Am Küchentisch im Gemeinschaftsraum des Mehrgenerationenhauses Unterwössen im Landkreis Traunstein gibt es seit März kein anderes Thema mehr als die Maro-Insolvenz. Grund ist laut Maro eine zurückgezogene Finanzierungszusage für ein Projekt in Landsham im Landkreis Ebersberg. "Die Nachricht war für mich ein Erdbeben, ich mache mir sehr viele Sorgen um meine Situation", sagt Gerlinde Ehmer. Die Rentnerin hat ihr ganzes Erbe in eine Genossenschaftswohnung gesteckt, in der Annahme, dass es sicher ist. Die Maro-Wohnprojekte mit insgesamt 287 teils sozial geförderten Wohnungen an 18 Standorten in ganz Oberbayern standen von Anfang an für bezahlbaren Wohnraum und lebenslanges Wohnrecht.
Rund ein Drittel der 2.100 Genossenschaftsmitglieder lebt auch selbst in den Wohnungen. Sie mussten bei ihrem Einzug einen Pflichtanteil an die Genossenschaft zahlen, je nach Standort zwischen 500 und 900 Euro pro Quadratmeter. Bei einer Fünfzimmerwohnung mit rund 100 Quadratmetern in Unterwössen beträgt der Pflichtanteil zum Beispiel 50.000 Euro. Durch diesen Pflichtanteil sollten die Baukosten finanziert werden, um günstige Mieten zu garantieren.
Im Insolvenzfall: Anteile der Mieter als Eigenkapital der Maro
Das Problem: Dieser Betrag sowie der einmalige Mitgliederbeitrag von 1.500 Euro gilt als Eigenkapital der Genossenschaft. Das verwendet die Genossenschaft, um Schulden beim Gläubiger im Insolvenzverfahren zu begleichen. Das bedeutet: Die Mieter verlieren im Insolvenzfall ihr investiertes Geld. Sollte die Genossenschaft verkauft werden, könnten die Mieten außerdem auf das marktübliche Niveau steigen, die sich die derzeitigen Mieter nicht alle leisten können. "Ich kann mir mit meiner kleinen Rente keine normale Wohnung leisten", sagt etwa die Hausbewohnerin Andrea Hauber, "dann werden wir zum Sozialfall".
Verbleib in der sozialen Förderung unklar
Für viele Bewohner des Maro-Hauses in Unterwössen ist die Situation existenziell. Im Wohnprojekt leben Rentner, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung, kleine und große Familien. 60 Prozent der Wohnungen werden staatlich gefördert. Damit will die Genossenschaft Menschen mit geringem Einkommen faire Mietpreise bieten. Raik Schneider ist mit seiner sechsköpfigen Familie auf die Förderung angewiesen. Neben den 50.000 Euro an Genossenschaftsanteilen, die die Familie verlieren könnte, könnte im Insolvenzfall auch die soziale Förderung wegfallen.
Der Freistaat soll einspringen
In ihrer Verzweiflung haben sich die Bewohner aller 18 Wohnprojekte in mehreren Brandbriefen an die bayerische Staatsregierung und Landtagsabgeordnete gewandt. Als Reaktion darauf besuchte der bayerische SPD-Vorsitzende Florian von Brunn vergangene Woche eine Wohneinrichtung der Maro in Dietramszell. Dem BR sagte er, „wir würden uns wünschen, dass man gemeinsam mit der Staatsregierung eine Lösung findet.“ Er habe im Landtag bereits eine Anfrage zum Thema gestellt. Als mögliche Lösung sehe von Brunn, dass die Bayernheim, ein Unternehmen des Freistaats, einsteigen könnte.
Maro braucht fünf Millionen Euro
Die Genossenschaft selbst hat auch eine Rettungsaktion gestartet, bei der Privatpersonen – ob Mitglied oder nicht – Unterstützungszusagen machen können. So sollen die aktuell stillstehenden Bauprojekte wie zum Beispiel in Andechs und Wielenbach abgeschlossen werden. Denn seit der Insolvenzanmeldung stehen die Baustellen still. Bisher konnte Maro laut eigener Aussage eine Million Euro sammeln. Um die Maro als Genossenschaft zu retten, sei das Ziel aber fünf Millionen Euro.
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