Es ist ein privates Thema und doch muss mehr darüber gesprochen werden: sexuell-übertragbare Krankheiten. Denn weltweit sind die Infektionen auf dem Vormarsch. Einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge greifen Jugendliche in Europa vor dem Geschlechtsverkehr immer seltener zum Kondom. Zum heutigen Welttag der sexuellen Gesundheit ruft Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) deshalb zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten auf.
Zuwachs bei Syphilis-Fällen und HIV-Neuinfektionen
In Bayern gibt es demnach immer mehr Fälle sexuell-übertragbarer Infektionen. So wurden im Freistaat 2023 genau 1.451 Syphilis-Fälle gemeldet – 63 mehr als im Vorjahr, so Ministerin Gerlach. Auch die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist in Bayern demnach gestiegen: "Im vergangenen Jahr lag sie nach aktuellen Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI/Stand: 11. Juli 2024) bei 280 – das sind 40 Fälle mehr als im Jahr 2022."
Grafik: Entwicklung von Syphilis und HIV in Bayern
Grafik: Entwicklung der Syphilis- und HIV-Fälle nach Geschlechtern
Da HIV-Diagnosen aber oft erst Jahre nach der Infektion gestellt würden, könnten diese Zahlen noch deutlich von den Neuinfektionen abweichen, hieß es weiter. Für 2023 schätze das RKI die Anzahl der Erstdiagnosen in Bayern auf 670. Im Vorjahr waren es noch 540.
Bayern folgt bundesweitem Trend
Bundesweit sieht die Entwicklung ähnlich aus. In Deutschland wird die Syphilis dabei als einzige der Infektionen regelmäßig erfasst. 2022 wurden dem RKI 8.305 Fälle gemeldet. Für 2023 ist aus dem Datensatz bereits ein deutlicher Anstieg zu erwarten: die Mehrzahl bei den 30- bis 39-Jährigen, aber auch in den älteren Altersgruppen steigt die Rate.
Grafik: Wo liegt Bayern im Bundesländervergleich
Karte: Inzidenzen in ländlichen Regionen deutlich niedriger
Gesundheitsministerin Gerlach: Arzt-Patienten-Gespräch sollte selbstverständlich sein
Für Bayerns Gesundheitsminister Gerlach sind das alarmierende Werte: "Sexuell übertragbare Infektionen können unbehandelt schwere Folgen haben." Umso wichtiger sei es, dass sich Betroffene frühzeitig ärztlichen Rat suchen, so die CSU-Politikerin. "Falsche Scham und Gedankenlosigkeit können uns selbst und andere Menschen gefährden."
"Nach wie vor ist es leider ein Tabu, über sexuell-übertragbare Krankheiten zu sprechen. Dabei kann man sich und andere schützen, wenn man sich entsprechend informiert", betont Gerlach. Das Arzt-Patienten-Gespräch über sexuelle Gesundheit sollte ebenso selbstverständlich sein wie das Gespräch über andere gesundheitsbezogene Themen.
Antibiotikaresistenzen erschweren Behandlung von Infektionen
Auch der Präsident der Gesellschaft für Sexuell-übertragbare Infektionen (STI), Norbert Brockmeyer, sieht Handlungsbedarf. "Wir haben ein Problem mit sexuell-übertragbaren Infektionen und es wird stetig größer." Der Dermatologe und HIV-Experte weist auch auf die wachsende Zahl an Antibiotikaresistenzen hin. Das gefährde die Behandlung einer ganzen Reihe von sexuell-übertragbaren Infektionen.
Zwar sei die Mehrzahl der zunehmenden Fälle von Syphilis weiter bei jüngeren Männern, die Sex mit Männern hätten, zu verzeichnen, aber der Anstieg bei Älteren nicht zu leugnen. "Viele denken gar nicht mehr daran, dass Sexualität auch im Alter gelebt wird", sagt Brockmeyer und fügt hinzu: "Mein ältester Patient mit einer Syphilis-Infektion war 85 Jahre alt." Einmal an Syphilis erkrankt, kann dies aber viele Jahre unentdeckt bleiben. In Heimen etwa werde Sexualität gänzlich negiert, beklagt Brockmeyer.
Geschlechtskrankheiten nicht nur bei Jüngeren ein Thema
Das hat auch damit zu tun, dass ältere Generationen angstfreier und sexuell aktiver seien als früher – auch mit unterschiedlichen Partnerinnen und Partnern. Im Allgemeinen spielten die Möglichkeiten, sich im Netz kennenzulernen, eine große Rolle, aber auch Swinger-Clubs oder verfügbare Potenzmittel.
Hinzu komme, dass die Sorge vor einer ungewollten Schwangerschaft bei Älteren wegfalle und entsprechend seltener Kondome genutzt würden. Und mit besseren Behandlungsmöglichkeiten etwa von HIV und Aids sei zusätzlich eine gewisse Sorglosigkeit eingekehrt.
Gerlach ruft erneut zur HPV-Impfung auf
Gerlach warb anlässlich des Welttags der sexuellen Gesundheit auch für den Kampf gegen krebserregende Humane Papillomviren (HPV): "Die rechtzeitige HPV-Impfung schützt Mädchen und Jungen wirksam und sicher vor verschiedenen durch HPV hervorgerufenen Krebserkrankungen wie beispielsweise Gebärmutterhalskrebs."
In Bayern seien jedoch weniger als die Hälfte der 15-jährigen Mädchen und nur knapp ein Viertel der 15-jährigen Jungen vollständig gegen HPV geimpft. Übertragen würden die Viren vor allem beim Geschlechtsverkehr. Die Ständige Impfkommission empfehle die HPV-Impfung für Kinder und Jugendliche ab neun Jahren.
Im Audio: Kalenderblatt – Woher der Name Syphilis kommt
Mit Informationen von KNA
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