Mit schwerem Gerät wurde die Deichöffnung nördlich von Mönchpfiffel-Nikolausrieth an der Landesgrenze Sachsen-Anhalt und Thüringen wieder verschlossen.
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Die Europäische Union gibt Fördergelder für den Bau von Hochwasserschutzmaßnahmen in Bayern. (Symbolbild)

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#Faktenfuchs: So viel zahlt die EU für Bayerns Hochwasserschutz

Nach der Hochwasserkatastrophe geht das Rechnen und Diskutieren los: Wie viel wurde in Bayern für Hochwasserschutz ausgegeben? Und ist das genug? Auch die EU fördert bayerische Projekte. Der #Faktenfuchs hat recherchiert, wie hoch die Zahlen sind.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Darum geht's:

  • Die EU fördert mit verschiedenen Programmen Hochwasserschutzprojekte in Bayern.
  • Im Zeitraum 2007 bis 2027 kommen so insgesamt mindestens 206 Millionen Euro EU-Fördergelder für 100 einzelne Projekte zusammen.
  • Die Gelder wurden entweder schon investiert oder sind eingeplant.

Nach dem Hochwasser in Bayern Anfang Juni haben viele Menschen immer noch mit Aufräumen und Neu-Einrichten zu tun. Auch die Politik beschäftigt sich weiterhin mit der Katastrophe und ihren Folgen. Es wird zum Beispiel diskutiert, ob im Freistaat genügend investiert wurde in den Hochwasserschutz. Es geht aber nicht nur um die Gelder der bayerischen Steuerzahler, sondern auch um einen anderen Geldgeber.

Die Investitionen in den Hochwasserschutz waren auch Thema im Europawahlkampf. In der BR-Wahlarena sagte CSU-Politiker Manfred Weber zu den Hochwasserschutzprojekten in Bayern: "Übrigens, Europa finanziert da einen ganzen großen Teil mit. Die Gelder, die wir da in der Donau investieren, kommen zu einem bestimmten Teil auch aus europäischen Töpfen, da ist also Solidarität da."

Eine BR24-Userin wollte es genauer wissen und fragte den #Faktenfuchs per Mail: "Wissen Sie, wie viel von dem Geld, das Bayern in den Hochwasserschutz steckt, eigentlich EU-Mittel sind?"

Freistaat, Kommunen und die EU teilen sich Kosten

Für den Zeitraum 2007 bis 2027 sind mindestens 206 Millionen Euro an EU-Fördergeldern für den Hochwasserschutz in Bayern bereits geflossen oder schon eingeplant. Aufgeteilt ist die Summe auf mindestens 100 abgeschlossene oder geplante Projekte. Der Freistaat Bayern und die bayerischen Kommunen zahlen bei Projekten, die durch die EU gefördert werden, insgesamt 218 Millionen Euro dazu. Zu dieser gemeinsamen Finanzierung später im Artikel mehr. Gebaut wurden Dinge wie Deiche in Deggendorf oder ein Wasserschöpfwerk in Passau.

Zum Vergleich: Bayern alleine investiert nach eigenen Angaben seit 2018 jährlich mehr als 200 Millionen in den Bau und Unterhalt von Hochwasserschutz. Der Anteil des Freistaates an den EU-geförderten-Projekten ist bei den Mitteln für "Hochwasserschutz" im bayerischen Landeshaushalt mit eingeschlossen. Die bayerischen Zahlen hat der #Faktenfuchs in diesem Artikel recherchiert.

EU zahlt über Förderfonds für Projekte in Bayern

Die EU zahlt vor allem im Rahmen der sogenannten Kohäsionspolitik beim Hochwasserschutz mit. Kohäsionspolitik bedeutet, dass Ungleichheiten innerhalb der EU abgebaut werden sollen. Dafür fördert die EU mit dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) Projekte in Regionen, die strukturelle Nachteile haben.

