland kostenfrei zur Verfügung zu stellen, wäre sehr kostspielig. "Ein kostenloser ÖPNV wäre ja nicht wirklich kostenlos, sondern steuerfinanziert", erklärt ein Sprecher des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Die Fahrgeldeinnahmen in Deutschland betragen pro Jahr im Durchschnitt zwischen 13 und 14 Milliarden Euro. Im Falle eines für Nutzerinnen und Nutzer kostenlosen ÖPNV müsste jemand anderes dafür aufkommen. "Das wird nicht finanzierbar sein", so der Sprecher des VDV weiter.

Könnten Drehkreuze gegen Schwarzfahrer helfen?

Eine andere Idee der BR24-Nutzer sind Drehkreuze, etwa in der U-Bahn. Weil sie fehlen, werde es Schwarzfahrern in Deutschland zu einfach gemacht. In anderen Ländern komme man ohne Fahrkarte an vielen Bahnhöfen nicht an den Barrieren vorbei, meint etwa "forst". Zwar sei es möglich darüber zu klettern, aber die Drehkreuze würden es zumindest erschweren, ohne Fahrschein etwa eine U-Bahn zu betreten, meint auch "Teufel2022". "Und deswegen frage ich mich, warum dies nicht auch in Deutschland möglich wäre", so der Nutzer weiter.

"Wir haben in Deutschland ein offenes System, damit eine schnelle und unkomplizierte Nutzung möglich ist", erklärt ein Sprecher der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH auf Anfrage von BR24. Geschlossene Systeme würden nur bei U-Bahnen oder anderen abgeschirmten Verkehrsmitteln Sinn ergeben. In Deutschland wollten die Verkehrsbetriebe keine Inseln haben, sondern Stadt und Land verbinden und möglichst auch viele ländliche Haltestellen bedienen. Der unkomplizierte Zugang ohne Barrieren und Drehkreuze diene auch dazu, gewagte Aktionen, wie etwa ein Marschieren über die Gleise, zu verhindern. Im Vordergrund stehe die Sicherheit.

VDV: Lösung "muss eine sozialstaatliche sein"

Das Fahren ohne Fahrschein ist zweifelsohne ein Problem, erklärt Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des VDV auf BR-Anfrage. Gehe man von durchschnittlichen Fahrpreisen von 2,50 Euro für die Kurzstrecke bzw. 3,20 Euro für die Einzelfahrt in deutschen Städten aus, summierten sich die Einnahmeausfälle durch Schwarzfahren bundesweit auf mindestens 750 Millionen Euro. Dieses Geld fehle den Verkehrsbetrieben etwa für Personal, Fahrzeuge und Infrastruktur. Es sei ein Irrweg, Schwarzfahren nicht mehr zu bestrafen. Die Lösung für das Problem, dass ÖPNV-Tickets für manche Menschen immer noch zu teuer seien, müsse eine sozialstaatliche sein, so Wolff weiter.

Im Video: Kostenloser ÖPNV – ist das in ganz Bayern denkbar? (18.01.24)

Fahrt in einer Würzburger Straßenbahn.
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In Erlangen ist der ÖPNV in der Innenstadt seit Anfang des Jahres kostenlos. Ist das in ganz Bayern denkbar?

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