Ob Strullendorf, Kist, Egglkofen oder Konradsreuth – zwischen Januar und Juli hat das Landeskriminalamt Bayern bereits 16 Geldautomatensprengungen gezählt. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres gab es neun Geldautomatensprengungen.
Verpflichtende Präventionsmaßnahmen in den Niederlanden führten dazu, dass sich die holländischen Banden auf Deutschland konzentrieren. Im Nachbarland werden Einfärbe- und Verklumpungssysteme von Geldscheinen bei Sprengung eingesetzt und der Zugang zu Bankfilialen ist in der Nacht gesperrt. Der Bund und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sprechen sich gegen solche gesetzlichen Vorgaben aus. Sie setzen auf Freiwilligkeit der Banken.
Bankraub 2.0: Geldautomatensprengungen
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und in der Schweiz wird eine zunehmende Anzahl an Geldautomatensprengungen gemeldet. Die Täter gehen dabei immer nach dem gleichen Muster vor: Sie kommen in der Nacht mit einem PS-starken Fahrzeug und geklauten Nummernschildern.
Zuvor wurde die entsprechende Filiale ausgekundschaftet. Dann blockieren sie die Zugangstüre der Sparkasse oder Bank mit einem Gegenstand. Ein Kabel wird nach außen gezogen und anschließend die Sprengung mithilfe eines Blitz-Knall- und Festsprengstoffs durchgeführt.
Täter gehen immer brutaler vor
Eine weitere Methode: den Sprengsatz einfach in den Geldausgabeschlitz einführen und zünden. Anschließend werden die Geldkassetten eingesammelt und die Flucht in die Niederlande angetreten.
Dabei werden die Täter werden immer brutaler und rücksichtsloser. Bei Geldautomaten in bewohnten Häusern riskieren sie Menschenleben, genauso wie bei ihren spektakulären Fluchtfahrten. Wie extrem die Banden mittlerweile vorgehen, zeigt die Statistik: Der verursachte Schaden der Sprengung ist oft rund zehnmal so hoch wie die Summe des erbeuteten Geldes.
Härtere Strafen für Täter geplant
Nun haben vergangene Woche das Bundesinnen- und das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt, der härtere Strafen für Geldautomaten-Sprenger vorsieht. Künftig sollen die Taten mit Freiheitsstrafen von mindestens zwei Jahren, unter bestimmten Voraussetzungen sogar von mindestens fünf und bis zu 15 Jahren geahndet werden können.
Bayerns Innenminister Herrmann für mehr Grenzkontrollen
Lange schon diskutieren die Innenminister der Länder, ob Banken freiwillig oder gesetzlich verpflichtend Sicherungsmaßnahmen vornehmen sollen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) möchte für die Bürger den Zugang zu Bargeld rund um die Uhr nicht einschränken. Er will den Banken die Sicherung überlassen und setzt darauf, dass Banken freiwillig Sicherungssysteme einsetzen.
Nach Ansicht des bayerischen Innenministers könnten solche Taten durch Kontrollen an der deutsch-niederländischen Grenze eingedämmt werden, erklärt Herrmann im BR-Interview: "Und deshalb muss mit den Niederlanden darüber geredet werden, inwieweit hier nicht Grenzkontrollen verstärkt werden oder auch die Schleierfahndung intensiver betrieben wird."
Dem Bund der Kriminalbeamten ist das zu wenig. Jürgen Schneider vom Landesverband Bayern sieht in einer generellen Nachtsperre beim Zutritt in Filialen den richtigen Weg. Für die Polizeibeamten würde das bedeuten, dass die Aushebelung der Tür für die Täter ein Zeitaufwand sei und damit frühzeitig ein Alarm ausgelöst werde. Das wiederum verschaffe den Einsatzkräften mehr Zeit, um die Flucht der Geldautomatensprenger zu stoppen.
Farbpatronen wie in den Niederlanden?
Bereits im November 2022 wurde vom Bundsinnenministerium an einem Runden Tisch über eine Gesetzesinitiative diskutiert. So zum Beispiel, ob ein Geldentwertungssystem eingesetzt werden soll, dass die Geldscheine bei einer Explosion verklebt oder einfärbt. In den Niederlanden werden solche Farbpatronen schon lange eingesetzt. In Deutschland, so schreibt das Bundesinnenministerium auf Anfrage von BR24, gebe es "Lieferengpässe und eingeschränkte Technikerkapazitäten", um das Einfärbesystem weiter zu etablieren.
Und nicht nur das: "In Deutschland steht die Marktreife für Verklebetechnik noch aus, hier geht es um Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes." Hintergrund: Es wird derzeit geklärt, inwieweit die Verklebetechnik für Bankangestellte eine gesundheitliche Gefahr bei der Bestückung darstellt.
Polizeigewerkschaft fordert Lösung
Die Verklebetechnik gilt in den Niederlanden als erfolgreiche Abwehrmaßnahme. Geldautomatensprengungen sanken laut dem niederländischen Bankenverband von 129 im Jahr 2013 auf neun im Jahr 2022. Als Kosten für das Klebesystem gibt der führende Hersteller in den Niederlanden bis zu maximal 6.000 Euro an.
Die Gewerkschaft der Polizei fordert: "Hier muss eine Lösung gefunden werden, damit die Versicherungen den Banken auch in solchen Fällen den Gegenwert der unbrauchbaren Geldscheine ersetzen."
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