Auch Klima- und Umweltschutz werden aus dem EFRE gefördert. Die Förderperioden des EFRE sind deckungsgleich mit denen des EU-Haushalts. In diesem Artikel geht es um die Förderperioden 2007 bis 2013, 2014 bis 2020 und 2021 bis 2027. Zu Beginn jeder Förderperiode gibt es einen Plan, wie viel Geld für was ausgegeben wird. Seit 2014 gibt es im EFRE-Plan für Bayern sogar einen eigenen Förderbereich "Hochwasserschutz".

REACT-EU: Reaktion auf die Corona-Pandemie

Ein zweiter Fonds, aus dem Hochwasser-Gelder aus dem EU-Haushalt nach Bayern flossen, nennt sich REACT-EU. Das steht für "Recovery Assistance for Cohesion and the Territories of Europe" (Aufbauhilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas). Die EU hatte diesen Fonds - unter dem Dach des EFRE - für die Jahre 2021 bis 2023 aufgelegt, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Covid-Pandemie abzumildern.

"Der EFRE (und REACT-EU im EFRE-Rahmen) decken sicherlich die größten Infrastruktur-Förderungen im Hochwasserbereich ab", schreibt ein Sprecher der EU-Kommission auf #Faktenfuchs-Anfrage. Unter den geförderten Projekten sind zum Beispiel Deichsanierungen, Neubauten von Deichen, der Bau von Ableitungskanälen oder Sanierungen von Flussrinnen innerorts.

Über 150 Millionen Euro von der EU seit 2007

Allerdings bezahlt die EU über diese beiden Fonds nicht die gesamten Kosten der einzelnen Maßnahmen. Ein Projekt wird immer kofinanziert, die EU zahlt also nur einen bestimmten Prozentsatz der Kosten. Für den EFRE und die beiden Förderperioden von 2007 bis 2020 waren das 50 Prozent der Kosten je Projekt.

Das heißt, die restlichen 50 Prozent mussten vom Freistaat und den jeweiligen Kommunen bezahlt werden. "Es ist aber durchaus üblich, dass Projekte noch stärker aus anderen Töpfen finanziert werden, dass also nur ein Teil der Gesamtkosten über den EFRE und die verpflichtende Kofinanzierung abgedeckt wird", schreibt ein Sprecher der EU-Kommission dem #Faktenfuchs. Bei REACT-EU war der EU-Anteil an den Projekten deutlich höher.

Im Zeitraum 2007 bis 2023 wurden mindestens 78 Maßnahmen für den Hochwasserschutz über den EFRE und REACT-EU gefördert. 153,1 Millionen Euro der Gesamtkosten waren EU-Fördergelder. Der Freistaat Bayern zahlte 105,8 Millionen Euro, die beteiligten Kommunen 35,7 Millionen Euro.

Der #Faktenfuchs hat beim zuständigen bayerischen Umweltministerium nach einer genauen Auflistung aller geförderten Projekte und der jeweiligen Kostenverteilung angefragt. Das Ministerium lieferte auf mehrmalige Nachfrage keine Liste. Man sei derzeit noch zu stark mit den Folgen des Hochwassers beschäftigt, hieß es aus dem Ministerium. Für die beiden Förderperioden von 2007 bis 2020 lieferte die EU-Kommission eine Auflistung der geförderten Projekte, allerdings ohne genaue Kostenaufteilung.

Bis 2027 gibt es nochmal 51 Millionen Euro von der EU

Für die EFRE-Förderperiode 2021 bis 2027 sind 19 Hochwasserschutzmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 128,3 Millionen Euro geplant. Davon trägt die EU 51,3 Millionen Euro, die restlichen 77 Millionen bezahlen der Freistaat und die Kommunen. In der laufenden EFRE-Förderperiode werden nämlich höchstens 40 Prozent der Gesamtkosten von der EU gefördert.

