Nach tagelangem Dauerregen stehen mehrere Gebiete in Bayern unter Wasser - und auch heute ziehen teils ergiebige Schauer und Gewitter durch. Im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm brachen zwei Dämme. Dort galt bereits zuvor der Katastrophenfall. Bei einem Einsatz in der Nacht war zudem ein 42-jähriger Feuerwehrmann ums Leben gekommen. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Landesinnenminister Joachim Herrmann (beide CSU) statteten der Region einen Besuch ab und informierten sich vor Ort über die Lage in Reichertshofen. Der Ort ist inzwischen geflutet.
Auch im Landkreis Günzburg spitzt sich die Lage zu: In der Stadt Günzburg droht die Donau die Unterstadt zu überfluten, es sind weitere Evakuierungen nötig. In Offingen wird ein 22-jähriger Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr vermisst. Kritisch könnte auch die Lage im Landkreis Kelheim werden. Dort überschritt der Pegelstand der Donau am Sonntag die höchste Meldestufe 4 auf der vierstufigen Meldeskala - und er soll noch weiter steigen.
Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen gibt es ebenfalls eine Vermisste: Eine 43-Jährige, die sich bei Hochwasser im Keller befunden haben soll.
Laut Innenministerium mussten in Bayern bisher rund 3.000 Menschen wegen des Hochwassers evakuiert werden. Rund 20.000 Kräfte sind demnach im Einsatz.
Sendehinweise (beides auch als BR24live):
- 20.15 Uhr im Ersten: ARD Brennpunkt - Jahrhunderthochwasser im Süden
- 22.05 Uhr im BR Fernsehen: Hochwasser in Bayern - Die Lage am Abend
Kreis Pfaffenhofen: "Wir haben den Kampf verloren"
Christian Nitschke, Kreisbrandrat im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, sagte, dass sich ein "derartiges Hochwasser XXL nicht in den Aufzeichnungen finde. Das ist ein Hochwasser Extrem". Aktuell können die Rettungskräfte keine Überschwemmungen mehr verhindern und lassen das Wasser laufen. "Wir haben den Kampf verloren", sage Einsatzleiter Nitschke im BR24live. In Baar-Ebenhausen und Manching "haben wir den Kampf aufgegeben", so der Kreisbrandrat weiter. Präventivmaßnahmen würden nicht mehr fortgesetzt. Sandsäcke würden nicht mehr ausgebracht, keine Wälle mehr aufgeschüttet. Man konzentriere sich auf die Rettung der Menschen und Tiere. Mittlerweile wurden dort rund 2.000 Menschen evakuiert.
Warnung vor Hochwasser-Tourismus
Nitschke warnte zudem vor Hochwasser-Tourismus. "Sie würden sich und anderen damit keinen Gefallen tun. Sie gefährden möglicherweise sogar Ihr Leben", so der Kreisbrandrat im BR24live.
Stromversorgung in Teilen Bayerns beeinträchtigt
Die Überschwemmungen haben in mehreren Landkreisen die Stromversorgung beeinträchtigt. Wie Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mitteilte, sind im Gebiet der LEW Verteilnetz GmbH vor allem die Landkreise Günzburg, Augsburg, Dillingen und Unterallgäu von lokalen Stromausfällen betroffen.
Im Netz der Bayernwerk Netz GmbH konzentriere sich das Störungsaufkommen aktuell auf Oberbayern. Verstärkt betroffen sei derzeit der Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm sowie der nördliche Landkreis Freising (Allershausen). Das Umspannwerk Reichertshofen sei zudem stromlos. Die Stromversorgung der Bevölkerung kann laut Aiwanger derzeit noch größtenteils über alternative Netzverbindungen sichergestellt werden.
"Die Stromausfälle konzentrieren sich entlang der Flüsse und sind aus Netzsicht beherrschbar", sagte Aiwanger. "So weit das möglich ist, versuchen die zuständigen Verteilnetzbetreiber die Stromversorgung durch Umschaltungen auf andere Leitungen zu gewährleisten. Mit flächendeckenden Stromausfällen rechnen wir derzeit nicht."
