Als eine Schande für die Stadt und Lachnummer bezeichnen Menschen in Marktheidenfeld bei einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks die Situation rund um das Erlebnisbad Wonnemar. An eine zeitnahe Wiedereröffnung wollte keiner der Befragten glauben. Und damit lagen sie zumindest vorerst richtig: Der Betreiber hatte für Donnerstag die Wiedereröffnung von Schwimm- und Saunabereich angekündigt. Doch die Eröffnung des Schwimmbereichs wurde ein weiteres Mal verhindert – dieses Mal vom Gesundheitsamt Main-Spessart. Laut Landratsamt sei "keine unbedenkliche Nutzung der Schwimmbecken möglich".
Chronik der Ereignisse
Ein Blick hinter die Kulissen lässt erahnen, dass die verworrene Lage nicht so schnell gelöst sein wird. 2012 baut die Stadt Marktheidenfeld gemeinsam mit Interspa das Wonnemar. Die Interspa-Gruppe ist ein Konzern mit Sitz in Stuttgart, der auf Bäder spezialisiert ist. Der Vertragsdeal mit der Besitzgesellschaft: Interspa betreibt das Bad für 30 Jahre und bekommt das sogenannte Erbbaurecht. Damit darf Interspa Gebäude auf dem Grundstück errichten, ohne dass das Grundstück dem Unternehmen gehört. Das Grundstück der Stadt ist also nur gepachtet. Die Stadt zahlt genau so lang das Darlehen, jährlich etwa 840.000 Euro. Als Betreiber setzt Interspa seine Betriebsgesellschaft ein.
Interspa meldet Insolvenz an
Über die Jahre kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten, was die Übernahme diverser Kosten betrifft. Zum Zerwürfnis kommt es dann während der Pandemie: Im September 2020 meldet Interspa Insolvenz an und kündigt im Januar 2021 sowohl alle Beschäftigten als auch die Versorgerverträge. Um Schäden am Bad zu vermeiden, gründet die Stadt Marktheidenfeld selbst eine Bädergesellschaft, die den Notbetrieb übernimmt.
Stadt Marktheidenfeld will das Wonnemar zurück
Während dieses Notbetriebes wird ein jahrelanger Betrug aufgedeckt: von 2013 bis 2020 soll der Betreiber illegal Wasser an der Wasseruhr vorbeigepumpt haben. Der Schaden für die Stadt soll sich auf 80.000 Euro belaufen, das Amtsgericht verurteilt Interspa zu einer Geldstrafe von 9.000 Euro.
In der Folge fordert die Stadt den sogenannten "Heimfall" des Wonnemars. Die Stadt Marktheidenfeld will das Schwimmbad also zurück, das auf städtischem Grund steht. Laut dem Gesetz zum Erbbaurecht ist das möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen eintreten. Die Stadt argumentiert damit, dass Interspa den vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkomme.
Neuer Betreiber kündigt Eröffnung an
Im Februar 2021 verkauft Interspa mehrere ihrer Bäder in Deutschland, darunter auch das Wonnemar in Marktheidenfeld an die neu gegründete Aim Spa Deutschland GmbH aus Passau. Aim Spa übernimmt den Betrieb in Marktheidenfeld und tauscht über Nacht die Schlösser aus, sodass die Bädergesellschaft der Stadt Marktheidenfeld keinen Zutritt mehr hat. Die Stadt erklärt zum zweiten und dritten Mal den "Heimfall", fordert 150.000 Euro von Interspa für die Kosten des Notbetriebes und zieht vor ein Schiedsgericht. Währenddessen kündigt Aim Spa im Frühjahr 2022 die baldige Wiedereröffnung des Bades an, was nicht passiert.
