Seit 18 Jahren lebt Christine Wissing im Parkwohnstift in Bad Kissingen. Die Senioreneinrichtung ist ihr Zuhause. "Aus diesem Paradies in viereinhalb Monaten raus zu müssen, das tut weh", sagt die 83-Jährige. Noch steht nicht definitiv fest, ob die Senioreneinrichtung im Stadtteil Garitz schließen muss. Trotzdem machen sich viele Bewohnerinnen und Bewohner wie Christine Wissing schon jetzt große Sorgen. Wissing gehört zu den knapp 200 Senioreninnen und Senioren in der Einrichtung, die noch nicht auf Pflege angewiesen sind. Dazu kommen 76 Pflegebedürftige. "Wenn wir erfahren, dass am 30. Juni dichtgemacht wird, dann fliegen wir alle mehr oder weniger raus", sagt Wissing. Ihr einst schwerkranker Mann ist vor Jahren hier gestorben.
Seniorin versucht, anderen Mut zu machen
Heidrun Vorndran macht denen Mut, die sich große Sorgen darüber machen, wo sie künftig wohnen, leben und gepflegt werden können, wenn die Insolvenz nicht abgewendet werden kann. Dabei wäre die 84-Jährige selbst von einer Schließung betroffen. Vorndran lebt seit drei Jahren im Parkwohnstift. Vorher hat sie in Bad Brückenau gewohnt. "Ich habe mein Haus verkauft und habe mich eigentlich auf einen geruhsamen Alterssitz gefreut und fühle mich hier auch wirklich wohl", sagt die Seniorin. Auch für sie sei die Situation aufregend. "Aber ich habe in meinem Leben schon so viel erlebt und mitgemacht, dass ich eigentlich noch optimistisch bin und die anderen aufbaue", so Vorndran.
Suche nach Pflegeplätzen: "Wir finden nichts"
So optimistisch wie Heidrun Vorndran sind viele andere nicht. Die beiden Schwestern Sigrid Kaufmann und Gitte Ferleys zum Beispiel sorgen sich um ihre 91-jährige, pflegebedürftige Mutter, die seit zwei Jahren im Parkwohnstift lebt. Die Angst, keinen anderen Pflegeplatz für ihre Mutter zu finden, beschäftigt Sigrid Kaufmann sehr: "Wir finden in Bad Kissingen nichts, es gibt doch keine Plätze. Wir haben uns jetzt schon bemüht, angerufen, nachgefragt, es ist nichts frei." Die 91-Jährige ist 24 Stunden am Tag auf Hilfe angewiesen. "Was machen wir mit unserer Mutti? Wir können sie nicht mehr heimholen", sagt Sigrid Kaufmann.
Bewohner denken laut übers Sterben nach
Die Schwestern besuchen ihre Mutter fast jeden Tag. Ein anderes Seniorenpflegeheim wie zum Beispiel in Kitzingen sei keine Alternative, sagt Kaufmann: "Entsetzlich. Ich bin über 70, ich kann nicht täglich nach Kitzingen fahren. Der Verkehr macht mich kirre, das kann ich nicht mehr." Gitte Ferleys plagen zusätzlich noch ganz andere Sorgen. Unter Tränen sagt sie: "Die Mutti und die anderen Bewohner sprechen wirklich Tag für Tag darüber, dass, wenn sie fünf Tage nichts essen und nichts trinken, dass sie sterben können. Und dass sie dann nicht mehr mitmachen müssen, was da geschieht."
Kirchen appellieren an die Verantwortlichen
Die Situation sei wahnsinnig beängstigend, alle Beteiligten würden sich wie in einer Schockstarre befinden, sagt Jacqueline Barraud-Volk, die evangelische Pfarrerin in Bad Kissingen. Bei ihr komme an, dass am Ende die Würde des Alters keine Rolle spiele. "Jetzt muss eine Lösung her", fordert die Pfarrerin. Christoph Glaser, katholischer Diakon in Bad Kissingen sieht das ähnlich. Er sagt: "Das macht uns natürlich genauso betroffen und auch wütend. Weil: Wie kann es sein, dass die Menschen von jetzt auf nachher gar keine Wahlmöglichkeiten mehr haben." Mit dem 15. März sei eine Deadline gesetzt. Wenn bis dahin keine Entscheidung gefallen ist, wird das Haus geschlossen. "Das löst natürlich die größten Ängste und Befürchtungen aus", so der Diakon.
Politik fordert von Beteiligten Lösungen
"Für mich war es ein großer Schock zu erfahren, dass beim Parkwohnstift eine Insolvenz im Raum steht", sagt Thomas Bold (CSU), Landrat des Landkreises Bad Kissingen auf Anfrage von BR24. Es sei unvorstellbar, dass dieses renommierte Haus vor dem Aus stehen könnte. "Im Interesse der Menschen, die dort teilweise seit Jahrzehnten leben und eine Heimat gefunden haben, erwarte ich, dass die beteiligten Parteien alles tun, um eine gute Lösung zu finden." Das gleiche fordert auch Dirk Vogel (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Bad Kissingen. Er schreibt: "Wir erwarten weiterhin, dass die beiden Parteien an einer Lösung arbeiten."
160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen
Wegen der möglichen einer Schließung der Einrichtung sorgen sich auch die Pflegekräfte. Insgesamt sind 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Laut der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Unterfranken werde das Personal momentan weiterbeschäftigt, Gehaltszahlungen seien vorerst sichergestellt. Im Falle einer Schließung wolle die Parkwohnstift gGmbH versuchen, möglichst viele der insgesamt fast 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter dem Dach der AWO weiter zu beschäftigen.
Entscheidung fällt Mitte März
Am 15. März will die AWO als Träger der Einrichtung darüber informieren, ob es weitergeht oder nicht. Bis dahin möchte sich die AWO nicht öffentlich äußern. Hintergrund für das drohende Aus sind anstehende Investitionen für Brandschutz und Gebäudesanierung in Millionenhöhe. Wie die AWO mitteilte, konnten sich eine zum AXA-Konzern gehörende Investmentgesellschaft als Eigentümer und die Parkwohnstift gGmbH als Betreiberin der Einrichtung bisher nicht einigen, wie die Kosten aufgeteilt werden. Die Positionen beider Seiten liegen laut AWO bisher weit auseinander.
Am 12. Februar hat die Parkwohnstift gGmbH laut AWO "Insolvenz in Eigenverwaltung" beantragt. Das Amtsgericht Schweinfurt hat über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht endgültig entschieden. Sollte es bis zum 15. März zu keiner einvernehmlichen Lösung kommen, müsste die Seniorenresidenz in Bad Kissingen zum 30. Juni 2024 geschlossen werden, heißt es weiter.
AWO verspricht Hilfe bei Umzügen und der Suche nach Alternativen
Sollte der Betrieb im Parkwohnstift stillgelegt werden müssen, sei für alle Betroffenen Unterstützung sichergestellt, heißt es von der AWO. "Natürlich wäre das eine Herausforderung", so ein AWO-Sprecher. Trotzdem ließe sich mit großer Sicherheit sagen, dass die insgesamt 76 pflegebedürftigen Menschen in anderen Häusern der AWO in der Region ein neues Zuhause finden könnten. Alternative Angebote gebe es auch für die knapp 200 Menschen im Bereich des Servicewohnens. Die AWO sei dafür schon in Gesprächen mit anderen Betreibern. Außerdem will die AWO Betroffene und Angehörige bei der Organisation von Umzügen unterstützen.
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