Einer Angeklagten mit seinem Anwalt.
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Einer der Angeklagten im Mordprozess um die verschwundene Alexandra R. aus Nürnberg mit seinem Anwalt.

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Fall Alexandra R.: Gericht lehnt Gutachter wegen Befangenheit ab

Der Mordprozess um die verschwundene Alexandra R. biegt langsam auf die Zielgerade ein. Das Gericht hat alle seine Zeugen gehört und überrascht: Es lehnt einen zentralen Gutachter der Anklage als befangen ab.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Das kommt für viele Prozessbeobachter überraschend: Die 19. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth lehnt einen wichtigen Sachverständigen im Mordprozess um die verschwundene Alexandra R. ab. Prof. Friedrich Wilhelm Rösing hatte ein sogenanntes anthropologisches Gutachten erstellt – ein zentraler Punkt in der Anklage. Dabei geht es darum, eine Person anhand von typischen Merkmalen zu identifizieren, wie beispielsweise an der Form von Nase und Ohren. Ende Mai hatte er das Gutachten vorgelegt. Mehr als 3.500 solcher Gutachten habe er schon erstellt, sagte er damals.

Helle Flecken – oder doch ein Ohr?

Die Ausgangslage war schwierig. Das gab der Experte bei seiner Aussage zu. Die Bilder stammten von Überwachungskameras im Schwabacher Ortsteil Limbach. Sie hatten zufällig aufgezeichnet, wie ein Auto vorbeifuhr, das den beiden Angeklagten zugeschrieben wird. Auf Standbildern, die auch im Gerichtssaal vorgeführt wurden, waren lediglich hellere und dunklere Flecken zu sehen. Der Experte sagte aus, dass er zunächst nichts erkannt habe. Erst als ihm ein Polizist sagte, dass auf dem Video-Standbild durchaus ein Gesicht zu sehen sei, wollte Prof. Rösing doch Merkmale erkannt haben. Anhand derer glaubte er, einen der Angeklagten identifizieren zu können.

Weitere Gutachterin soll Bilder analysieren

Das lässt nach den Worten des Vorsitzenden Richters Zweifel an Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen aufkommen. Deshalb lehnt das Gericht ihn und sein Gutachten ab. Doch ganz will das Gericht nicht auf ein anthropologisches Gutachten verzichten. Der Vorsitzende Richter hat mit einer weiteren Expertin Kontakt aufgenommen. Sie bewertet die Qualität der Bilder auf den ersten Blick zwar als schwierig. Voraussichtlich in der kommenden Woche soll sie trotzdem vor Gericht ein Gutachten ablegen.

Aus Sicht der Strafkammer ist die Beweisaufnahme abgeschlossen. Das Gericht hat alle Zeugen gehört, die es geladen hatte. Die Verteidigung stellt jedoch mehrere Beweisanträge und fordert weitere Gutachten ein. Sie will damit zentrale Punkte der Anklage widerlegen.

Was können tierische Spürnasen leisten?

Dabei geht es beispielsweise um den Einsatz von Suchhunden der Polizei. Sie sollen Spuren der beiden Angeklagten und von der vermissten Alexandra R. in Autos erschnüffelt haben. Außerdem sollen sie die Fährten der Angeklagten in einem Waldstück bei Oberhasling in Oberbayern in der Nähe der Autobahnausfahrt Irschenberg aufgenommen haben. Die zentrale Frage dabei ist, wie zuverlässig Hunde Geruchsspuren von Personen finden und anzeigen können. Denn die Hundeeinsätze fanden erst Wochen und Monate nach der vermeintlichen Tat am 9. Dezember 2022 statt. Die Verteidigung fordert ein Gutachten, ob Hunde nach so langer Zeit noch brauchbare Spuren finden können.

Hingen Haare am Umzugskarton?

Die Verteidiger der beiden Angeklagten bringen zudem eine andere Möglichkeit ins Spiel, wie Haare der Vermissten ins Auto und in eine Lagerhalle gekommen sein könnten. Mit dem Auto seien Möbelstücke und Kisten mit Habseligkeiten von Alexandra R. in die Halle transportiert worden. Das soll die erneute Befragung von Zeugen belegen. Deshalb sei es nicht auszuschließen, dass auf diesem Weg auch Haare von Alexandra R. in die Halle gelangt sein könnten.

Die Ermittler hatten an einem Besen aus der Lagerhalle Haare von Alexandra R. gefunden. In dieser Lagerhalle soll nach Ansicht der Staatswirtschaft die damals hochschwangere Frau festgehalten worden und anschließend von den beiden Angeklagten getötet worden sein. Von der Leiche der Frau, die bei ihrem Verschwinden 39 Jahre alt und hochschwanger war, fehlt bislang jede Spur.

Die Verteidigung hat bis Montag, 1. Juli 2024, weitere Beweisanträge angekündigt. Die Staatsanwaltschaft lehnt die bisherigen Anträge der Verteidigung ab.

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