Gesundheits- und Krankenpflegerin Rita Gaul steht im Krankenhaus vor einem Patientenbett.
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Rita Gaul hat während der Corona-Pandemie auf einer Corona-Station im Klinikum Erlangen gearbeitet.

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"Einfach nur krass": Pflegekraft erinnert sich an Corona-Beginn

"Einfach nur krass": Pflegekraft erinnert sich an Corona-Beginn

Vor genau fünf Jahren gab es den ersten Covid-Fall in Deutschland, bald darauf den ersten Patienten am Klinikum Erlangen. Für Pflegekraft Rita Gaul ging ein Ausnahmezustand los. Nach fünf Jahren blickt sie auf die extrem anstrengende Zeit zurück.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Am 27. Januar 2020 meldete das bayerische Gesundheitsministerium den ersten Corona-Fall in Deutschland. Einen Monat später verzeichnete das Universitätsklinikum Erlangen seinen ersten Patienten. Die Person befand sich in der Dermatologie, die Station wurde kurzerhand zur Corona-Station umfunktioniert.

Gesundheits- und Krankenpflegerin Rita Gaul hat sich damals um die Corona-Patienten gekümmert. Sie ist mit ihren 41 Berufsjahren eine der erfahrensten Kräfte am Klinikum. Die Pandemie hat sie dennoch aus der Fassung gebracht.

Dermatologie wurde erste Corona-Station am Uniklinikum Erlangen

"Da hinten haben sie einfach eine Wand eingezogen. Dafür kam extra das Bauamt", erinnert sich Rita Gaul. Sie steht auf einem Gang in der Dermatologie und zeigt in Richtung OP-Räume. Um die Station zu isolieren, wurde sie vor fünf Jahren regelrecht umgebaut. "Dunkel war's damals", sagt die Krankenpflegerin. Die Gänge waren voll gestellt mit Wagen voller Hygiene-Material. Und ein Patient nach dem nächsten wurde eingeliefert. Viele haben die Station nicht mehr lebend verlassen.

Gaul hat die Zeit auf der Corona-Intensivstation als absoluten Ausnahmezustand erlebt. Die Tage waren lang, die Aufgaben kaum zu bewältigen. "Besonders am Anfang kamen sehr schnell sehr viele sehr kranke Menschen", erinnert sie sich. Die meisten waren sehr alt, viele waren dement. "Die wussten gar nicht, was mit ihnen passiert und hatten große Angst." Die Pflegekräfte mussten die Menschen isolieren. Sie haben ihre Familien nicht mehr gesehen – und die Gesichter der Ärzte und Pfleger hinter den Masken auch nicht.

"Viele haben ganz viel geweint", erzielt Gaul. Oft hätten die Pflegekräfte die Menschen in den Arm genommen und getröstet. Umso schlimmer war es für Gaul, wenn die Menschen gestorben sind. "Ohne Familie, ohne Bezugsperson. Die konnten sich nicht verabschieden." Die heute 60-Jährige sagt: "Ich habe in diesem Beruf schon viel gesehen. Aber das war einfach nur krass."

Pflege bis ans Limit

Lange hat Gaul durchgehalten. Doch eines Tages sind in kurzer Zeit drei Menschen gestorben, die Gaul vorher tagelang gepflegt hatte. Sie erzählt: "Die haben mir vertraut. Und dann liegen sie plötzlich da und man muss sie in die Kühlkammer bringen." Für die Krankenpflegerin war das emotional zu viel.

Dass an einem Tag gleich mehrere Patienten sterben, "das kannten wir vorher so im Alltag in der Krankenpflege nicht", sagt Peter Schäffler, Pflegedienstleiter des Internistischen Zentrums und der Strahlenklinik des Uniklinikums Erlangen. Das habe die Pflegekräfte überfordert.

Doch viel Zeit, um das zu verarbeiten, blieb nicht. Auch Gaul streifte sich nach einer Tasse Kaffee und 30 Minuten Pause wieder den Schutzanzug über und kümmerte sich weiter um die Covid-Patienten. Nach diesen Erlebnissen kann Gaul, wenn sie heute jemanden sagen hört "Das war doch alles gar nicht so schlimm", nur den Kopf schütteln.

Massive Belastung der Pflegekräfte

Blickt Schäffler auf die Zeit zurück, sieht er die massiven Belastungen gut bewältigt: "So etwas hatten wir vorher ja noch nie. Und dafür ist das echt gut gelaufen", sagt er. Im Rückblick sei es einfach zu sagen, da hätten wir anders handeln müssen, aber: "Bei jeder Entscheidung gab es Tausende von Unbekannten."

Als sich die Covid-Lage wieder entspannte, sei die Pandemie im Leben der Menschen schnell wie weggewischt gewesen. In der Pflege habe die Zeit aber Folgen gehabt. Vor allem, weil die Pflegekräfte nie wirklich Zeit gehabt hätten, um den monatelangen Ausnahmezustand zu verarbeiten. "Danach musste es ja direkt normal weitergehen", sagt Schäffler. "Das hat eine ganz tiefe Erschöpfung hinterlassen. Und es gab keine Phase der Regeneration."

Gaul hat sich erholt. Sie arbeitet heute auf einer ruhigeren Station und achtet mehr auf sich. Sie fährt mehr Fahrrad, gönnt sich mehr Pausen. Und verbringt mehr Zeit mit der Familie. Sie sagt: "Ich bin durch die Erfahrungen gewachsen. Aber das hat gedauert."

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