Grünes Getreidefeld im Gütenbachtal/ Liesing, Wien (Archiv- und Symbolbild)
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Getreidefeld mit Ähren, die noch grün sind (Archiv- und Symbolbild)

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Gewinne in der Landwirtschaft steigen - zu früh für Euphorie?

Für deutsche Landwirte war das vergangene Wirtschaftsjahr im Schnitt das erfolgreichste der vergangenen zehn Jahre. Doch Experten warnen: So rosig wird es nicht bleiben. Die wenigen guten Jahre würden nur die vielen schlechten ausgleichen.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte am Dienstag die durchschnittlichen Einkommen und Betriebsgewinne im Wirtschaftsjahr 2022/23 in der deutschen Landwirtschaft vorgestellt. Diese haben sich - zum zweiten Mal in Folge - deutlich verbessert.

Fast 40 Prozent mehr Gewinn

Laut der Hochrechnung des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) [externer Link] erwirtschaftete ein deutscher, landwirtschaftlicher Haupterwerbsbetrieb knapp 114.000 Euro Gewinn – das ist ein Plus von 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit sei das vergangene Wirtschaftsjahr für Haupterwerbsbetriebe nach Einkommen und Gewinn das mit Abstand erfolgreichste in den vergangenen zehn Jahren, so das BMEL.

Auf einem Hof arbeiten oft mehrere Familienmitglieder mit. Pro Arbeitskraft gerechnet hatte ein deutscher Haupterwerbslandwirt durchschnittlich ein Einkommen von 61.000 Euro.

Experte: Keine allgemeinen Schlüsse ziehen

Doch man könne nicht aufgrund weniger guter Jahre den Schluss ziehen, Landwirte hätten grundsätzlich gute Einkommen, warnt Prof. Dr. Martin Spreidler von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Man müsse die Zahlen im langjährigen Durchschnitt betrachten. Die beiden vergangenen guten Jahre seien eine gerechte Entlohnung, die die Landwirte schon in der Vergangenheit gebraucht hätten. Wie bei allen Durchschnittszahlen müsse auch hier berücksichtigt werden, dass es Schwankungen noch oben und nach unten gebe, erklärt der Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre. Grundlage für die Ergebnisse sind die Buchführungsdaten von 7.600 repräsentativ ausgewählten Betrieben.

Lebensunterhalt bestreiten und Rücklagen bilden

Die Gewinne flössen nicht eins zu eins in die privaten Taschen der Landwirte, erklärt Spreidler weiter. Aus dem Gewinn eines landwirtschaftlichen Betriebes wird die Arbeitskraft des Bauern beziehungsweise der Bäuerin und aller Familienmitglieder gezahlt. Daraus müssen sämtliche privaten Versicherungen wie die Krankenversicherung finanziert werden – die komplette, private Lebenshaltung. Es müssen Rücklagen gebildet werden, um für schlechte Jahre vorzusorgen oder um einen Investitionsstau aufzuholen.

Zudem gebe es in der Landwirtschaft einen Sonderfall, ergänzt Hubert Heigl, der Präsident des Öko-Verbands "Naturland": Die landwirtschaftlichen Renten seien sehr gering, da davon ausgegangen werde, dass innerhalb der Bauernfamilien eine Art Generationenvertrag bestehe. Die Jungbauern finanzieren die Altenteiler mit. Auch diese Kosten müssten aus dem Gewinn gestemmt werden, erklärt Heigl.

Gewinne hätten aufgeholt, seien aber schon wieder im Sinkflug

Auf den ersten Blick zeigten die Ergebnisse erfreuliche Zahlen auf einem guten Niveau, erklärt Heigl. Sehe man sich hingegen die Zahlen seit 2013 [externer Link] an - mit im Schnitt unter 30.000 Euro Gewinn je Arbeitskraft - dann sei es jetzt höchste Zeit geworden, dass die Einkommen anstiegen. Somit glichen wenige gute Jahre die vielen, vorherigen schlechten Jahre aus. Eine Möglichkeit, groß in den Betrieb zu investieren, sei damit trotzdem nicht gegeben.

Leider hätten die guten Zahlen einen traurigen Anlass: den Ukraine-Krieg, der die Lebensmittelpreise steigen ließ, so Heigl. Seiner Prognose nach, werde das Ergebnis im Wirtschaftsjahr 2023/24 deutlich schlechter aussehen, da die landwirtschaftlichen Preise deutlich abgestürzt sind.

Biobauern verzeichnen stabilere Gewinne

Laut dem Naturland-Präsidenten seien Biobauern nicht ganz so starken Gewinnschwankungen ausgesetzt, wie konventionelle Bauern. "Ökolandwirtschaft denkt in mehr Vielfalt und auch bei der Vermarktung in längerfristigen Verträgen. Das heißt: Viele Produkte waren preislich gebunden und sind nicht so weltmarktabhängig", erklärt Heigl. Jetzt zu sagen, es sei alles gut, die Bäuerinnen und Bauern verdienen so viel, wie nie zuvor, sei eine falsche Schlussfolgerung, so der Naturland-Präsident. Das aktuelle Wirtschaftsjahr stehe kurz vor dem Abschluss und das werde wieder in die andere Richtung gehen.

Nach Hoch: Milchpreis schon wieder abgestürzt

Laut Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), würden die Zahlen zeigen, was möglich wäre – doch man dürfe sich nicht zurücklehnen. "Wir haben in der aktuellen Situation sinkende Milchpreise für die Landwirte, die Kosten sind aber nach wie vor hoch. Damit ist die angenehme Wirtschaftssituation wieder vorübergezogen", erklärt er. Derzeit würden die Milchbauern im Schnitt zehn Cent weniger pro Liter Milch bekommen, als das 2022 der Fall war. Hintergrund sei die sinkende Nachfrage nach tierischen Produkten.

Trotzdem laufe die Milchproduktion weiterhin auf einem hohen Level. So eine "Milchschwemme" drücke den Milchpreis. Die Zahlen seien kein Grund zur Euphorie, sondern ein Grund zum Nachdenken - darüber, wie solche Schwankungen ausgeglichen werden können. Angebot und Nachfrage müssten immer im Gleichgewicht gehalten werden, dafür brauche es übergeordnete, politische Maßnahmen, so der BDM-Sprecher.

Özdemir: Nicht in falscher Sicherheit wiegen

Die Ergebnisse seien zwar erfreulich, erklärte Bundesagrarminister Özdemir am Dienstag, doch man dürfe sich jetzt auch nicht in falscher Sicherheit wiegen: "Die Gewinne, die die Betriebe jetzt erzielen, sind dringend notwendig, um Rücklagen zu bilden, dann wenn Lebensmittelpreise heruntergehen, was sie gegenwärtig ja tun." Jahrelang hätten viele Landwirte ohnehin deutlich weniger in der Tasche gehabt, so der Bundeslandwirtschaftsminister.

Auch der Bauernverband erhebt in seinem Situationsbericht die Gewinne von deutschen Haupterwerbsbetrieben und warnt bereits jetzt: Für dieses Jahr könnten den Landwirten Gewinneinbrüche von bis zu 50 Prozent drohen.

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