Söder und Habeck loben Einsatz der Rettungskräfte
Das Feuerwehrhaus in Reichertshofen im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm ist bereits von Wasser umgeben, als Söder und Habeck ankommen. Beide Politiker gelangten trotzdem hinein. Dort die Nachricht: Zwei Dämme sind gebrochen, Reichertshofen wird komplett geflutet. Ein wenig Zeit bleibt noch, so bedankten sich Habeck und Söder bei den Rettungskräften vor Ort für ihren Einsatz. Mit Blick auf den tragischen Tod eines Feuerwehrmanns bei einer Rettungsaktion mahnte Söder, auch auf die eigene Sicherheit zu achten. Die Retter seien nun schon lange im Einsatz, man müsse nun an einer reibungslosen Ablöse arbeiten. Zur Bewältigung des Hochwassers seien bayernweit bislang rund 40.000 Einsatzkräfte unterwegs.
Söder appellierte außerdem an die Bevölkerung, dringend auf Gefahrenmeldungen zu achten und dann rasch zu reagieren: "Wenn sie irgendwo den Handyalarm bekommen und die Aufforderung rauszugehen, zu evakuieren: nicht noch den Koffer packen, nicht noch alle möglichen Gegenstände mitnehmen, sondern einfach dann in dem Moment rausgehen. Es geht da wirklich um Leib und Leben."
Vizekanzler Habeck lobte die hervorragende Organisation der Rettungsmannschaften. Angesichts der großflächigen Überschwemmungen versprach Habeck die Solidarität des Bundes, ohne jedoch bereits konkrete Zusagen zu machen.
Entsetzen über Tod eines Feuerwehrmanns
Beide Politiker drückten ihr Entsetzen über den Tod des Feuerwehrmanns aus. Der Verlust eines Lebens zeige einmal mehr "was die Freiwilligen, aber auch die Berufsfeuerwehren, die Einsatzkräfte, der THW, alle freiwilligen Helfer, bereit sind, aufs Spiel zu setzen", sagte Habeck. Es müsse nun alles dem Ziel untergeordnet werden, dass die Menschen, die sich in Gefahr befänden, geborgen würden. "Wenn es weitere Hilfsgesuche gibt, dann werden die sicher erfüllt werden", sagte Habeck.
Der Feuerwehrmann war bei einem Hochwassereinsatz in den Gemeindeteilen Affalterbach/Uttenhofen ums Leben gekommen. Nach Informationen der Polizei war die freiwillige Feuerwehr Ehrenberg-Pfaffenhofen kurz nach 23 Uhr alarmiert worden, weil mehrere Menschen durch das Hochwasser in einem Bungalow eingeschlossen waren. Vier Einsatzkräfte versuchten in einem Boot zu ihnen zu gelangen, doch das Boot kenterte. Während sich drei der vier Feuerwehrleute selbst retten konnten, galt der vierte, ein 42-jähriger Mann, zunächst als vermisst. Gegen 2:20 Uhr wurde er tot aufgefunden.
Söder hatte bereits vor seinem Besuch in Reichertshofen auf X (ehemals Twitter) geschrieben: "Er war dort gerade im Einsatz, um anderen in der Not zu helfen. Das macht fassungslos und ist ein Stich ins Herz."
Altenheime evakuiert
Im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm mussten in der Nacht außerdem mehr als 200 Menschen ihre Häuser verlassen. Zwei Altenheime wurden evakuiert, weil ein Stromausfall drohte. Die 140 Bewohner wurden in Krankenhäusern untergebracht. Im nördlichen Teil des Landkreises befürchteten die örtlichen Behörden ein extremes Hochwasser, das eine Jahrhundertflut noch um das Eineinhalbfache übertreffen könnte.
A9 auf rund 50 Kilometern Länge gesperrt
Zudem ist im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm die Autobahn A9 nach einem Dammbruch auf einer Länge von rund 50 Kilometern gesperrt. Betroffen sei eine Strecke zwischen Allershausen und Ingolstadt, die Fahrbahn sei teilweise überspült, berichtete ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord am Sonntag. Auch für die Polizei sei ein Hochwasser dieses Ausmaßes in diesem Bereich neu.
