Die Messerattacke von Aschaffenburg bestimmt den Wahlkampf der Parteien. Die Union will nächste Woche über zwei Anträge für eine verschärfte Migrationspolitik abstimmen lassen. Dabei geht es um dauerhafte Grenzkontrollen und eine Zurückweisung von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen, wenn sie keine gültigen Papiere haben. Durch eine AfD-kritische Formulierung in einem der beiden Anträge will die Union verhindern, dass die AfD im Bundestag ihrer Initiative zustimmt. Dass die AfD trotzdem dieses Vorhaben mit ihren Stimmen unterstützen könnte, sorgt bei SPD und Grünen für scharfe Kritik.
Scholz wirft Merz "nationale Wichtigtuerei" vor
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz "nationale Wichtigtuerei" vor. Diese führe "uns nicht weiter, wir müssen die europäische Politik ändern", sagte Scholz dem "Handelsblatt". Irreguläre Migration lasse sich nicht mit markigen Sprüchen beschränken, sondern nur durch einen besseren Schutz der europäischen Außengrenzen und Kooperation innerhalb der EU. "Was der CDU-Chef vorschlägt, steht im Widerspruch zu unserer Verfassung, dem Grundgesetz und den europäischen Verträgen", kritisierte Scholz. Merz' Plan sei zum Scheitern verurteilt. Den bisherigen Kurs der Bundesregierung in der Migrationspolitik verteidigte Scholz. Er habe weitreichenden Gesetzesverschärfungen durchgesetzt.
Auch SPD-Co-Chef Lars Klingbeil sparte nicht mit Kritik. Merz werfe "die bisherigen Prinzipien der Union gegenüber der AfD über den Haufen, spaltet die demokratische Mitte unseres Landes und stößt unsere europäischen Partner vor den Kopf", sagte er der "Rheinischen Post". Seine Kollegin Saskia Esken sprach von einem "Erpressungsversuch": Der CDU-Chef verfahre "nach dem Motto 'wenn Ihr nicht mitzieht, gehe ich den Pakt mit der AfD ein'", sagte sie der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".
Habeck: "Das wäre das Ende des Rechtsstaats"
Nichts an dem Vorstoß der Union sei harmlos, betonte Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen. Es zeige, wie sehr die Dinge in Europa schon ins Rutschen geraten seien. Inhaltlich warf er Merz vor, die deutschen Grenzen dichtmachen zu wollen. "Das ist das Gegenteil von Europe United, das ist Germany First." Im Tagesschau-Interview fügte Habeck hinzu: "Die Anträge sind in Teilen europarechtswidrig oder verfassungswidrig, und man kann nicht sehenden Auges das Recht brechen, um danach das Recht zu ändern. Das wäre das Ende des Rechtsstaats."
Linke: Unionsantrag "zutiefst unchristlich"
Linken-Chef Jan van Aken bezeichnete den Unionsantrag als "zutiefst unchristlich". "Er bricht europäisches Recht und ist eine Gefahr für die Freiheit in unserem Land", sagte er den Funke-Zeitungen. Die Linken-Abgeordneten im Bundestag würden "selbstverständlich mit einem klaren Nein" votieren. Merz stehe "für die Öffnung der Union nach ganz rechtsaußen".
Zustimmung von BSW und FDP
Doch es gibt nicht nur Kritik an den Plänen von CDU-Chef Merz. Die Ex-Linke und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht signalisierte Zustimmung, betonte aber auch: "Die Merz-Anträge sind teilweise bloße Symbolik und werden das Problem nicht lösen."
Auch die FDP begrüßte die vorgelegten Pläne. Fraktionschef Christian Dürr forderte am Sonntag darüber hinaus weitere Verschärfungen. "Die Länder, die ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen, dürfen keine Entwicklungshilfe mehr bekommen", sagte der den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Etwaige Zustimmung der AfD ist Merz egal
Der Kritik, dass seine Pläne europarechtswidrig seien, widersprach CDU-Chef Merz am Sonntag. Nationales Rechte habe Vorrang vor EU-Recht, "wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist", erklärte er und verwies auf "all die Mordtaten der letzten Jahre" durch Ausländer. Dies rechtfertige den nationalen Alleingang.
Und Merz betonte: "Mit der AfD haben und wollen wir keine Mehrheit". Auch im Entwurfstext für den Antrag, der kommende Woche im Bundestag eingereicht werden soll, ist eine deutliche Abgrenzung von der AfD enthalten – offenbar um eine Zustimmung der Rechtspopulisten im Parlament zu verhindern.
Merz sagte am Sonntagabend im ZDF: "Wir machen in der Unionsfraktion das, was wir in der Sache für richtig halten. Und wenn die AfD zustimmt, dann stimmt sie zu. Wenn sie nicht zustimmt, soll sie es bleiben lassen." Und weiter: "Es wird nicht deshalb falsch, weil es die Falschen für richtig halten. Ich mache das, was wir in der Sache für notwendig und für angezeigt halten in dieser für uns außergewöhnlich schwierigen Situation in Deutschland."
Chrupalla wirft Merz "Diffamierung" vor
Die AfD reagierte empört. Parteichef Tino Chrupalla sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Diffamierungen politischer Gegner in Anträgen des Deutschen Bundestages entsprechen nicht den guten parlamentarischen Standards." Die Unionsfraktion stelle sich vielmehr "gegen die Interessen von mehr als 20 Prozent der Wähler".
Der erste parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, kritisierte den Antrag der Union scharf. So wie der Antrag jetzt formuliert sei, könne die AfD nicht zustimmen, sagte er im "Sonntags-Stammtisch" im BR Fernsehen. Ob die AfD dem Antrag tatsächlich nicht zustimmt, ließ der AfD-Politiker aber noch offen: Das müsse sich die Fraktion "noch überlegen", so Baumann.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
IM VIDEO: Britta Haßelmann (Grüne): Merz-Pläne verfassungswidrig
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!