Rund 300 Menschen haben am Mittwochabend im Rahmen einer Veranstaltung der Grünen in Hirschaid im Landkreis Bamberg protestiert. Die Proteste sollen so heftig gewesen sein, dass anwesende Parteimitglieder "extreme Angst" hatten und die Veranstaltung aufgrund von Sicherheitsbedenken abgebrochen haben. Die Politiker wünschen sich nun ein klares Zeichen von anderen demokratischen Parteien, dem Bauernverband und der Polizei.
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Wegen Protesten: Grüne müssen Versammlung abbrechen
Am Mittwochabend fand die Jahreshauptversammlung des Kreisverbands der Grünen Bamberg-Land in Hirschaid statt. Begleitet wurde die Veranstaltung von Protesten. Die Polizei spricht auf Anfrage von BR24 von rund 300 Personen, die sich mit 60 Traktoren vor Ort versammelt hatten. Dabei sollen immer wieder Menschen versucht haben, die Veranstaltung zu stören. Laut Polizei setzten die Protestierenden Trillerpfeifen und Hupen ein, es wurde gegen Fensterscheiben des Gemeindegebäudes geklopft sowie ein Feuerwerkskörper gezündet.
Die anwesenden Parteimitglieder haben sich aus Sicherheitsgründen dazu entschieden, die Veranstaltung vorzeitig abzubrechen. Das erklärte der Kreisvorsitzende im Landkreis Bamberg, Tim-Luca Rosenheimer, im Gespräch mit BR24. Die Stimmung sei bedrohlich und einschüchternd gewesen.
"Für mich war der Abend eine heftige Erfahrung. Viele Parteikollegen haben sich nicht sicher gefühlt und hatten extreme Angst." Tim-Luca Rosenheimer
"Unter Polizeischutz durch die Menge der Protestierenden"
"Als wir das Gemeindehaus verließen, sind wir unter Polizeischutz durch die Menge der Protestierenden, die uns mit Beleidigungen angeschrien haben", sagte der Kreisvorsitzende. Unter den rund 300 Anwesenden habe der Grünen-Politiker neben Landwirten auch Protestierende aus dem Querdenker-Milieu erkannt, die bereits bei Demos der Gruppierung "Stay awake" vor Ort gewesen sein sollen. Die Bamberger Vereinigung verfolge unter anderem das Ziel, die Corona-Politik in Deutschland zu beenden.
Rosenheimer habe im Laufe des Abends zudem mehrere Notrufe abgesetzt, weil die Polizei bei der unangemeldeten Demonstration seiner Ansicht nach mit zu wenig Einsatzkräften vor Ort gewesen sei. Die Polizei verneint das. Sie sei von Beginn an vor Ort gewesen und habe bereits beim ersten Eintreffen und Hinzukommen von weiteren Traktoren ihre Einsatzkräfte verstärkt, teilte die Polizei am Donnerstag mit.
Polizei: Einsatzkräfte deeskalieren und unterbinden Störaktionen
Die Polizei prüft nun mögliche versammlungsrechtliche beziehungsweise strafrechtliche Verstöße durch Teilnehmer der Protestaktion gegen die Grünen in Hirschaid. Bei der Aktion habe es sich um eine Spontanversammlung von rund 300 Personen mit 60 Traktoren gehandelt, für die keine Anmeldung vorgelegen habe, heißt es in der Mitteilung. Im Verlauf der Protestkundgebung hätten die Protestteilnehmer mit Scheinwerfern in den Veranstaltungsraum geleuchtet und auch gefilmt. In dem Gebäude hatte der Kreisverband Bamberg-Land seine Jahreshauptversammlung abgehalten. Auch sei mit Klopfen an den Fenstern und mit Sirenen die Versammlung nach Polizeiangaben gestört worden. Die Störaktionen hätten jedoch "durch Einschreiten und deeskalierendes Auftreten der Einsatzkräfte unterbunden" werden können, so die Polizei. Verunsichert durch die lautstarken Rufe und Störungen seien die Teilnehmer der Jahreshauptversammlung gegen 21.30 Uhr "in Kleingruppen durch Polizeikräfte zu ihren Fahrzeugen begleitet" worden.
Von Hirschaid nach Buttenheim - Zwölf Anzeigen wegen Nötigung
Nach Polizeiangaben befanden sich unter den Protestteilnehmern neben Landwirten offenbar auch andere Personen. "Über deren genaue Zusammensetzung oder politische Zuordnung liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor", heißt es. Einige Teilnehmer trafen sich laut Polizei später, gegen 22.45 Uhr, in Buttenheim. Dort hätten sie mit sieben Traktoren und vier Autos die Zufahrt zum Zentrallager einer Verbrauchermarktkette blockiert. Zwölf Personen werden deshalb wegen des Verdachts der Nötigung angezeigt, so die Polizei.
