320 Millionen Euro sind laut Wasserwirtschaftsamt Kempten seit dem großen Pfingsthochwasser 1999 in der Region in den Hochwasserschutz investiert worden. Zum Beispiel an der Iller bei Immenstadt - am sogenannten Seifener Becken. Da sind in den letzten Tagen die Wiesen bewusst geflutet worden – obwohl es noch kein ernstes Hochwasser an der Iller gegeben hat. Oder bei Bidingen. Hier wurde ein Flutpolder geöffnet. Die Maßnahmen sind Teil des aktiven Schutzes vor Hochwasser in der Region, den es so vor ein paar Jahren noch nicht gegeben hat.
- Zum Artikel: "Hochwasser - Wo entspannt sich die Lage und wo noch nicht?"
Gemeinsamer Zweckverband an Hühnerbach und Gennach
An der Gennach und dem Hühnerbach in den Landkreisen Ostallgäu und Augsburg hat sich schon 2007 ein Zweckverband gegründet, um die Anrainergemeinden vor großen Hochwasser-Ereignissen zu schützen. Auch mit Zuschüssen des Freistaats Bayern hat man seither mehr als 30 Millionen Euro vor allem in Polder investiert – unter anderem in ein Becken bei Bidingen – das jetzt geflutet wurde.
Polder schützt Ortschaft
Am Dienstag war der Hühnerbach randvoll. Das braune Wasser stand nur noch wenige Zentimeter unterhalb des Ufers, ein Teil eines kleinen Wegs in Ob war auch schon überschwemmt. Deshalb wurde der Polder nach Angaben des Wasserwirtschaftsamts geöffnet. So schützt die überschwemmte Wiese die Ortschaft, hier vor allem den Bidinger Ortsteil Ob. Sarah Balz vom Wasserwirtschaftsamt betont, es werde genau geschaut, wie viel Wasser im Bach bleiben kann und wie viel der Polder aufnehmen muss. "Alles Wasser, was mehr kommt, wird dann in dem Becken rückgestaut und langsam abgegeben, dass hier die Ortschaft verschont bleibt."
Bayernweites Vorzeigeprojekt
Der Zweckverband Hochwasserschutz Gennach-Hühnerbach gilt als ein bayernweites Vorzeigeprojekt. 11 Gemeinden haben sich zusammengeschlossen – von Bidingen im Ostallgäu bis zur Gemeinde Hiltenfingen im Landkreis Augsburg, wo die Gennach in die Wertach mündet. Zehn Hochwasserrückhaltebecken wie das in Bidingen hat man gebaut. Nur dieses – eines der kleineren – wurde jetzt bei einem mittleren Hochwasser geflutet. Es gäbe also noch mehr Kapazität. Das ganze Projekt ist aber auch darauf ausgelegt, die Gemeinden vor einem sogenannten hundertjährlichen Hochwasser, wie zum Beispiel dem großen Pfingsthochwasser 1999, zu schützen. Neben den Flutpoldern hat man auch die Bachbetten teilweise renaturiert und aufgeweitet, sodass das Wasser nicht so leicht über die Ufer tritt. Das war zum Beispiel gestern gut zu beobachten auf einem renaturierten Abschnitt der Gennach bei Eurishofen, wie das Wasser sich im Bachbett ausbreiten kann und nicht überläuft.
Auwald im Seifener Becken
Nach dem Pfingsthochwasser 1999 wurde viel investiert in den Hochwasserschutz, und wo immer möglich, gleichzeitig in den Naturschutz. So zum Beispiel am Seifener Becken bei Immenstadt. Da wächst jetzt wieder ein Auwald. Damit der sich weiter gut entwickeln kann, wird einmal im Jahr geflutet. Das viele Wasser in der Iller nach dem Dauerregen hat das Wasserwirtschaftsamt jetzt dafür genutzt und den sogenannten Binnenpolder geflutet. Das Seifener Becken insgesamt ist so riesig, dass es bei einem großen Hochwasser so viel Wasser aufnehmen kann, dass Kempten zum Beispiel vor Überflutungen geschützt wird. Allein der Binnenpolder kann 800.000 Kubikmeter Wasser aufnehmen. Am Dienstag wurde er mit 300.000 Kubikmeter geflutet, das sind mehr als drei Millionen Badewannen voll.
Auwald fiel Begradigung der Iller zum Opfer
Vor rund 100 Jahren wurde die Iller hier begradigt, sagt Karl Schindele, Leiter des Wasserwirtschaftamts in Kempten. Dabei sei der Auwald verloren gegangen. Mit Bau des Hochwasserrückhaltebeckens 2006/2007 wurde der Auwald quasi neu angelegt. Seither fließt kontinuierlich etwas Wasser aus der Iller in einem kleinen Bach durch den Binnenpolder und hält die Flächen feucht. Zusätzlich wird der Wald einmal im Jahr geflutet. Inzwischen wachsen dort wieder Birken oder Weiden. Vögel und Insekten scheinen den Auwald gut angenommen zu haben. Karl Schindele bestätigt diesen Eindruck: "Wenn man die alten Bilder anschaut, wie es vor 20 Jahren ausgeschaut hat, und wie es jetzt ausschaut, also als Naturfreund geht einem natürlich das Herz auf." Die nächsten ein, zwei Tage wird das Wasser dort noch aufgestaut werden, dann wird es wieder in die Iller zurückgeleitet.
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