Kritische Lage in Schwaben - Feuerwehrmann in Offingen vermisst
Auch im schwäbischen Kreis Günzburg gibt es ein Jahrhunderthochwasser. In der Stadt Günzburg tritt die Donau über die Ufer und droht die Unterstadt zu fluten. Deshalb müssen weitere Bereiche evakuiert werden. Die betroffenen Bürger werden gebeten, sich an die Anweisungen der Rettungs- und Einsatzkräfte zu halten.
Nach einem Evakuierungseinsatz heute Nacht in Offingen im Kreis Günzburg wird nach Angaben der Polizei ein 22-jähriger Feuerwehrmann nach einem Einsatz vermisst. Der 22-Jährige sei in der Nacht zum Sonntag in der Gemeinde im Landkreis Günzburg mit einem Boot der DLRG-Wasserrettung unterwegs gewesen, teilte ein Sprecher der Polizei mit. Das mit fünf Einsatzkräften besetzte Boot sei aufgrund starker Strömung gegen 2.50 Uhr gekentert. Vier Einsatzkräfte konnten sich demnach aus eigener Kraft an Land retten und blieben unverletzt. Nach dem 22-Jährigen laufe eine großangelegte Suche - Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren, der DLRG-Wasserrettung, der Wasserwacht, der Bundeswehr und der Polizei seien daran beteiligt. Neben Booten kommen dabei den Angaben zufolge auch zwei Hubschrauber zum Einsatz.
Vermisste 43-Jährige in Oberbayern
Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen wird eine 43-jährige Frau vermisst, die sich in einem Keller aufgehalten haben soll, als das Hochwasser kam. Laut Auskunft der Rettungskräfte ist es aktuell unmöglich, zu dem Haus vorzudringen. Es müsse allerdings mit dem Schlimmsten gerechnet werden.
In Schrobenhausen hatten sich Feuerwehr und Rettungskräfte am späten Samstagabend auf die Evakuierung von 670 Menschen vorbereitet. Auch diese Kommune hatte zuvor den Katastrophenfall ausgerufen. Die Feuerwehr in München musste seit Samstagmorgen zu 290 Einsätzen ausrücken, meist wegen vollgelaufener Keller und Tiefgaragen.
In Hohenkammer im Landkreis Freising wurden mittlerweile 150 Einwohner zum Teil mit Booten aus Häusern gerettet. In dem Ort stehen große Flächen unter Wasser. Die Glonn, die in die Amper mündet, hat inzwischen die Meldestufe 4 überschritten.
Schwerpunkt des Hochwassers verlagert sich
Der Schwerpunkt des Hochwassers verlagert sich stromabwärts in Richtung Niederbayern und Oberpfalz. Städte wie Neuburg, Kelheim, Regensburg und Straubing könnten betroffen sein, die Scheitelwelle wird Anfang der Woche erwartet.
- Aktuelle Pegelstände beim Hochwassernachrichtendienst Bayern
- Behinderungen und Verkehrsmeldungen
DWD warnt vor weiterem Regen
Auch am Sonntag besteht in weiten Teilen Bayerns und Baden-Württembergs Deutschem Wetterdienst (DWD) erneut die Gefahr von teils unwetterartigen Gewittern mit Starkregen. Der DWD-Prognose vom Sonntagmorgen zufolge ist von Mittag an bis in die Nacht zum Montag hinein mit Unwettern zu rechnen. Es könnten abermals Straßen und Keller überflutet werden. Örtlich seien auch Schäden durch Blitzeinschläge möglich, hieß es.
Im Video: BR24live vom 2. 6., 15.10 Uhr
Grafik: Bayernkarte - Wetterwarnungen des DWD
Im Audio: Bei Hochwasser-Einsatz - Feuerwehrmann stirbt in den Fluten
Mit Informationen von dpa
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