Das Wort "unregierbar" geistert etwas voreilig durch Sachsen und Thüringen. Trotz aller Unkenrufe gibt es Aussichten auf Regierungsmehrheiten in den beiden Landtagen. Wie wackelig die gegebenenfalls sind, wird sich erweisen. Fest steht jetzt schon: Die Palette der Koalitionsmöglichkeiten ist nicht allzu bunt.
Das liegt unter anderem daran, dass ausgerechnet die laut Infratest-Umfrage stärkste (Thüringen) oder knapp zweitstärkste Partei (Sachsen) – nämlich die in beiden Ländern vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD – aus dem Koalitionspoker von vornherein ausscheidet. Vorausgesetzt, alle anderen relevanten Parteien halten sich an ihre Ansage, nicht mit den Blauen zu regieren.
Wobei "alle anderen" ohnehin mit einer Einschränkung verbunden ist: Die Ampel-Parteien Grüne und SPD haben den Einzug in die Landtage keineswegs sicher und fielen in diesem Fall ebenfalls als Koalitionsoption aus. Von der FDP, die gegen die 1-Prozent-Marke gedrückt werden könnte, ganz zu schweigen.
Im Video: BR-Korrespondenten zur Landtagswahl in Sachsen und in Thüringen
Sachsen: Nur noch AfD, CDU und BSW im Landtag?
Sollten SPD und Grüne an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, hätten sie in Sachsen immerhin die Chance, über zwei gewonnene Wahlkreise in den Landtag einziehen. Sollte auch das nicht gelingen, wäre die SPD zum ersten Mal seit 1949, dem Gründungsjahr der Bundesrepublik, nicht in allen Länderparlamenten vertreten.
Und Sachsen könnte den Trend eines immer weiter aufgefächerten Parteiensystems auf den Kopf stellen, allerdings mit ungewohnten Playern. Völlig ausgeschlossen ist es nicht, dass nach der Wahl nur noch drei Parteien im Landtag sitzen: AfD, CDU und BSW. Das wäre im sächsischen Parlament das Ende nicht nur der Linken (die ebenfalls an der Hürde knabbert) als Partei, sondern auch als politische Richtung.
Im Sog von Solingen
Ob der Messeranschlag in Solingen mutmaßlich eines islamistischen Immigranten den rechten Parteien einen weiteren Auftrieb gibt, ist unklar. Die einwanderungsfeindliche AfD könnte am meisten profitieren, aber genauso die CDU mit ihrem Markenkern innere Sicherheit.
Auch das BSW unter Sahra Wagenknecht nahm von vornherein eine migrationskritische Position ein und versuchte zuletzt ebenfalls, in der Debatte um Einwanderung, Asyl und Abschiebung zu punkten. Sollte Solingen diese drei Parteien pushen, wäre in Sachsen ein Landtag nur mit AfD, CDU und BSW wahrscheinlicher.
BSW: Newcomer als Königsmacher?
Mit dem BSW eröffnet sich immerhin eine Koalitionsoption, mit der noch vor einem halben Jahr kaum jemand gerechnet hatte. Die CDU in beiden Bundesländern steht einem Regierungsbündnis mit dem Newcomer aufgeschlossen gegenüber, mokierte sich zuletzt jedoch über das forsche Auftreten der russlandfreundlichen Parteichefin Sahra Wagenknecht.
Wagenknecht will mitregieren, verlangt aber, einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine in eine Koalitionsvereinbarung aufzunehmen – nicht gerade eine landespolitische Forderung. Sachsen oder Thüringen entscheiden in der Sache allenfalls indirekt mit. Insofern sitzt der Pflock, den Wagenknecht eingerammt hat, recht locker.
Thüringen schwarz-aubergine (mit etwas rot)?
In Sachsen könnte eine Koalition mit dem BSW der CDU mit Ministerpräsident Michael Kretschmer helfen, die ungeliebte schwarze Ampel (mit SPD und Grünen) auszuknipsen, auch wenn sie unter Umständen rein rechnerisch weitermachen könnte. In Thüringen wiederum kann – blickt man auf die jüngste Infratest-Umfrage – ein CDU/BSW-Bündnis eventuell ohne Mehrheit bleiben.
In diesem Fall wäre eine Dreierkoalition zusammen mit der SPD denkbar. Oder eine Minderheitsregierung? Die populäre BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf will zwar nicht mit der AfD regieren, sich aber einer Zustimmung zu Gesetzentwürfen der AfD nicht verschließen. Bedeutet diese Offenheit auch die Bereitschaft, sich in einer Minderheitsregierung von Fall zu Fall die Mehrheiten bei der AfD zu holen?
Sicher ist in Thüringen nur: Die von Bodo Ramelow (Die Linke) geführte Minderheitsregierung mit SPD und Grünen ist Geschichte. Ramelows Partei hat – trotz der 13 Prozent in der letzten Infratest-Umfrage – praktisch keine Chance aufs Mitregieren: Sowohl CDU als auch BSW schließen ein Bündnis mit der Linken aus.
Im Video: Wahllokale in Thüringen und Sachsen geöffnet
Im Audio: Das politische Berlin schaut auf die Landtagswahlen
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