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Flächenverbrauch: Warum scheitert Bayern an seinen Zielen?

Flächenverbrauch: Warum scheitert Bayern an seinen Zielen?

Das selbst gesteckte Ziel der Staatsregierung, weniger Flächen zu verbrauchen, rückt angesichts neuester Daten in weite Ferne. Die Ursachen sind vielfältig. Die fränkische Kommune Neusitz zeigt, dass es auch anders geht.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Manuel Döhler ist ein Kommunalpolitiker, der es gern anschaulich mag. Wenn er von seiner Gemeinde spricht, müssen ein Donut und ein Krapfen für Vergleiche herhalten. Von Donuts hält der parteilose Bürgermeister von Neusitz im Landkreis Ansbach wenig – von Krapfen dafür umso mehr. Damit meint er keinesfalls seine Vorlieben beim Einkauf in der örtlichen Bäckerei. Döhler spricht über die 2.000-Seelen-Gemeinde: Die solle nicht nach außen wachsen, wie ein Donut eben. Die Mitte leer, außen herum Neubaugebiete.

Flächenverbrauch: Niveau in Bayern seit Jahren hoch

Nein: Neusitz soll ein Krapfen bleiben. Ein Ort "mit belebter Mitte", der sich nicht immer weiter in die Landschaft frisst. Um zu beweisen, dass genau das funktionieren kann, führt Döhler durch den Ortsteil Schweinsdorf. Hier haben die verantwortlichen Kommunalpolitiker in den letzten Jahren geschafft, was sich auch die Staatsregierung zum Ziel gesetzt hat: weniger Flächen verbrauchen.

Bis zum Jahr 2030 sollen es nur mehr fünf Hektar pro Tag sein. Keine leichte Aufgabe, denn im Jahr 2022 sind in Bayern täglich 12,2 Hektar verbraucht worden. 2021 waren es noch 10,3 Hektar, wobei diese nicht automatisch versiegelt werden – auch ein Garten ist "verbrauchte Fläche". Insgesamt bleibt der Flächenverbrauch seit Jahren auf einem vergleichbaren Niveau.

Wohnungsbau größter Treiber des Flächenverbrauchs

Bayernweit ist der Wohnungsbau der größte Treiber für den Flächenverbrauch, mehr als 40 Prozent der neu in Anspruch genommenen Flächen gehen auf das Konto von Wohngebäuden. Auch in Neusitz ist das Interesse an Bauland groß, sagt Bürgermeister Döhler.

Rothenburg ob der Tauber und die A7 seien nah. Dennoch hat die Gemeinde unter Döhlers Vorgänger vor 20 Jahren beschlossen, in Schweinsdorf keine neuen Baugebiete auszuweisen. Stattdessen wurden Baulücken genutzt und ein "Leuchtturmprojekt" umgesetzt.

"Leuchtturmprojekt" Dorfwirtschaft

Die Gemeinde hat die leerstehende Dorfwirtschaft im Ortsteil Schweinsdorf gekauft und renoviert, neun Sozialwohnungen hineingebaut und die dazugehörige Scheune in ein Dorfgemeinschaftshaus umfunktioniert. Danach haben 20 Schweinsdorfer ihre Gebäude umgenutzt, modernisiert oder saniert.

Als Nächstes wollen die Schweinsdorfer direkt an der Kirche einen Dorfplatz anlegen. In der alten denkmalgeschützten Pfarrscheune wird die Gemeinde Wohnraum schaffen und daneben ist dann noch Platz für drei Bauplätze. Was einfach und naheliegend klingt, war für die Kommunalpolitik eine große Herausforderung, berichtet Döhler.

Neben einem archäologischen Gutachten seien Gutachten zu Verkehrs- und Lärmschutz sowie ein Bebauungsplan nötig gewesen. Ein Jahr sei ins Land gegangen, bis alles zusammengetragen war.

Neubaugebiet auszuweisen ist einfacher

Ein großes Neubaugebiet auf der grünen Wiese auszuweisen, wäre viel billiger, einfacher und es ginge schneller, so Bürgermeister Manuel Döhler. In den Augen der Landmanagement-Expertin Martina Klärle ist dies das entscheidende Problem.

Die Professorin und Vermessungsingenieurin spricht von einem Fehler im System. Wer im Ort baue, müsse viel zu viele einbinden. Für Verwaltung und auch Banken sei das unattraktiv und kompliziert: "Die Anreize sind teilweise zu wenige. Aber es werden zu viele Steine in den Weg gelegt."

Sie empfiehlt, Gesetze zu vereinfachen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Außerdem appelliert sie, Grauzonen mutig auszunutzen. Ohnehin sei im Moment vieles eine Frage der Motivation der Verantwortlichen vor Ort.

Gemeindetag fordert mehr

Der bayerische Gemeindetag fordert hingegen gezielte Lenkungsmaßnahmen, um ein Ausufern von Kommunen zu verhindern. Konkret bringt der Gemeindetag eine Extra-Grundsteuer für innerörtliche Grundstücke, die jahrelang nicht bebaut werden, ins Gespräch. Warum sie nicht bebaut werden? Weil sie erst als Bauplatz für die Kinder aufgehoben werden, dann für die Enkel und die Urenkel – oder einfach Spekulationsobjekt sind.

Auch Bürgermeister Manuel Döhler ist für die sogenannte Grundsteuer C: "Wenn jemand Flächen auf Kosten der Allgemeinheit zurückhalten will, dann wäre es aus unserer Sicht richtig, wenn er einen kleinen Beitrag leistet. Und wenn der Leidensdruck irgendwann mal so hoch ist, und er das bebaut, wäre es toll und wenn er es veräußert und jemand anders was baut, wäre es auch toll", sagt Döhler.

Gegenwind aus dem Ministerium

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) lehnt die Grundsteuer C ab. Im Interview sagt Aiwanger: "Wir hatten die Grundsteuer C schon mal in den 60er-Jahren. Die wurde nach zwei Jahren wieder abgeschafft, weil es dazu geführt hat, dass die nicht so finanzkräftigen Grundbesitzer verkaufen mussten. Und die Spekulanten haben diese Baulücken aufgekauft und haben trotzdem nicht gebaut. Also ist die Steuer in meinen Augen nicht das richtige Werkzeug, um hier wirklich was im großen Stil zu bewegen."

Aiwanger spricht sich allerdings auch gegen eine verbindliche Obergrenze beim Flächenverbrauch aus. Diese fordern der Bund Naturschutz und die Grünen in Bayern. Geht es nach Aiwanger, würde es die Wirtschaft abwürgen, wenn man "mit Gewalt" Flächenverbrauch verhindern wollte.

Motivation statt Zwang

Flächenmanagement-Expertin Martina Klärle hält Erklären, Überzeugen, Bewusstsein schaffen für die beste Methode. Doch wenn man sehe, dass das nicht ausreichend funktioniere, dann brauche man Vorgaben.

Immerhin will Bayern jedes Jahr 70.000 Wohnungen bauen und gleichzeitig den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf fünf Hektar pro Tag reduzieren. Da wird es vermutlich nicht ausreichen, so weiterzumachen wie bisher. Denn der Trend geht hin zum "Donut". Neusitz mit seinem Ortsteil Schweinsdorf ist derzeit noch eine Ausnahme, kein bayerisches Durchschnittsdorf.

Mehr über die fränkische Kommune und ihren komplizierten Weg zum "Krapfen", hören Sie in der Sendung Funkstreifzug um 12:17 Uhr im Radioprogramm von BR24. Als Podcast finden Sie den Funkstreifzug einmal wöchentlich in der ARD-Audiothek.

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