Ina Biedermann und Konrad Schmid sitzen mit ihrem kleinen Paul auf dem Boden des heimischen Wohnzimmers. Der sechs Monate alte Säugling hat erkennbare Schwächen auf der linken Körperseite.
Bildrechte: BR/Hans Mielich
Audiobeitrag

Ina Biedermann und Konrad Schmid sitzen mit ihrem kleinen Paul auf dem Boden des heimischen Wohnzimmers.

Audiobeitrag
>

Hirnschäden bei Neugeborenen: Wie Frühförderung hilft

Hirnschäden bei Neugeborenen: Wie Frühförderung hilft

Schwangerschaften und Geburten bergen Risiken. Was tun, wenn ein Säugling einen irreparablen Hirnschaden erleidet? Das Schlüsselwort in einem solchen Fall lautet Frühförderung.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Ina Biedermann und Konrad Schmid sitzen mit ihrem kleinen Paul auf dem Boden des heimischen Wohnzimmers. Der sechs Monate alte Säugling hat erkennbare Schwächen auf der linken Körperseite. Dabei war die Schwangerschaft unproblematisch. "Es ist eigentlich alles bilderbuchmäßig gelaufen. So wie es bei unserer großen Tochter auch war", beschreibt Mutter Ina Biedermann.

Zum Artikel: Letzte Option Kältetherapie: Wenn Babys gekühlt werden müssen

Pauls Werte stimmen nicht

Paul ließ sich im Bauch der Mutter lange Zeit. Zehn Tage nach dem errechneten Geburtstermin wurden seine Herztöne auffällig. Es kam zum Kaiserschnitt in einem Straubinger Krankenhaus. "Danach gab es die Feststellung, hoppala, irgendwie passen die Zuckerwerte bei ihm nicht. Dann haben sie ihn gleich untersucht. Die Sauerstoffwerte haben auch nicht gepasst. Er hatte Schwierigkeiten beim Atmen."

Eine schockierende Nachricht

Es folgten weitere Untersuchungen. Nach einigen Stunden entschieden die Ärzte, Paul von den Spezialisten der KUNO Kinderklinik St. Hedwig in Regensburg abholen zu lassen. Dort wurde festgestellt, dass Paul schon im Bauch der Mutter einen Schlaganfall und dadurch Schäden in beiden Hirnhälften erlitten hatte. Vater Konrad Schmid erinnert sich: "Dir bleibt die Sprache weg. Du weißt überhaupt nicht, was da passiert. Und du kannst dann nicht mehr viel sagen, weil der Stein hinten im Hals immer größer wird."

Corona als mögliche Ursache

Ein Blutgerinnsel hat den Schlaganfall ausgelöst. Was die Ursache für das Blutgerinnsel ist, lässt sich bis jetzt nicht endgültig klären. Eine Hypothese der Ärzte lautet, dass eine Coronainfektion der Mutter während der Schwangerschaft dazu geführt haben könnte.

Das Schlüsselwort heißt daher Frühförderung. Professor Sven Wellmann, Leiter der Neugeborenenmedizin in der Regensburger Klinik: "Bei den Neugeborenen haben wir vor 20, 30 Jahren eher gewartet, bis Defizite auftreten, also dass Kinder zum Beispiel eine Zerebralparese (vor allem bleibende Bewegungsstörungen durch Hirnschädigung, Anm. d. Red.) entwickeln. Heute wissen wir, dass es viel zu spät ist. Man muss präventiv die Kinder unterstützen."

Spezielle Art von Physiotherapie

Das geschieht vor allem im Bereich der Physiotherapie, der Logopädie und der Ergotherapie. Physiotherapeutin Julia Jarick hat Paul nach seiner Geburt über drei Wochen in der St. Hedwig Klinik behandelt. Sie ist speziell dafür ausgebildet.

"Es geht darum, dass die Kinder einfach die Schritte in ihrer motorischen Entwicklung nachholen und dass sie die richtigen Schritte nacheinander machen." Logopädie hat Paul vor allem wegen der Nahrungsaufnahme erhalten – damit er lernt, von der mütterlichen Brust zu trinken.

Drei Therapieeinheiten pro Tag

Etwa sieben Wochen nach der Geburt hatte Professor Wellmann der Familie einen stationären Aufenthalt in einer Fachklinik vermittelt. Hier erhielt Paul drei Wochen lang montags bis freitags täglich drei Therapieeinheiten. "Es ist wirklich ein Bauchgefühl, zu wissen, wo setzt man weiter an, was tut uns als Familie gut, was tut Paul gut. Bis sich das alles mal eingespielt hat, bis sich so ein Alltag gefunden hat, das war schon viel", sagt Ina Biedermann. Und trotzdem sei es die richtige Entscheidung gewesen.

Paul macht Fortschritte

Dass es tatsächlich eine richtige Entscheidung war, zeigen die Bewertungen der Ärzte. Paul habe Fortschritte gemacht, sagt Dr. Geis, Oberarzt in der Kinderneurologie. "Er ist aktiver geworden, er bewegt sich mehr. Er greift nach den Spielsachen, die man ihm hinhält, nimmt dazu auch die linke, schwächere Hand. Ich merke auch, dass ich besser mit ihm in Kontakt komme, dass er mehr wahrnimmt aus seiner Umgebung."

Geistige Entwicklung nicht abzuschätzen

Trotzdem dürften linksseitig Probleme bleiben. Paul habe aber gute Chancen, laufen zu lernen, meint der Mediziner. "Bedeckt halten möchte ich mich, was die Prognose von geistiger Entwicklung und sprachlicher Entwicklung angeht. Da lässt sich einfach keine zuverlässige Abschätzung für mich jetzt machen."

Familie Biedermann-Schmid freut sich über jeden einzelnen Entwicklungsschritt, den ihr kleiner Paul macht. Die nächste Reha-Maßnahme in einer Spezialklinik ist schon geplant.

Der kleine Paul mit seinen Eltern.
Bildrechte: BR/Hans Mielich
Videobeitrag

Der kleine Paul mit seinen Eltern.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!