Die Aufteilung der 77 Millionen zwischen Freistaat und Kommunen ist aber noch nicht klar, da die Projekte alle noch laufen. "Bisher wurden 3,7 Millionen Euro an EU-Mitteln abgerufen", schreibt das bayerische Umweltministerium auf #Faktenfuchs-Anfrage.

Zusammenarbeit mit Österreich und Fluthilfe

Es gibt noch eine andere, kleinere Förderung seitens der EU. Über ein Programm namens "Interreg", das ebenfalls unter dem Dach des EFRE läuft, wurden grenzüberschreitende Projekte in Bayern und Österreich gefördert. Drei österreichische Gemeinden und die Gemeinde Neuhaus (Landkreis Passau) bauten zum Beispiel ein gemeinsames Katastrophenschutzlager auf österreichischem Gebiet, in dem Sandsäcke eingelagert sind.

Das bayerische Wirtschaftsministerium gibt auf #Faktenfuchs-Anfrage drei solche Interreg-Projekte für den Zeitraum 2014 bis 2020 an, für die zwei Millionen Euro an EU-Geldern geflossen sind. Um frühere Interreg-Projekte vor 2014 vollständig zu recherchieren, fehlten die Kapazitäten, so das Ministerium. Für den Zeitraum bis 2027 seien derzeit keine Interreg-Projekte zum Hochwasserschutz geplant, es seien aber Einreichungen möglich.

Wenn man die Zahlen aus EFRE, REACT-EU und Interreg addiert, kommt man auf die zu Beginn genannten mindestens 206 Millionen Euro an EU-Fördermitteln von 2007 bis 2027 für mindestens 100 Projekte. Weil die Staatsregierung für 2007-2014 keine Auskunft zu Interreg-Projekten gab, könnte die Summe aber noch höher sein.

Andere Programme, die die EU-Kommission auf #Faktenfuchs-Anfrage nennt, betreffen die Hilfe nach einer Katastrophe und nicht den Schutz davor. Dazu gehören zum Beispiel die Einsätze von Helfern aus anderen EU-Ländern während einer Notlage, was dieses Jahr nicht angefordert wurde. Ein anderes Beispiel ist der sogenannte Solidaritätsfonds der EU. Er dient dazu, Regionen nach Naturkatastrophen zu unterstützen. Nach der Flut im Mai/Juni 2016 wurden etwa 31,5 Millionen Euro nach Niederbayern ausgezahlt. Für die Flut 2024 sind bisher noch keine Pläne für Zahlungen aus dem Solidaritätsfonds bekannt.

Fazit

Die EU hat seit 2007 über verschiedene Förderprogramme mindestens 155 Millionen Euro für Hochwasserschutz-Projekte in Bayern bezahlt. Bis 2027 kommen noch einmal mindestens 51 Millionen Euro hinzu.

Insgesamt ergibt das mindestens 206 Millionen Euro, aufgeteilt auf mindestens 100 einzelne Projekte. Es gibt noch andere Programme, mit denen die EU, nachdem Hochwasserkatastrophen vorkamen, in Bayern geholfen hat.

Unsere Quellen

Hier listen wir die Quellen auf, die wir für die Recherche verwendet haben. Neben den im Artikel verlinkten Quellen wurden im Zuge der Recherche weitere verwendet.

Presseanfragen

Presseanfrage beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung

Presseanfrage beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

Presseanfrage beim Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie

Presseanfrage bei der Europäischen Kommission

Veröffentlichungen

Europäische Kommission: "Empfängerstaaten der EU-Solidaritätsfondsinterventionen seit 2002 - nur Naturkatastrophen."

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie: "EU-Regionalförderung in Bayern: 'Ergebnisse des Programms ‘Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung’."

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie: "Operationelles Programm des EFRE im Ziel ‘Investitionen in Wachstum und Beschäftigung’. Bayern 2014 – 2020 (Version 9.0) mit REACT-EU."

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie: "Operationelles Programm des EFRE im Ziel ‘Investitionen in Beschäftigung und Wachstum’. Bayern 2021 – 2027."

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