Mehr als jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn (DB) war im vergangenen Jahr unpünktlich. 37,5 Prozent der Halte wurden mit einer Verspätung von mehr als 5:59 Minuten erreicht, nur 62,5 Prozent der ICE- und IC-Züge waren nach dieser Rechnung pünktlich unterwegs, wie ein Sprecher des Unternehmens mitteilte. Damit war die Deutsche Bahn so unpünktlich unterwegs wie seit mindestens 21 Jahren nicht.
Unpünktlichkeit der Bahn: Woran es liegt
"80 Prozent aller Verspätungen im Fernverkehr sind auf die veraltete und störanfällige sowie überlastete Infrastruktur zurückzuführen", sagte der Sprecher. Ein Halt wird laut Definition pünktlich erreicht, wenn der Zug weniger als sechs Minuten Verspätung hat. Im Regionalverkehr war das bei 90,3 Prozent der Züge der Fall – im Vergleich zu 91,0 Prozent im Jahr 2023.
Zugleich wies der Sprecher auf das aktuelle Sanierungsprogramm der Bahn hin. Bis 2030 will der Konzern 41 viel befahrene Korridore grundlegend sanieren. Den Anfang machte die Bahn 2024 mit dem Abschnitt zwischen Frankfurt und Mannheim – der sogenannten Riedbahn. Die Generalsanierungen sollen auch für pünktlichere Züge sorgen.
Gedämpfte Erwartungen trotz Milliarden-Investitionen
Die Hoffnung der Fahrgäste auf eine schnelle und breite Wirkung der Riedbahn-Sanierung im Fernverkehr hatte der zuständige Manager der Deutschen Bahn, Philipp Nagl, zuletzt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur gedämpft. Der Effekt auf den Nahverkehr werde zwar merklich sein. Mit Blick auf die Fernverkehrszüge und die 10.000 Schienenkilometer, die sie befahren, sagte er jedoch: "Da werden die 70 Kilometer natürlich jetzt nicht die Welt verändern. Aber sie sorgen für eine gute Portion Stabilität im System."
Die Deutsche Bahn habe 2024 knapp 17 Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bahn-Infrastrukturgesellschaft InfraGo. Das sei so viel wie seit Jahren nicht. "Wenn wir jetzt die nächsten zwei, drei Jahre auf diesem Niveau weiter investieren, dann wird man im ganzen Netz in der Breite spüren, dass die Störanfälligkeit der Infrastruktur sinkt und die Qualität des Zugverkehrs zunimmt."
Bahnfahren an Weihnachten: "Überraschend pünktlich"
Zumindest über die Weihnachtsfeiertage lief der Bahnverkehr dem Unternehmen zufolge weitgehend stabil, reibungslos – und überraschend pünktlich. Am 24. und 25. Dezember lag die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr früheren DB-Angaben zufolge bei mehr als 80 Prozent. Die Züge waren also deutlich pünktlicher als im Jahresmittel. Im gesamten Dezember lag die Pünktlichkeit im Fernverkehr dagegen bei 65,7 Prozent. Im Regionalverkehr waren es 90,9 Prozent.
DB muss hunderte Millionen für Verspätungen zahlen
Die ständigen Verspätungen im Fernverkehr gehen vielen Kundinnen und Kunden nicht nur auf die Nerven, sondern kosten der Deutschen Bahn auch viel Geld. Bahn-Chef Richard Lutz sagte dem "Tagesspiegel" kürzlich, für Entschädigungen an Fahrgäste werde 2024 "ein deutlich dreistelliger Millionenbetrag" fällig.
Fußball-EM rückt Bahn-Unzuverlässigkeit in den Fokus
Besonders unpünktlich war die DB im Juni. In dem Monat war fast jeder zweite Zug verspätet. Die Pünktlichkeitsquote lag bei 52,9 Prozent. Weil in diesem Monat auch die Fußball-Europameisterschaft begann, wurde die Deutsche Bahn im Ausland zum Teil zum Gespött. Die Unzuverlässigkeit der Bahn bekamen sowohl Fans als auch Teams zu spüren.
Die niederländische Mannschaft etwa musste wegen einer mehr als zweistündigen Verspätung kurzfristig statt mit dem Zug per Flieger zum Halbfinale reisen – einem Bahn-Sprecher zufolge war ein Tierunfall Grund für die Verspätung. Zu Beginn des Turniers strandeten zeitweise Hunderte österreichische Fans in Bayern, weil eine Baustelle anders als geplant nicht rechtzeitig fertig wurde.
Bahn-Großbaustellen – auch 2025
Bevor wieder deutlich mehr Züge der Deutschen Bahn pünktlich halten, dauert es noch eine Weile. Zunächst müssen die Fahrgäste wegen der vielen Bauarbeiten Umleitungen in Kauf nehmen.
Ab August wird für die Generalsanierung die wichtige Fernverkehrsstrecke zwischen Berlin und Hamburg für neun Monate gesperrt. Die Umleitung über Uelzen (Niedersachsen) und Salzwedel (Sachsen-Anhalt) verlängert die Fahrzeit um mindestens 45 Minuten.
Mit Material von dpa.
Im Video: Interview zur wirtschaftlichen Lage der DB mit Verkehrs-Experte Christian Böttger (Archiv)
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