Bezirkskrankenhaus Straubing
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Entkommene Straftäter: Details zur Flucht aus dem BKH Straubing

Die am Samstag aus dem Bezirkskrankenhaus in Straubing entkommenen Straftäter konnten bisher nicht gefasst werden. Mittlerweile ist ein internationaler Haftbefehl gegen die Flüchtigen erlassen worden. Zudem gibt es Details zum Ablauf der Flucht.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Niederbayern am .

Die vier aus dem Bezirkskrankenhaus in Straubing entkommenen Straftäter sind noch immer nicht gefasst. Mittlerweile gibt es einen internationalen Haftbefehl gegen die Männer. Das hat eine Polizeisprecherin dem BR mitgeteilt.

Klinik-Mitarbeiter bedroht und verletzt

Diese Details zum Fluchthergang sind bekannt: Die Männer waren auf der Station für Krisenintervention untergebracht. Mindestens drei von ihnen sollen schon vorher auffällig geworden sein. Bei ihnen soll ein Therapieabbruch angeregt worden sein.

Auf dieser Station hatten die Straftäter am Samstagabend um kurz nach 21 Uhr einen Mitarbeiter in ihre Gewalt gebracht und damit gedroht, ihn umzubringen. Dabei waren sie mit einem spitzen Gegenstand bewaffnet. Sie verletzten den Mitarbeiter im Gesicht.

Wie sie an den spitzen Gegenstand kamen, wollen die Behörden unter Verschluss halten. Aufgrund der Bedrohungslage entschloss sich das Sicherheitspersonal, mehrere Sicherheitsschleusen zu öffnen - so konnten die Männer entkommen.

Hinweise aus Bevölkerung: Straftäter nicht mehr in Bayern?

Der Maßregelvollzug im Straubinger Bezirkskrankenhaus ist mit mehreren Sicherheitstüren und -toren abgeschlossen. Die Schleusenmitarbeiter sitzen hinter Glas und sind alarmgesichert. Amtshilfe durch die Polizei ist möglich. Zudem gibt es einen äußeren Sicherungsring, bestehend aus Zäunen und Mauern.

Der verletzte Mitarbeiter wurde in einem anderen Straubinger Krankenhaus stationär behandelt, konnte mittlerweile aber wieder entlassen werden. Mittlerweile gibt es zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung. Einige deuten darauf hin, dass die Straftäter sich nicht mehr in Straubing und möglicherweise auch schon außerhalb Bayerns befinden könnten. Die Ermittlungen konzentrieren sich jetzt auf das soziale Umfeld der Männer.

Männer wegen Drogendelikten und Diebstahls in Einrichtung

Das Bezirkskrankenhaus Straubing ist eine geschlossene Fachklinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie und erfüllt den gesetzlichen Auftrag des Maßregelvollzuges unter der Trägerschaft des Bezirks Niederbayern. Dort werden psychisch kranke und suchtkranke Straftäter behandelt. Es gibt insgesamt 230 Therapieplätze.

Ein Polizeisprecher teilte mit, dass zwei der geflüchteten Männer wegen Drogendelikten, die anderen beiden wegen Diebstahls in der Einrichtung untergebracht waren. Für alle vier sei ein Entzug angeordnet worden.

Im Maßregelvollzug sind Menschen untergebracht, die aufgrund von Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit - etwa wegen einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtkrankheit - nicht in den Strafvollzug und somit nicht in ein Gefängnis kommen.

Landtags-SPD fordert Untersuchung

Die Landtags-SPD kritisiert unterdessen die Staatsregierung und bemängelt die Ausstattung im Maßregelvollzug. 2019 habe die damalige Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) verkündet, angesichts geplanter Umstrukturierungen im Straubinger BKH, "die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung besonders zu berücksichtigen", so Horst Arnold, SPD-Sprecher für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen. Vor diesem Hintergrund sei die Flucht der vier Straftäter ein Desaster für die Staatsregierung. Die Alarmierungssysteme zwischen Maßregelvollzug und Polizei seien offenkundig mangelhaft. Die Partei fordert eine gründliche Untersuchung des Vorfalls und eine langfristige Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen im Maßregelvollzug.

Experte: Hohe Sicherheitsstandards in forensischen Kliniken

Nach Einordnung des Forensikers Kolja Schiltz von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München gibt es in forensischen Kliniken ähnliche Sicherheitsvorkehrungen wie in Gefängnissen. Schiltz sagte im BR Fernsehen, gerade in der forensischen Abteilung des Bezirkskrankenhauses in Straubing seien seines Wissens sehr hohe Sicherheitsstandards vorgegeben.

Schiltz zufolge handelten die Männer mit hoher krimineller Energie. "Das hätte auch in jedem hochgesicherten Gefängnis so passieren können. Geiselnahmen sind etwas, gegen das man nicht mit Mauern ankommen kann." Mit schärferen Regeln und Sicherheitsmaßnahmen, wie sie die Politik angekündigt habe, werde man solche Vorfälle nicht verhindern können, so der LMU-Wissenschaftler.

Obwohl die vier Männer vergleichsweise geringe Delikte, nämlich Eigentumsdelikte und Betäubungsmitteldelikte, begangen hatten, sei die Gefährdungseinschätzung der Polizei richtig gewesen, so Schiltz. "Wenn jemand mit solch hoher krimineller Energie seine Flucht erpresst durch eine Geiselnahme, dann ist er auch bereit, anderen Menschen Schaden zuzufügen."

Zweite Flucht in Niederbayern

Erst vergangene Woche war ein Insasse des Bezirkskrankenhauses Mainkofen im Landkreis Deggendorf geflohen - allerdings während eines begleiteten Freigangs. Der Mann entkam seinen Begleitern während eines Kinobesuchs in Plattling und wurde knapp acht Stunden später von der Polizei gefasst und in die Klinik zurückgebracht.

Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Hinweise, dass die Flucht der vier Insassen mit dem Vorfall in Plattling im Zusammenhang stehen könnte, so eine Sprecherin der Polizei.

Im Video: BR-Korrespondent Christian Riedl zum Ausbruch in Straubing

BR-Korrespondent Christian Riedl zum Ausbruch in Straubing
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BR-Korrespondent Christian Riedl zum Ausbruch in Straubing

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