Klaus Stadler ist begeisterter Hochsee-Segler. Als der Unternehmensberater aus Nürnberg vor einigen Jahren in den Ruhestand ging, packte er noch einmal richtig an. In den Jahren 2017 und 2018 war der heute 72-Jährige im Mittelmeer Kapitän auf der "Sea Eye". Mit dem umgebauten Fischkutter brachte er geflüchtete Menschen in Sicherheit. Diese Mission ist vorbei. Doch er hat längst eine neue. Er will das inzwischen ausgemusterte Rettungs-Schiff in seine Heimatstadt holen – als Lern- und Gedenkort zu Flucht und Migration. Dazu hat Stadler die Initiative "Ein Schiff für Nürnberg" gegründet.
Rund 12.000 Menschen hat die Hilfsorganisation "Sea Eye" bisher aus dem Mittelmeer gerettet. Mit seiner Initiative "Ein Schiff für Nürnberg" will Stadler eine breite Diskussion über Flucht und Migration und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Debatten anregen. "Ich bin davon überzeugt, dass sich dann Positionen ändern, Vorurteile vielleicht korrigieren und sich Perspektiven ändern, wenn man Wissen dazu in einer geeigneten und verantwortlichen Art und Weise verbreitet." Und dabei soll die "Sea Eye" helfen.
Experten diskutieren über Gedenk-Konzept
Wie aus dem Rettungs-Schiff ein Gedenk- und Lernschiff werden könnten, darum ging es in der vergangenen Woche auf einer Konferenz in Nürnberg. Bei dem Fachkolloquium Flucht, Migration und Menschenrechte wurde im Caritas-Pirckheimer-Haus über mögliche Konzepte gesprochen. Als Stadt des Friedens und der Menschenrechte gibt es in Nürnberg eine Reihe von Gedenkorten, die sich allerdings vor allem mit Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit beschäftigen – zum Beispiel das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände oder das Memorium Nürnberger Prozesse.
Das Gedenk-Schiff soll den Blick in die Aktualität richten, sagt Professor Markus Krajewski vom Center for Human Rights der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. "Der Gedenkort sollte die menschenrechtlichen Fragen beim Thema Flucht und Migration in den Mittelpunkt stellen." Ihm geht es darum, zu zeigen, welche Menschenrechte verletzt werden und was konkret dagegen getan werden kann. Ein Aspekt könnte auch sein, zu zeigen "was das macht das mit uns, wenn Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten ihre Menschrechte nicht einklagen können".
Vom Fischkutter zum Rettungsschiff
Die "Sea Eye" ist ein umgebauter Fischkutter, der 1959 vom Stapel lief und lange Zeit in der Fischereiflotte der DDR im Einsatz war. 2014 hat die Initiative "Sea Eye" das 26 Meter lange und sieben Meter breite Schiff gekauft und für die Rettungseinsätze im Mittelmeer umgebaut. Im Jahr 2018 hat das Schiff seine Rettungs-Mission erfüllt. Nun liegt es in Hamburg in einem Trockendock. Stadler will die "Sea Eye" nach Nürnberg bringen.
"Das Schiff wird irritieren, wenn das hier steht. Und Irritation löst gemeinhin Neugierde aus", sagt er. Und genau diese Neugierde soll nach seinem Plan dazu führen, dass die Menschen einen Schritt weiter gehen in einen der Ausstellungs- und Veranstaltungsräume. "Wenn das passiert, dann glaube ich, kann das Projekt gelingen", sagt Stadler. Geplant ist, die "Sea Eye" mitten in Nürnberg aufzustellen.
Suche nach einem passenden Standort
Ein möglicher Standort wäre der Hiroshimaplatz direkt gegenüber des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an der Frankenstraße im Nürnberger Süden. Neben dem Schiff, das in einem Trockendock stehen würde, sollen Container aufgestellt werden. Hier wäre dann Platz für Ausstellungen und Seminare. Stadler braucht eine Fläche von rund 1.000 Quadratmetern. Eine Zusage hat er allerdings weder für diese noch für andere Flächen in der Stadt. Die Suche nach dem möglichen Standort läuft also noch.
Auf rund eine Million Euro schätzt Stadler die Investition für den Transport des Schiffes und den Aufbau des Lernorts. "Das ist finanzierbar", sagt er. Eine gemeinnützige GmbH hat er bereits gegründet. Für die Finanzierung des Betriebs ist er mit der Stadt Nürnberg im Gespräch. Das sei gut investiertes Geld, meint jedenfalls "Sea-Eye"-Gründer Michael Buschheuer, der ebenfalls zum Fachkolloquium nach Nürnberg gekommen ist. "Das Schiff soll die Diskussion über Migration befeuern und den Populismus, mit dem sie geführt wird, herausnehmen", sagt er. "Wir müssen den Dialog direkt und miteinander führen."
Stadt Nürnberg prüft und wartet noch ab
Die Debatte über das Schiff für Nürnberg hat gerade erst begonnen. Die Stadt prüfe, ob Kooperationen oder eine finanzielle Unterstützung möglich seien, heißt es aus dem Rathaus. Doch die städtische Finanzlage ist angespannt und es gibt viele andere Menschenrechts-Projekte, die mit dem Gedenk-Schiff in Konkurrenz stehen. Ob das Schiff also wirklich kommen wird, ist derzeit noch völlig offen.
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