Im Video: In Hirschaid ist eine Versammlung der Grünen gestört worden
Kemmern: Wirt sagte Grünen ab
Ursprünglich hatte die Kreisgruppe der Grünen Bamberg-Land ihre Jahreshauptversammlung in einem Gasthof in Kemmern abhalten wollen. Der Wirt sagte allerdings ab. Nach Angaben von Rosenheimer hatten Landwirte und Lieferanten der Brauerei im Vorfeld Stimmung gegen das Treffen gemacht. Offenbar so sehr, dass der Wirt sich gezwungen sah, einen Rückzieher zu machen und seine Räume nicht für das Grünen-Treffen zur Verfügung zu stellen.
"Ich finde es erschreckend, dass unsere Jahreshauptversammlung, die ehrenamtlich organisiert wurde, abgesagt wurde, weil einem Wirt so viele Proteste von Bauern herangetragen wurden", so Rosenheimer kurz nach der Absage im Gespräch mit BR24. Parteiarbeit sei für die Demokratie sehr wichtig. Dass die Veranstaltung blockiert wurde, sei alarmierend. Seitens der Staatsanwaltschaft Bamberg wurde in der Sache allerdings kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ein Vorprüfungsvorgang habe keinen Anfangsverdacht für Straftaten gegeben, so die Staatsanwaltschaft Bamberg am Donnerstag auf Anfrage von BR24.
Veranstaltungen wie die Jahreshauptversammlung des Grünen-Kreisverbands Bamberg-Land seien ehrenamtlich organisiert, heißt es aus der Partei. Für die Beteiligten sei es ein immenser Mehraufwand, sich dabei zusätzlich um Sicherheitsvorkehrungen kümmern zu müssen. Bereits vor einigen Wochen hatte es bei einer Veranstaltung der Partei im oberfränkischen Helmbrechts massive Proteste gegeben. Teilnehmer berichteten von einer Drohkulisse. Auch in Weiden sei es am Aschermittwoch zu Blockaden gekommen. Die Abgeordnete Laura Weber und weitere Gäste seien widerrechtlich am Betreten des Veranstaltungs-Lokals gehindert worden. Die Polizei ermittelt.
Grünen-Abgeordnete Lisa Badum: Keine Einzelfälle mehr
Angesichts der wiederholten Vorfälle fordert Bundestagsabgeordnete Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen) im Gespräch mit BR24 ein Signal aller demokratischen Parteien und des Bauernverbands. "Es geht nicht, dass eine Partei daran gehindert wird, Versammlungen abzuhalten und dass Parteimitglieder eingeschüchtert werden", so die Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Bamberg. Bei diesen Vorfällen handele es sich nicht mehr nur um Einzelfälle, unterstrich Badum. Die Polizei müsse sich deshalb besser auf solche Aktionen vorbereiten.
Badum selbst war am Aschermittwoch in Tiefenellern im Landkreis Bamberg zu einer Veranstaltung der Grünen im Ellertal geladen. Auch dort gab es Proteste von Bauern. Diese verliefen an dem Abend allerdings friedlich: Mehrere Grüne, unter anderem Badum selbst und die Landtagsabgeordnete Ursula Sowa suchten auf dem Hof der Brauereigaststätte den Dialog mit den protestierenden Landwirten und Handwerkern.
BBV verurteilt Störaktionen in Hirschaid
Der Bezirksverband Oberfranken des Bayerischen Bauernverbands (BBV) hat die Störaktionen gegen die Versammlung der Grünen in Hirschaid verurteilt. Die demonstrierenden Bauern seien sicher nicht aus ihren Reihen gewesen, sagte der Pressesprecher des oberfränkischen BBV, Torsten Gunselmann, im Gespräch mit BR24. Mit solchen Aktionen tue man der Bauernschaft keinen Gefallen, betonte Gunselmann. Dies sei nicht der Stil der Organisation. Kundgebungen des Bayerischen Bauernverbands seien angemeldet und genehmigt.
Markt Hirschaid verurteilt "Drohkulisse"
Nach den unangemeldeten Protesten am Rande der Jahreshauptversammlung (JHV) des Kreisverbands der Grünen Bamberg-Land verurteilte auch der Markt Hirschaid die Vorfälle in einer Stellungnahme. Darin erklärt der Erste Bürgermeister Klaus Homann (CSU) am Freitag, dass es nicht sein dürfe, dass "Mitglieder einer auf dem Boden der Verfassung stehenden Partei eingeschüchtert würden, wenn sie sich zu einer turnusmäßigen Versammlung treffen". Diese als Drohkulisse wahrgenommene Situation habe nichts mit einer an Inhalten orientierten Diskussion zu tun.
Der Artikel wurde ursprünglich am Donnerstag (22.02.24) veröffentlicht. Am Freitag ist der Text um eine Stellungnahme des Markts Hirschaid ergänzt worden.
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