Ein Mann entfernt Brennesseln aus einem großen Ameisenhaufen
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Ameisenpflegewart Rudolf Reiser bei der Arbeit: Bei der Pflege von Ameisenhaufen muss jede noch so kleine Brennessel weichen.

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Im Kampf für die vom Aussterben bedrohten Waldameisen

Im Kampf für die vom Aussterben bedrohten Waldameisen

Waldameisen sind immens wichtig für die Ökologie des Waldes. Doch ein Ameisenschutzwart aus Laufen an der Salzach ist alarmiert: Die Bestände werden immer weniger. Das Sterben der Waldameisen hat vielerlei Ursachen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Rudolf Reiser schneidet mit einer Sense Brennnesseln und Brombeersträucher zurück, die rund um einen Ameisenhaufen wachsen. Es soll wieder mehr Sonnenlicht hinkommen. Der 80-Jährige ist seit vielen Jahren ehrenamtlicher Ameisenpflegewart im Landkreis Berchtesgadener Land.

Jahrzehntelanges Interesse an den nützlichen Krabblern

Seit mehr als 40 Jahren hegt und pflegt der pensionierte Zollbeamte die Waldameisen in den Wäldern um seinen Wohnort Laufen an der Salzach. Sein Herz schlägt für alle acht Waldameisen-Arten, die im Forst vorkommen können. Mit dem Nest am Wald von Biburg, um das er gemäht und es von Brennesseln befreit hat, ist er zufrieden.

Etwa 200.000 Exemplare wuseln darin herum. Die acht Millimeter langen Arbeiterinnen umsorgen die einzige Königin, die selbst der Ameisenheger selten zu Gesicht bekommt. Waldameisen können ihren Bau in sechs Wochen komplett von unten nach oben drehen. Das sei notwendig, so Rudolf Reiser, um den Ameisenhaufen zu belüften und zum Beispiel Pilz- oder Schimmelbefall vorzubeugen. Im Sommer kann es in so einem Bau 27 Grad warm werden.

Doch Ameisenheger Reiser sorgt sich auch, denn die Nester und damit der Bestand der Waldameisen geht - was er für seinen Bereich beobachtet - dramatisch zurück. Von einst 60 verschiedenen Ameisenhaufen in den Privat- und Staatswäldern, in denen er nach dem Rechten sieht, sind nur mehr rund zehn übrig.

Viele mögliche Ursachen für das Sterben der Waldameisen

Die Ursachen für das Sterben der Waldameisen sind vielfältig, aber noch kaum erforscht. Die Ameisenheger sind alarmiert, können jedoch kaum etwas dagegen unternehmen. Nach Angaben von Hubert Fleischmann, dem zweiten Vorsitzender des Vereins "Ameisenschutzwarte Landesverband Bayern" seien die Ameisenbestände in den Plänen für Baumaßnahmen mitunter gar nicht aufgeführt - und das obwohl die Behausung mit Pflöcken und Trassierband von den Schutzwarten deutlich kenntlich gemacht wird.

Insektenrückgang könnte an Waldameisen-Sterben Schuld sein

Teilweise würden Völker mit einem Durchmesser von drei Metern nicht registriert und dann etwa beim Bau von Straßen zerstört. Auch bei Arbeiten im Wald mit schwerem Gerät können Ameisenhaufen "übersehen" werden.

Doch am dramatischen Waldameisen-Sterben könnte auch der Insektenrückgang schuld sein. Denn die Ameisen brauchen Insekten als eiweißreiche Nahrung, um sich Fettpolster für den Winter anzufressen. Ein weiterer Grund ist die Trockenheit, die den Bäumen zusetzt. Rinden- und Blattläuse können keinen Honigtau produzieren, den die Ameisen für ihre Ernährung brauchen.

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Biologe Melvin Opolka von der Uni Bayreuth untersucht und kartiert Waldameisen für seine Doktorarbeit

Science-Projekt "Monitant" erforscht Waldameisen

Auch ein junger Wissenschaftler der Universität Bayreuth beschäftigt sich intensiv mit den Waldameisen und ihren zurückgehenden Beständen. Biologe Melvin Opolka vermutet, dass die Waldameisen die Verlierer des Klimawandels sind. Er erforscht seit Wochen unter anderem im Fichtelgebirge und im Bayerischen Wald die markanten Ameisen-Nester, untersucht und kartiert sie.

Waldameisen sind Thema der Doktorarbeit von Melvin Opolka, an der er schreibt. Auch eine App wurde entwickelt; beim EU-geförderten Citizen Science-Projekt "Monitant" kann jeder Interessierte mithelfen. Notwendig ist das Herunterladen der App auf das Handy. Beim Öffnen des Links kann jeder bei einem Waldspaziergang Ameisennester kartieren. Ziel des Projekts ist, einen Überblick über die Waldameisen-Bestände zu verschaffen, auch um die Tiere zu schützen.

Wichtig für das Ökosystem

Waldameisen gelten als wichtiger Teil des Ökosystems im Wald. Ameisenvölker sind nützlich und vor allem hungrig. Sie fressen bis zu 100.000 Insekten pro Tag - Larven und Raupen. Sie bekämpfen auch Schädlinge wie zum Beispiel die Fichtenblattwespe oder den Borkenkäfer, andererseits dienen sie als Nahrung für Tiere wie den Grünspecht.

Waldameisen spielen auch bei der Verbreitung von Samen und der Belüftung des Bodens eine wichtige Rolle. Die Krabbler gelten aufgrund ihrer Bedeutung für die Nährstoffkreisläufe als Schlüsselspezies in Nadel- und Bergwäldern.

Ameisenheger werden gesucht

Die Waldameisen sollen wieder mehr werden - und dafür werden aber auch mehr Heger und Pfleger gebraucht. Ihre Aufgaben sind die Rettung von Ameisenvölkern aus Baustellen, die Erfassung und Kartierung der Standorte und Führungen von Kindern, um ihnen die Welt der Ameisen und deren Nutzen zu erklären.

Wer am Ehrenamt Interesse hat, kann sich beim Verein Ameisenschutzwarte Landesverband Bayern in Nabburg melden. Rudolf Reiser jedenfalls will so lange weitermachen, bis er einen Nachfolger hat.

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