Das erste Bürgerwindrad Bayerns - also ein Windrad, das mit finanzieller Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern errichtet wurde - drehte sich in Sellanger bei Selbitz im Landkreis Hof. Die Kreisgruppe Hof des Bund Naturschutz nahm es 1996 in Betrieb. Nun wird es Anfang April von einer Spezialfirma abgebaut, erklärte Wolfgang Degelmann, Geschäftsführer des Bund Naturschutz (BN) in Hof, auf BR-Anfrage. Das Deutsche Museum wolle damit in der neuen Dauerausstellung die Vorreiterrolle der rund 100 Bürgerinnen und Bürgern aus der Region Hof für die Windkraft vor 30 Jahren dokumentieren. "Inzwischen ist Hof mit 113 Anlagen der windkraftstärkste Landkreis im Freistaat, bayernweit sind es über 1.000", so Degelmann.
Windkraft in Bürgerhand dank Habeck wieder im Aufwind
Derzeit haben Windräder in Bürgerhand auch bayernweit wieder Konjunktur. Die von der CSU 2014 eingeführte so genannte bayerische "10H"-Sonderregel für den Mindestabstand von Windrädern zu Siedlungen hatte den Windkraftausbau in Bayern zwischenzeitlich fast zum Erliegen gebracht. Das ändert sich jedoch derzeit wieder. Das "Wind-an-Land-Gesetz" des scheidenden grünen Bundesumweltministers Robert Habeck habe die 10h-Regel ausgehebelt und der Windkraft in Bayern einen neuen Schub gegeben, berichtet Markus Käser, Vorsitzender des Verbands Bürgerenergie Bayern. Bayern sei das Land der Bürgerenergie, betont er stolz: "Wir haben mit Abstand die meisten Genossenschaften in Deutschland und sind im Prinzip der stabile Faktor der Energiewende und auch der Treiber der Energiewende." Wenn vom Staat und großen Unternehmen zu wenig Initiative komme, schöben engagierte Bürger an, betont er.
Genossenschaften und Stadtwerke in Bayern setzen inzwischen wieder viele Windenergieprojekte um. Anders als früher, wo sich Genossenschaften wegen der bayerischen Windkraftblockade teils zur Untätigkeit verdammt sahen, gebe es inzwischen sogar tendenziell mehr Betätigungsmöglichkeiten als Kapital, so Käser.
Traumteam: Stadtwerk und Genossenschaft gemeinsam
Als ideal bezeichnet er Modelle, in denen Stadt- oder Gemeindewerke mit Bürgerenergiegenossenschaften zusammengehen. Kommunen oder kommunale Unternehmen hätten Zugang zu billigen Krediten, eine Genossenschaft könne echte Bürgerbeteiligung und Eigenkapital beisteuern. Insgesamt beteiligen im Freistaat laut Genossenschaftsverband Bayern über 340 Energiegenossenschaften Bürger und Anwohner an der Energiewende. Ein Teil der älteren Genossenschaften beschränkt sich laut Käser inzwischen darauf, bereits realisierte Projekte zu verwalten, viele andere seien aber auch im Neubau aktiv.
Obwohl inzwischen auch internationale Energiekonzerne Windkraftprojekte in Bayern vorantreiben, können sich Kommunalunternehmen und Energiegenossenschaften laut Käser meist durchaus auf dem Markt behaupten, weil sie durch ihre örtlichen Verbindungen oft einen Informationsvorsprung haben. Trotzdem würde ein gesetzlich geregelter Vortritt für Kommunen bei Windkraftprojekten auf dem eigenen Gebiet der Wertschöpfung in örtlicher Hand noch mehr Rückenwind geben, schlägt Bürgerenergie Bayern vor.
Pioniere in Hof haben bewiesen, dass es sich lohnt
Die Pioniere in Hof fühlen sich unterdessen stolz als wichtige Geburtshelfer der bayerischen Windkraft. "Wir haben regelmäßig Daten aus dem Betrieb ans Wirtschaftsministerium übermittelt und so den Nachweis erbracht, dass man auch in Bayern Windenergie wirtschaftlich erzeugen kann. Vor 30 Jahren gab es kaum Daten", sagt der Wolfgang Degelmann vom BN in Hof. Der Freistaat steuerte einen Zuschuss von 100.000 DM bei. Die Gesamtkosten des ersten Bürgerwindrads lagen bei 1,35 Millionen DM. Die Bürger zahlten Einlagen zwischen 1.000 und 20.000 DM, insgesamt kam man so auf ein Eigenkapital von 350.000 DM. Dazu nahm der Bund Naturschutz noch einen Kredit über 900.000 DM auf.
Bald Exponat im Deutschen Museum
Das Bürgerwindrad aus Oberfranken wird in der neuen Energie-Dauerausstellung im Deutschen Museum zu sehen sein, die nach dem Umbau des Hauses voraussichtlich 2028 eröffnet wird. Gezeigt werden sollen die Gondel und ein verkürzter Teil des insgesamt 50 Meter hohen Spannbeton-Turms, samt der Rotorblätter des historischen Windrads.
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