Die Hardstraße im Westen der Stadt Fürth: Hinter einem Bretterzaun erstreckt sich eine grüne Insel inmitten der dichten Siedlung. Auf dem Grundstück am Hang sind alte Bäume und ein verlassenes Haus zu sehen. Solche Flächen seien wichtig für das Stadtklima, sagt Reinhard Scheuerlein. Er ist Vorsitzender des Bund Naturschutz in Fürth. Grünflächen wie diese "kühlen und bringen für alle Bewohner im Umkreis einen Nutzen." Doch die natürliche Klimaanlage in der Hardstraße ist bedroht.
Deshalb steht Reinhard Scheuerlein am Zaun. Auf dem Gelände sollen neue Wohnungen entstehen. Der Park soll fast komplett zugebaut werden, befürchtet Scheuerlein. Trotz der Wohnungsnot fordert er eine Planung mit Augenmaß: "Wir schließen eine Bebauung nicht völlig aus. Aber mit den bisher angedachte 170 Wohneinheiten befürchten wir, dass hier von dem Grün so gut wie nichts übrigbleibt."
Eigener Reitplatz für Pferdefreund Roth
Der Park ist mit mehr als 20.000 Quadratmetern größer als drei Fußballfelder und öffentlich nicht zugänglich. Abgeschottet von der Außenwelt haben hier die Gründer des Norma-Konzerns gelebt. Manfred und Anneliese Roth haben mit dem Discounter ein Millionen-Vermögen gemacht. Aus Angst vor einer Entführung schotteten sie sich zu Lebzeiten auf dem großen Grundstück ab, auf dem sich unter anderem ein eigener Reitplatz befindet. Seit Jahren wohnt dort niemand mehr. Das Gelände gehört einer Stiftung, die es für einen einstelligen Millionenbetrag an die Stadt Fürth verkauft hat.
Millionen für gute Zwecke
"Eigentümerin ist die Anneliese-Roth-Stiftung. Die möchte Geld. Und zwar nicht, weil sie kapitalistisch veranlagt ist, sondern einfach, um Gutes tun zu können", erklärt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD). Die Stadt Fürth braucht Wohnraum. Auf dem Areal hätten vier- bis fünfgeschossige Häuser mit 170 bis 200 neuen Wohnungen Platz, so Jung. Hauptsächlich sind Senioren- und Sozialwohnungen geplant. "Der Familie Roth war es immer wichtig, bedürftigen Menschen zu helfen", sagt Jung.
Denkmalgeschütze Villa wird für alle zugänglich
Sicherlich werde Grün verschwinden, sagt der OB. Bei den Planungen müsse jedoch ein Kompromiss gefunden werden, um so viele Bäume wie möglich zu erhalten. Aber es gebe in der Umgebung andere Grünflächen, betont Jung. Deshalb sei die Bebauung des Parks gerechtfertigt – zumal die Stadt die Villa als Denkmal erhalten will. "Sie soll zu einem kulturellen Zentrum entwickelt werden. Herr Roth hat selbst dort immer musiziert", so Jung.
Ein Baudenkmal von hohem Rang
Das imposante Haus aus dem Jahr 1931 ist ein Baudenkmal für den Stil der Neuen Sachlichkeit, eines der wenigen für diese Epoche in ganz Bayern: weiß, schnörkellos, zwei Geschosse mit Flachdach und hohen Fenstern – inspiriert von den Ideen des Bauhauses. Gebaut hat die Villa der jüdische Architekt Fritz Landauer für den Fürther Bankier Hirschmann. Die Familie Roth hat dort nie gewohnt. Die Millionäre lebten im bescheidenen, sogenannten "Gesindehaus" unterhalb der Villa am Rand des Parks. Nur zum Klavierspielen sei Manfred Roth in die Bankiers-Villa gekommen.
Im Haus wurde wenig verändert. Es finden sich viele ursprüngliche Details, was die Denkmalschützer freut. OB Jung hat den Plan, dass hier künftig Konzerte, Ausstellungen und Lesungen stattfinden. "Das wird eine kulturelle Bereicherung für den Fürther Westen." Damit die Villa als Baudenkmal auch wirke, "werden wir außenherum eine schöne Grünfläche erhalten".
Architekturwettbewerb soll mehr Klarheit bringen
Den Bund Naturschutz überzeugt das nicht. Gerade in Zeiten des Klimawandels seien zusammenhängende Grünflächen mitten in der Stadt wichtig, sagt Reinhard Scheuerlein. "Wir wollen, dass wesentliche Teile der Grünbestände erhalten bleiben – nicht nur die denkmalgeschützte Villa."
Ein städtebaulicher Wettbewerb soll zeigen, was möglich ist. Er soll im Frühjahr 2025 ausgerufen werden. Ende 2025 könnten dann die Planungen beginnen und in frühestens drei bis vier Jahren die Bagger rollen. Es sei denn, es kommt zu Klagen.
- Zum Artikel: Immer weniger neue Wohnungen für immer mehr Geld
Dieser Artikel ist erstmals am 31. Juli 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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