Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat Teile der Verordnung der Staatsregierung zur Einführung eines verpflichtenden Arbeitszeitkontos für Lehrkräfte gekippt. Die Regelungen seien unwirksam, teilte der Verwaltungsgerichtshof mit.
Die Verordnung legte ein sogenanntes Ansparmodell für Grundschullehrerinnen und -lehrer fest. Damit sollten den Angaben zufolge 1.400 prognostizierte fehlende Vollzeitstellen kompensiert werden. Die Lehrkräfte bis zu einem Alter von 56 Jahren wurden verpflichtet, in den Schuljahren 2020/21 bis einschließlich 2027/28 jeweils fünf Jahre lang wöchentlich eine zusätzliche Unterrichtsstunde zu leisten – plus Vor- und Nachbereitung. Ab dem Schuljahr 2028/2029 sollte eine fünfjährige Ausgleichsphase mit einer Wochenstunde weniger folgen. Dagegen klagte eine Grundschulleiterin und hatte jetzt Erfolg.
Einführung des Ansparmodells "nicht gerechtfertigt"
Zur Begründung teilte der Verwaltungsgerichtshof mit, die Einführung eines verpflichtenden Ansparmodells setze laut Gesetz einen länger andauernden, aber vorübergehenden Personalbedarf voraus. Zuschnitt und Laufzeit des Modells müssten sich dabei an der Bewältigung des vorübergehenden Bedarfs ausrichten. Das Kultusministerium habe aber in seiner Lehrerbedarfsprognose die Effekte der zugleich eingeführten weiteren Maßnahmen nicht berücksichtigt. Zudem hätte es laut Gericht aktuellere Daten heranziehen müssen. Die Einführung des Ansparmodells sei daher "nicht gerechtfertigt".
Das Gericht wies allerdings darauf hin, dass ein rückwirkender Neuerlass der Regelungen möglich sei, "soweit entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ein vorübergehender Personalbedarf" bestehe.
Ministerium will Urteil "genau analysieren"
Das bayerische Kultusministerium kündigte an, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs genau zu analysieren. Dafür müsse auch die Urteilsbegründung rechtlich ausgewertet werden. "Wir bitten hier um Verständnis, dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht weiter äußern können."
BLLV zufrieden: "Starkes Signal für die Lehrkräfte"
Zufrieden über die Entscheidung des Gerichts äußerte sich der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Der Verband hatte die Klage der Lehrerin unterstützt. Laut BLLV war unter anderem die Datenbasis des Kultusministeriums falsch, da es "den Lehrkräftebedarf in den Jahren vor 2020 systematisch um 25-35 Prozent zu hoch angesetzt hatte". Weiter teilte der Verband mit: "Die Lehrerbedarfsprognose des Kultusministeriums zeigte schon damals deutlich, dass es andere Schularten gibt, die ganz besonders stark und lang anhaltend unter dem Lehrkräftemangel leiden werden, nämlich die Mittel- und Förderschulen."
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann bezeichnete die Entscheidung als "starkes Signal für die Lehrkräfte". Man sei im Recht und werde deshalb jetzt entsprechend stark für die Lehrkräfte an Grundschulen verhandeln: "Wir werden lösungsorientiert aber auch hart für eine faire Umsetzung kämpfen." Gleichzeitig betonte Fleischmann: "Natürlich geben jetzt nicht morgen alle Lehrerinnen und Lehrer ihre Stunden zurück und lassen den Stift fallen. Wir kennen unsere Verantwortung und werden diese erfüllen."
GEW-Vorsitzende ebenfalls zufrieden
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern, Martina Borgendale wertete das Urteil ebenfalls als "schönes Zeichen" für Lehrkräfte an Grundschulen. Denn sie seien mit 28 Lehrerwochenstunden ohnehin "weit vorne" – an Mittelschulen seien es 27, an Realschulen 24, an Gymnasien 23 Stunden, sagte Borgendale dem BR. Daher freue sich die GEW über das Urteil. Zugleich geht Borgendale davon aus, dass sich dadurch der Lehrermangel an den Grundschulen weiter verschärfen kann.
Die SPD-Bildungsexpertin im Landtag, Simone Strohmayr, betonte, das Arbeitszeitkonto sei für Grundschullehrkräfte der Tropfen gewesen, "der das Fass zum Überlaufen gebracht hat". Diese seien ohnehin schon mit vielen Aufgaben belastet. Die zusätzliche Unterrichtsstunde habe zu großem Unmut geführt. Sie sei gespannt, wie das Ministerium dies in Zeiten des Lehrermangels "jetzt rückabwickelt".
Die einzige Chance laut Strohmayr ist, die Programme für Quer- und Seiteneinsteiger zu überdenken. Unbedingt weg müssten auch Befristungen für Lehrerinnen und Lehrer. Zudem seien "radikal" bessere Bedingungen nötig, um den Beruf attraktiver zu machen. Lehrkräfte müssten beispielsweise von Verwaltungsaufgaben befreit werden.
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