Schiedsgericht urteilt zugunsten der Stadt
Im Juli 2022 schreibt der Verein Deutsche Institution für Schiedsgerichtbarkeit das Wonnemar der Stadt zu. Der Insolvenzverwalter von Interspa erklärt den Schiedsspruch für nichtig. Vor dem Landgericht Würzburg geht es im Februar 2023 in einer Güterverhandlung darum, dass der Betreiber unter anderem die Leitungen im Bad keimfrei hält. Dabei bietet der Insolvenzverwalter der Stadt das Wonnemar für sieben Millionen Euro zum Kauf an. Die Stadt lehnt wegen inakzeptabler Konditionen ab. Sie erhält das Recht auf regelmäßige Kontrollgänge im Bad.
Marktheidenfeld erhält Erbbaurecht zurück, das Bad aber nicht
Die Stadt Marktheidenfeld zieht vor das Oberste Landesgericht in München, das im Dezember 2023 die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches bestätigt. Der Insolvenzverwalter der Interspa Besitzgesellschaft überschreibt der Stadt das Erbbaurecht, die Schlüssel zum Wonnemar bekommt die Stadt aber nicht.
Der Grund: Ein Pachtvertrag aus dem Jahr 2012 habe die Interspa-Betriebsgesellschaft zur Besitzerin gemacht, die mittlerweile unter dem neuen Namen 0815 Men & Sta GmbH auftritt. Die bisher erstrittenen Urteile seien demnach hinfällig gegen den neuen Besitzer.
Stadt sieht Betreiber zu Unrecht im Bad
Die Stadt sieht das anders. Bürgermeister Thomas Stamm (parteilos) sagt im BR24 Interview: "Der Pachtvertrag zwischen der Interspa Besitz- und Betriebsgesellschaft ist aus unserer Sicht gekündigt und deswegen ist die 0815 Men & Sta GmbH zu Unrecht im Bad." Um das Wonnemar endgültig zurückzubekommen, klagt die Stadt gegen den Betreiber Ende Juni vor dem Landgericht Würzburg. Es geht um die Vollstreckbarkeit und die Herausgabe des Bades.
Betreiber kündigt Wiedereröffnung an
Obwohl der Prozess vor der Tür steht, hatte der Betreiber die Eröffnung des Wonnemars für Donnerstag angekündigt. In einem schriftlichen Statement von Interspa an die BR24 Redaktion, heißt es dass "ein guter siebenstelliger Betrag investiert wurde, um das Bad entsprechend instand zu halten und betriebsbereit zu halten. Dies würde man nicht machen, wenn die finanziellen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Aktuell wächst die Interspa Gruppe stark und hat in den letzten zwei Jahren neue Standorte eröffnet. Weitere Neueröffnungen werden folgen." Doch das Gesundheitsamt macht dem Betreiber kurz vor dem Eröffnungstermin einen Strich durch die Rechnung.
Gesundheitsamt verhindert Wiedereröffnung
Das Gesundheitsamt verhindert vorerst die Wiedereröffnung des Schwimmbereichs. Grund seien laut Mitteilung der "Interspa"-Gruppe Unstimmigkeiten bei der Betrachtung einiger Messwerte. Deshalb müssen alle Werte erneut im Labor gemessen werden, erläutert Alexander Happold, der "Centermanager" des Wonnemars in Marktheidenfeld. Diese Untersuchungen sollen zehn Tage dauern.
Ein Sprecher des Landratsamtes Main-Spessart bestätigt auf Anfrage, dass "keine unbedenkliche Nutzung der Schwimmbecken möglich" sei. Das habe die Auswertung der Warmwasserproben ergeben. "Die Proben brauchen ein unbedenkliches Ergebnis, damit eine Nutzung der Becken unter Ausschluss einer Gesundheitsgefährdung gewährleistet ist", sagt Markus Rill von der Pressestelle des Landratsamtes Main-Spessart.
Alexander Happold und sein Team wollen auf Nachfrage von BR "alles dafür tun", dass der Saunabereich am 6. Juni um 10 Uhr trotzdem planmäßig öffnen kann.
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